Hamburg. In einem Punkt haben sich die Grünen im Verhandlungspoker durchgesetzt: Das Radwegenetz in Hamburg wird massiv ausgebaut.

Radfahrer können hier in beide Richtungen auf einer breiten Fahrbahn fahren, Fußgänger haben auf eigenen Wegen links und rechts ebenso ausreichend Platz. Und an Kreuzungen mit anderen Straßen machen grobes Pflaster und leichte Schwellen Autofahrer deutlich darauf aufmerksam, dass sie dort eine Straße kreuzen, auf der die Radler Vorrang haben. Entspannt lässt sich hier, am Eilbekkanal, fahren, für Radfahrer ein Traum, wenn auch nur ein sehr kurzer. Bisher jedenfalls. Die nur wenige Hundert Meter lange Fahrradstraße könnte jetzt so etwas wie eine Blaupause für ein ganzes Radwegenetz in Hamburg sein. Das sagen jedenfalls führende Grünen-Politiker, wenn man nach Details zu ihrem Radverkehrkonzept fragt, das die rot-grüne Koalition in spe umsetzen will.

In den aktuellen Verhandlungen zur künftigen Senatsbildung mussten die Grünen zwar ihre Stadtbahnpläne in die Schublage packen. Doch im Verhandlungspoker mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) konnten sie für ihr zweites Verkehrs-Lieblingsprojekt im Gegenzug eine Zustimmung aushandeln: Der Radverkehr in Hamburg soll massiv ausgebaut werden. Sein Anteil am Verkehrsgeschehen soll sich von derzeit zwölf in den nächsten Jahren auf 25 Prozent vergrößern. Hamburgs Grünen-Chefin Katharina Fegebank sprach gar von „einer radikalen Beschleunigung des Ausbaus“. Und Grünen-Verkehrsexperte Till Steffen sagte kürzlich, dass man Hamburg zur „Fahrradstadt“ machen wolle.

Doch was bedeutet das, wie sehr wird der Radverkehr tatsächlich in den kommenden Jahren das Bild auf Hamburgs Straßen prägen? Die CDU in Hamburg argwöhnt jedenfalls schon jetzt, dass harte Zeiten auf Autofahrer zukommen könnten: „Ausgerechnet mit ihrer ideologischsten Forderung“, hätten sich die Grünen durchgesetzt, sagt Fraktionsvize Dennis Thering. „Jetzt drohen noch mehr Straßen in Fahrradstraßen umgewandelt zu werden.“ Das sei „Ideologie pur“. Auf Hamburgs chronisch überlasteten Verkehrsachsen kämen nun noch mehr Staus zu, meint der Christdemokrat.

Ein Blick in das Wahlprogramm der Grünen und Nachfragen lassen Details erkennen, was tatsächlich geplant werden könnte: So soll das bereits seit Jahren auf dem Papier existierende „Velorouten“-Netz noch in dieser Regierungszeit komplett fertiggestellt werden. Das Netz umfasst auf insgesamt 280 Kilometern 14 Routen, die spinnenförmig von den Stadtgrenzen in die Kernstadt führen.

Die Strecken verlaufen auf eher kleinen, verkehrsarmen Straßen. Stellenweise wurden die Strecken schon für ein zügiges Radeln ausgebaut – wie eben die Fahrradstraße am Eilbekkanal, die Teil der Veloroute 6 ist. Aber wie an den meisten Stellen dieses Netzes endet der Radlertraum nach wenigen Hundert Metern und führt wieder auf schmale Radwege und für Radfahrer unübersichtliche Kreuzungen.

Ein Ausbau des Veloroutennetzes wird natürlich Geld kosten. Die Grünen hatten im Wahlkampf daher schon auf das Beispiel Kopenhagen verwiesen, das einen Radverkehrsanteil von nahezu 40 Prozent hat. In der dänischen Hauptstadt aber werden auch rund 20 Euro pro Einwohner und Jahr ins Radwegenetz investiert, in Hamburg bisher etwa 3,15 Euro.

Mit einem Investitionsschwerpunkt Radverkehr wollen die Grünen daher noch eine Reihe weiterer Maßnahmen fördern, wie sie bereits im Herbst verkündet hatten. So soll bis Ende der Legislaturperiode auch ein Konzept für sieben Radschnellwege stehen, die ebenfalls das Umland mit der City verbinden und auch Berufspendlern ein zügiges Radeln ermöglichen sollen. Referenzstrecke wäre dabei der neue Radweg „Loop“, der von Wilhelmsburg Richtung City führt. Als eine erste denkbare Strecke wird dabei über eine Verbindung zwischen S-Bahnstation Friedrichsberg und U-Bahnhof Farmsen nachgedacht.

Auch das städtische Radverleihsystem StadtRad soll ausgeweitet werden. Die Grünen konnten erreichen, dass in den Bezirken jetzt nicht nur 40 neue Stationen dazukommen, sondern weitere 70. Wo genau, ist noch offen. Weiter sieht das Konzept der Hamburger Grünen vor, weit mehr Stellplätze für Fahrräder an den S- und U-Bahnstationen in der Stadt zu schaffen. In dem immer wieder als Vorbild angeführten Kopenhagen gibt es sogar Radgaragen, in denen Räder übereinander gestapelt werden können.

Bei der Sanierung von Straßen soll nach Vorstellung der Grünen künftig zudem stets auch der Radverkehr bedacht werden. Das würde bedeuten, dass die schon in jüngster Zeit gelegentlich angelegten Radfahrstreifen auf den Straßen bald zum üblichen Bild gehören. Auch mit der Aufhebung von Radwegbenutzungspflichten wollen die Grünen weit mehr als bisher das Radfahren auf die Straße verlegen. Sicherheitsprobleme sieht man dabei offensichtlich nicht. „Alles eine Frage der Gewöhnung“, heißt es auf Nachfrage.