Hamburg. Tausende verfolgten, wie der Mond sich vor die Sonne schob. Dann kamen Wolken und Kälte. So erlebten die Hamburger das Naturschauspiel.

Eben noch hat Jörg-Felix Witte mit seinen Kollegen während einer „verfrühten Mittagspause“ durch die dunklen Brillen in den Himmel über Hamburg geschaut. Der Mondschatten hatte sich gerade mehr als zur Hälfte schon über Sonne geschoben, die hier am Jungfernstieg gegen 10.30 Uhr hell und warm strahlte. Wie die Mitarbeiter des Bankhauses Donner&Reuschel haben sich kurz vor dem Maximum der Sonnenfinsternis am Freitagmorgen etliche Menschen hier versammelt, mancher blinzelt trotz der Warnungen kurz in das helle Licht, andere haben die dunklen Pappbrillen aufgesetzt, viele halten ihre Handys zum Fotografieren hoch.

Doch fast schlagartig lässt dann die Kraft der Sonne über der Innenstadt nach, kalte Windböen fegen auf einmal über die Alster, Hochnebel zieht vor das Sonnenlicht – so dass man plötzlich doch wieder hoch auf das Geschehen blicken kann. Ist es nun die Finsternis, führt die gut 80prozentige Verdeckung zu mehr Nebel, oder sind es schlicht Wolken, die ausgerechnet nun das astronomische Schauspiel verderben?

Zwei Wettereignisse, die sich überlagert haben

Es sind zwei meteorologische Ereignisse, die sich quasi überlagern, erklärt wenig später am Telefon Lars Rohwer, Meteorologe vom Dienst am Hamburger Institut für Klima- und Wetterkommunikation. Zum einen zog schon am frühen Freitag ein breites Wolken- und Nebelband von der Nordsee auf die Stadt zu. Im Westen der Stadt ist es daher schon diesig, als die Menschen auf dem Rathausmarkt und an der Binnenalster noch blauen Himmel und damit beste Sicht auf die „Sofi 2015“ haben. In Cuxhaven etwa ist da der Himmel schon lange wolkenverhangen. Genauso wie auf Sylt, wo mit 83 Prozent eigentlich in Deutschland die größte Abdeckung zu beobachten wäre. Im Osten des Landes herrscht indes beste Sicht.

In Hamburg sorgte die Sonne nun zunächst auch dafür, dass der Nebel quasi austrocknete und bis zum Beginn der Sonnenfinsternis steckenblieb, wie Meteorologe Rohwer sagt. Doch zum Maximum der gut zweistündigen Finsternis nimmt die wärmende Kraft wegen des Mondschattens ab – während gleichzeitig das Wolkenband die Stadt erreicht. Folge: Sehr rasch nimmt die Temperatur ab, am Flughafen um drei Grad von fünf auf zwei. “Bei der gefühlten Temperatur erlebten wir wegen der kalten Luft sogar einen Sturz von zwölf auf Minus 1 Grad“, sagt der Meteorologe.

Am Planetarium wurden Schutzbrillen verteilt

Das Interesse an dem Naturschauspiel war groß. Auch das niederländische Königspaar wagte während seines Besuchs an der Elbe einen Blick in die Sonne. Zahlreiche Schulklassen besuchten die Sternwarte in Hamburg-Bergedorf und das Planetarium im Hamburger Stadtpark. Dort versammelten sich mehrere hundert Hamburger, etwa 100 Interessierte konnten auf dem Plateau das Spektakel verfolgen. Wer hinauf wollte, musste zum Teil 45 Minuten und länger warten. Am Eingang gab es kostenlose Sonnenfinsternisbrillen. „Wir haben rund 1000 Stück zusammenbekommen“, sagte Anja Michalke vom Planetarium.

