Hammerbrook. Die Ökopartei präsentiert ihren Mitgliedern die Zwischenbilanz der Koalitionsgespräche mit der SPD. Fegebank: „Gemischte Gefühle“.

Für die Grünen ist es ein geschichtsträchtiger Ort: In der Freien Akademie der Künste am Klosterwall stellte sich 2010 ein gewisser Christoph Ahlhaus (CDU) als künftiger Bürgermeister des schwarz-grünen Bündnisses vor – und konnte die bekannt kritische grüne Basis überzeugen, auch wenn die Koalition wenige Monate später zerbrach.

Überzeugen – das war auch beim Mitgliederabend der Grünen in der Freien Akademie der Künste am gestrigen Mittwoch die selbst gestellte Aufgabe der Landesvorsitzenden Katharina Fegebank und des Fraktionschefs Jens Kerstan. Parteiöffentlich wollten die beiden den Mitgliedern ihre Zwischenbilanz der rot-grünen Koalitionsgespräche präsentieren. Rund 150 Grüne kamen. „Ich bin zuversichtlich und zufrieden. Wir haben im Kleinen viel erreicht. Jetzt bin ich gespannt, wie das ankommt“, sagte Kerstan vor Beginn.

Im Anschluss an die knapp dreistündige Aussprache zog Parteichefin Fegebank mit gewisser Erleichterung ein erstes Fazit. „Es gab durchaus gemischte Gefühle bei den Mitgliedern“, sagte die Grünen-Politikerin. „Es gab viele Fragen und bei Teilen zu Beginn eine Verunsicherung wegen der Ergebnisse der Verhandlungen, soweit sie nach außen gedrungen waren“, sagte Fegebank. Einige hätten die Sorge, dass „wir uns die Butter vom Brot haben nehmen lassen“.

Zunächst hatte Fegebank aus dem Ablauf der Verhandlungen über die grüne Strategie und die erzielten Ergebnisse berichtet. Dann hatte Kerstan seine Sicht der Dinge erläutert. In den dann folgenden Fragerunden hatte das bis auf den Parlamentarischen Geschäftsführer Anjes Tjarks komplett anwesende Verhandlungsteam der Grünen je nach Zuständigkeit geantwortet.

„Es gibt schon den Druck, dass die grünen Unterschiede in den weiteren Verhandlungen deutlich werden“, sagte Fegebank. „Aber es gab auch ermutigende Worte, die uns den Rücken gestärkt haben“, so die Parteichefin.

Kritik hatte es schon vor dem parteiinternen Mitgliederabend gegeben. Am deutlichsten hatte die Grüne Jugend ihre Unzufriedenheit mit den bisherigen Verhandlungen artikuliert. Maximilian Bierbaum, Sprecher der Nachwuchsorganisation, hatte unter anderem das Beispiel Luftqualität genannt. Nachdem der Stadt per Gerichtsurteil auferlegt worden war, mehr für die Luftreinhaltung zu tun und der SPD-Senat dagegen in Berufung gehen will, verstehe er „gar nicht“, warum die Grünen das nun mittragen wollen, sagte Bierbaum dem NDR (siehe auch Seite 13). Dass die Grenzwerte in vielen anderen Städten auch überschritten würden, wie der Senat argumentiere, sei ihm „völlig egal. Die Werte müssen in Hamburg eingehalten werden. Ich erwarte eigentlich, dass da noch nachverhandelt wird“, sagte Bierbaum.

In der Innen- und Flüchtlingspolitik müsse Hamburg „wesentlich humaner und liberaler werden“, fordert Bierbaum, ohne die symbolträchtige Lampedusa-Gruppe direkt zu nennen. Für diese über Italien eingereisten Afrikaner fordern die Grünen ein Bleiberecht als Gruppe – was die SPD unter Verweis auf die Rechtslage strikt ablehnt. „Ich erwarte schon ein Entgegenkommen der SPD und eine harte Verhandlungsführung von uns“, sagte Bierbaum.

Auch für die Grünen-Schulexpertin Stefanie von Berg gibt es viele offene Fragen. Die Bürgerschaftsabgeordnete betrachtet es zwar nicht als Niederlage ihrer Partei, dass sich die SPD mit ihrer Vorfestlegung bei den Themen Elbvertiefung, Stadtbahn, Citymaut und Umweltzone durchgesetzt hat. „Aber dass wir beim Thema Luftreinhaltung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugestimmt haben, hat mich verwundert“, sagte auch von Berg. Es sei zu spüren, dass die Grünen der kleinere Partner einer möglichen Koalition seien. „Wir müssen die Möglichkeit haben, gesichtswahrend aus den Koalitionsverhandlungen herauszukommen“, sagte von Berg. Das müsse auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) klar sein. Bei den weiteren Themen in den Gesprächen mit der SPD müssten die Grünen auf jeden Fall noch Punkte machen. „Wir haben unseren eigenen Kopf, und wir müssen den Rücken gerade machen“, forderte von Berg.

Ihre Kollegin Christiane Blömeke, Sozialexpertin der Bürgerschaftsfraktion, ist noch etwas unentschieden. „Jubelstürme lösen die Ergebnisse bislang nicht aus. Aber ich finde sie ordentlich, damit kann man arbeiten.“ Positiv sei etwa der geplante massive Ausbau des Radverkehrs. Viele Fragen habe sie hingegen im Umweltbereich, wo ihr nicht klar sei, was die Grünen erreicht hätten. Ein abschließendes Urteil könne sie sich erst bilden, wenn alle Themen verhandelt seien, so auch ihr Spezialgebiet, der Kita-Bereich. Hier fordern die Grünen eine deutliche und rasche Aufstockung des Personals im Krippenbereich, während die SPD wesentlich kleinere Schritte gehen will. „Man kann nicht das Zugpferd in einer Koalition sein, wenn man nur ein Viertel der Stimmen bekommen hat“, sagte der Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Olaf Duge. „Aber es ist zu früh, sich eine abschließende Meinung zu bilden.“ Noch fehlten wichtige Details auch zu den Punkten, die in den Verhandlungen bereits behandelt worden seien. So sei zum Beispiel nicht klar, sagte der Stadtentwicklungsexperte, ob es konkrete Festlegungen zu einzelnen Bebauungsplänen gebe oder geben werde. Auch die Frage der Finanzierung etwa in der Hochschulpolitik, sei nicht geklärt. „Aber ich bin der Meinung, dass die Grünen in großen Teilen gut verhandelt haben“, sagte Duge.

Sehr verbreitet war vorher die Stimmung, sich erst einmal über Verlauf und Ergebnisse der Gespräche informieren zu lassen. „Ich kann noch gar nichts sagen, muss mir erst einmal alles anhören“, sagte Gesche Boehlich, Vorsitzende der Altonaer Grünen-Bezirksfraktion. Auch der Bürgerschaftsabgeordnete Martin Bill gab sich entspannt: „Ich bilde mir meine Meinung, wenn die Fakten schwarz auf weiß vorliegen.“