Das Planetarium stellte Teleskope zur Verfügung, die eine sichere Betrachtung der Sonnenfinsternis erlaubten. Ein Teleskop war zu einer Art Lochkamera umgebaut, die eine Projektion der Sonne zeigte. So konnten Fotografie-Begeisterte auch ohne Filter oder extra großem Objektiv das Phänomen festhalten. Zusätzlich gaben Experten, wie Rahlf Hansen und Bruno Mattern, Tipps und Erklärungen zu dem Phänomen.„Wir sind fasziniert von der Sonnenfinsternis“, schwärmt Sandra Jagow, die mit einer Kollegin auf der Plattform des Planetariums das Spektakel verfolgte. „Eine Sonnenfinsternis und dann gutes Wetter in Hamburg? Das ist doch schon sehr selten. Die Faszination begann bei mir im Studium, wo ich Literatur über die Sonnenfinsternis analysiert habe.“ Bei Katharina Url, ihrer Kollegin, weckte der Großvater das Interesse an den Sternen, „ich bin früher oft mit meinem Opa ins Planetarium gegangen. Und bei der letzten Sonnenfinsternis war ich erst vier. Da musste ich heute einfach herkommen.“

Doch nicht jeder, der am Planetarium war, bekam auch tatsächlich die Eclipse mit. Eine vierte Klasse der Elbinselschule in Wilhelmsburg verfolgte eine der Animationen im Saal. Geplant war dann bei der maximalen Verfinsterung hinaus zu gehen. Da war allerdings nichts mehr zu sehen. Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben

In Rahlstedt verfolgten 900 Schüler das Spektakel auf einer Leinwand

Im Gymnasium Rahlstedt versammelten sich 900 Schüler in einer stockfinsteren Halle ihres Mehrzweckgebäudes. Statt per Schutzbrille das Himmelspektakel anzusehen, hatte die Schulleitung entschieden, den Livestream im NDR zu verfolgen. "Damit wollen wir ein Restrisiko vermeiden", sagte Schulleiter Volker Wolter. Schließlich sei die Gefahr von Netzhautschäden nicht ganz auszuschließen. Lediglich 25 Schüler aus der 8. Klasse beobachteten die partielle Sonnenfinsternis live und in Farbe, vor allem aber mit zertifizierter Brille. In der dunklen Mehrzweckhalle murrten einige Neuntklässler vor der riesigen Leinawand, das sei hier wie Youtube-Gucken. Sie konnten die Entscheidung der Lehrer nicht ganz nachvollziehen.

Am nördlichsten Punkt Deutschlands, in List auf Sylt, wo die Sonne am stärksten verdunkelt wurde, verhinderte die dichte Wolkendecke jede Beobachtung. Vor dem Schwimmbad von Glücksburg bei Flensburg versammelten sich trotz des bedeckten Himmels mehrere Dutzend Interessierte, um vielleicht doch noch einen Blick auf die Sonne zu erhaschen. „Ich bin überrascht, wie viele Leute hier sind“, sagte der Vorsitzende des Fördervereins des Glücksburger Planetariums, Anton Ammann. Pünktlich gegen 10.40 Uhr lichteten sich die Wolken leicht und man konnte kurz die Sonnenfinsternis sehen.

Was man sonst noch wissen muss:

Wie oft verfinstert sich die Sonne?

Eine totale Sonnenfinsternis gab es in Deutschland zuletzt am 11. August 1999, eine partielle am 4. Januar 2011. Die nächste partielle Finsternis ist am 10. Juni 2021, die nächste totale am 3. September 2081.

Wann genau beginnt das astronomische Spektakel?

Um 9.36 Uhr gibt es – von Hamburg aus gesehen – einen ersten Kontakt zwischen Mond- und Sonnenbrand. Dann wandert der Mond über die Sonne, bis er sie um 10.44 Uhr fast vollständig bedeckt. Um 11.55 Uhr gibt er die Sonne dann wieder komplett frei.

Wie wird heute das Wetter in Hamburg?

Nicht mehr ganz so gut wie in den vergangenen Tagen. Meteorologen gehen aber davon aus, dass das Himmelspektakel zu beobachten sein wird. „Wir erwarten erste Wolken von Tief ,Horst’“, sagt Frank Böttcher, Geschäftsführer des Instituts für Wetter-und Klimakommunikation in Jenfeld. Doch auch beim Blick durch einen milchigen Wolkenhimmel sei das Schauspiel noch zu erkennen. „Da es sich um Schleierwolken handelt und diese Wolkenform sehr großflächig ist, wird es in der Hansestadt kaum regionale Unterschiede geben. Der Blick auf die Sonne wird vielfach möglich sein.“

Wird es während der Sonnenfinsternis dunkel und kalt?

Wenn sich am heutigen Freitag der Neumond vor die Sonne schiebt, ist in Hamburg eine rund 80-prozentige Sonnenfinsternis zu beobachten. In der Zeit von 9.36 Uhr bis 11.55 Uhr geht am Himmel ein bisschen das Licht aus. Richtig dunkel wird es aber heute nicht.

Darf man die Sonnenfinsternis ohne spezielle Schutzbrillen betrachten?

Auf keinen Fall. Es gibt auch keine Alternative zu den speziellen Schutzbrillen, die mittlerweile hamburgweit ausverkauft sind. Normale Sonnenbrillen, rußgeschwärzte Gläser, CDs oder dunkle Folie bieten keinen ausreichenden Schutz. Diese Maßnahmen seien „für die Beobachtung der Sonne nicht nur ungeeignet, sondern gefährlich“, so das Bundesamt für Strahlenschutz.

Auch die Spezialbrille, die man eventuell von der Sonnenfinsternis 1999 noch hat, sollte man nicht benutzen. Möglicherweise ist diese nicht mehr vollständig intakt – und schon ein Kratzer kann gefährlich sein. Maximal 0,001 Prozent des Sonnenlichts dürfen ans Auge kommen – auch eine geringe Beschädigung in der Folie reicht, um diesen Wert zu überschreiten.

Wo kann ich die Sonnenfinsternis sonst noch sehen?

Das Spektakel wird auch im Internet zu sehen sein. Zum einen zeigt Ihnen unsere grafische Animation in Echtzeit die Stellung des Mondes. Es gibt aber auch Livestreams, zum Beispiel von den Faröer Inseln, wo es zur totalen Sonnenfinsternis kommen wird. Hier eine kleine Auswahl:

Faröer Inseln: hier klicken oder hier

Dänemark: hier klicken

Saarland: hier klicken

München: hier klicken

Wie schützen Schulen und Kitas Kinder vor der Gefährdung ihrer Augen?

Die Hamburger Schulbehörde hat in einem Anschreiben an alle Schulen appelliert, Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten und dafür zu sorgen, dass Schüler die Sonnenfinsternis nicht ungeschützt beobachten. „Wir rechnen damit, dass alle Lehrer informiert sind“, so Sprecher Peter Albrecht. Riskiert ein Kind doch einen zu langen Blick und trägt Schäden an der Netzhaut davon, kommt dafür die Unfallkasse Nord auf.

Auch die Kitas wurden aufgefordert, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Die meisten Kitakinder werden wohl nicht nach draußen dürfen. „Wir nutzen die Zeit, um den Kindern im morgendlichen Stuhlkreis das Phänomen einer Sonnenfinsternis zu erklären“, sagt Anna Roski von der Stiftung Finkenau.

Was bieten die Hamburger Sternwarte und das Planetarium?

Beide Einrichtungen laden zum „Public Viewing“. Die Sternwarte in Bergedorf (August-Bebel-Straße 196) öffnet von 9 bis 12 Uhr ihre Türen. Interessierte können das Naturschauspiel mit den dortigen Teleskopen verfolgen. Ergänzend dazu werden Kurzvorträge, auch für Kinder und Jugendliche, angeboten. Im Planetarium (Otto-Wels-Straße 1) können Besucher das Schauspiel bei gutem Wetter ab 9.15 Uhr gemeinsam mit den Astronomen auf der Aussichtsplattform verfolgen – bei großem Andrang auch vor dem Planetarium auf der Wiese.

Welchen Einfluss hat die Sonnenfinsternis auf die Solarenergie?

Nach Berechnungen des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik wird es am Freitag zu einem kurzfristigen Leistungsabfall bei der Solarenergie kommen. Darauf dürfte dann wegen des höheren Sonnenstandes ein steiler Anstieg folgen.

Kippt die Stromversorgung, weil Solaranlagen ausfallen?

Die Netzbetreiber behaupten, sie haben „alles im Griff“. „Wir sind seit Mitte 2014 im engen Austausch mit unserem Übertragungsnetzbetreiber 50Hz Transmission“, sagt Anette Polkehn-Appel, Sprecherin von Stromnetz Hamburg. Schwankungen im Stromnetz seien nichts Außergewöhnliches. „Der Übertragungsnetzbetreiber muss fast täglich seinen ,Werkzeugkasten’ einsetzen, damit es nicht zu Schwankungen kommen kann“,sagt sie.