Hamburg. Hamburgs Nahverkehr müsste für die Spiele viel schneller ausgebaut werden als geplant. Experten plädieren auch für Seilbahn über Elbe.

Voller Harmonie, so schien es, waren in Hamburg die Koalitionsgespräche zwischen SPD und Grünen gestartet. Bis es um Stadtbahn und Busbeschleunigung ging und darum, wie der öffentliche Nahverkehr in der Stadt in den nächsten Jahren organisiert werden muss. Es geht dabei um Platz und um Geld, was beides in einer Stadt wie Hamburg nicht unbedingt grenzenlos vorhanden ist. Tatsache aber ist: Die Zahl der Einwohner wächst und damit auch der Anspruch an einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Doch die U-Bahn-Ausbaupläne des bisher alleinregierenden SPD-Senats sind ein langfristiges Projekt.

Olympische Spiele in der Stadt könnten aber, so sagen Stadtplaner und Verkehrswissenschaftler, wie ein Katalysator wirken und manches beschleunigen, was sonst viel mehr Zeit benötigen würde. Jürgen Perschon, Geschäftsführer des in Hamburg ansässigen Verkehrsinstituts Eurist, verweist dazu auf Südafrika, wo Eurist vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 aktiv war. Das staatlich unabhängige Institut berät weltweit Kommunen zu Fragen nachhaltiger Nahverkehrsstrategien: In den großen Städten Südafrikas wie Johannesburg aber gab es kaum ein funktionierendes Nahverkehrssystem. In relativ kurzer Zeit wurden dann dort wie auch in Kapstadt zur WM moderne Schnellbuslinien aufgebaut, um zusätzlich auch die erwarteten drei Millionen Besucher durch die Städte bewegen zu können. Man hätte diesen Ausbau sowieso machen müssen, sagt Perschon. So wirkte die große Veranstaltung im Zuge der Gesamtinvestitionen aber wie ein Beschleuniger.

Einen ähnlichen Effekt, so Perschon, könnte auch die Ausrichtung Olympischer Spiele in Hamburg haben. Natürlich sind an der Elbe die Startbedingungen anders, Busse und Bahnen gibt es längst. Aber für eine moderne europäische Stadt mit hoher Lebensqualität gibt es aus seiner Sicht dennoch ein Ziel: „Wir brauchen die Fünf-Minuten-City.“ Also eine Stadt der kurzen Wege – was eben auch Basis des hamburgischen Olympiakonzepts ist.

Unterschiedliche Verkehrsmittel, komfortabel und ohne Aufwand nutzbar – so müsse das dazu passende Verkehrssystem sein. Leihräder, Busse, Bahnen, Fähren, aber auch neue Systeme wie Seilbahnen müssten dazu verknüpft werden. Man müsse die Transportmittel schnell wechseln und alles mit einer Karte bezahlen können. Speziell Seilbahnen seien dabei mit Blick auf die Sportstätten auf der anderen Elbseite ein geeignetes Mittel, um möglichst viele Menschen dorthin zu bringen. Auf jeden Fall sei ein solches Verkehrsmodell der Zukunft „autounabhängig“, sagt Perschon. „Städte sind eben nicht für Autos gemacht.“

Auch der Hamburger Regional-Ökonom und Stadtplaner Dieter Läpple glaubt an einen Schub durch Olympia für den Ausbau eines zukunftsfähigen Verkehrssystems. „Man kann das auch ohne Olympia machen, aber mit könnte es schneller gehen“, sagt Läpple, der die Entwicklung des bisherigen Hafenareals auf dem Kleinen Grasbrook als Bindeglied zwischen HafenCity und Wilhelmsburg schon vor Jahren gefordert hat. Die Spiele am Wasser würden dann auch die Chance eröffnen, den Nahverkehr auf dem Wasser auszuweiten, „Das Wasser“, sagt Läpple, „bietet da eine ganz große Möglichkeit.“ Schon jetzt gibt es eine kleine Fährlinie nach Wilhelmsburg. Aber man brauche mehr Fahrtangebote und mehr Verlässlichkeit, sagt Läpple.

Noch fehle die kritische Masse. Soll heißen: Noch ist diese Linie zu unattraktiv, als dass sie von vielen Fahrgästen als Alternative genutzt wird. Mit dem geplanten Ausbau des Olympiageländes zu einem späteren neuen Wohnstadtteil aber könnte das schon ganz anders aussehen. Wie man das Wasser für den Nahverkehr nutzen kann, zeigt aus Sicht des Wissenschaftlers im Übrigen das Beispiel Rotterdam. Tatsächlich hat die niederländische Hafenstadt an der Neuen Maas vor einigen Jahren ein umfangreiches Wassertaxisystem aufgebaut. Die gelbschwarzen Boote fahren mit acht bis zwölf Passagieren, der Tarif richtet sich nach Fahrgastanzahl und Distanz. Etwa 30 Haltestellen gibt es mittlerweile entlang und an beiden Ufern des Flusslaufs. „Wunderbar, dort steigt man am Bahnhof aus und kann dann mit dem Wassertaxi gleich weiter auf die andere Seite kommen“, schwärmt Läpple. Auf Hamburg übertragen würde das bedeuten: Zwischen Landungsbrücken, HafenCity oder auch Blankenese und dem Südufer würden Wassertaxis Besucher und später auch Berufspendler schnell und bequem über den Fluss bringen.

Von solchen Möglichkeiten aber ist man in Hamburg heute noch weit entfernt. Tatsächlich gab es Versuche von Privat-Unternehmern, Wassertaxis auch auf der Elbe in Betrieb zu nehmen, es gibt sogar Prototypen - doch die Behörden lehnten bisher ab. Mehr noch: Die städtische Fährlinie Hadag stellte ihren Betrieb nach Blankenese vor einigen Jahren ein, wohin es früher noch eine regelmäßige Verbindung gab.

Aktuell kämpft daher eine Initiative aus dem Westen der Stadt darum, das Fährsystem auf der Unterelbe wieder auszubauen. Zwischen Cranz, dem Alten Land, Blankenese und den St.-Pauli-Landungsbrücken müssten viel mehr Schiffe fahren, fordert Initiativen-Sprecherin Monika Lühmann. Doch trotz Unterstützung vieler Bürgervereine zeigt sich die Hadag wenig begeistert, den Nahverkehr wie gefordert auszubauen. Begründung: Es gibt schon Busse und S-Bahnen.

Doch das ist aus Sicht der Blankeneserin viel zu kurz gedacht. Touristen und Pendler würden neue Schiffsverbindungen heute weit mehr als früher nutzen. Nun hofft sie auf eine Olympia-Bewerbung, die ein Umdenken bewirken könnte: „Es wäre wirklich unverständlich, wenn man dann auf einen funktionierenden Fährverkehr verzichten würde.“ Und wenn es die städtische Hadag nicht macht, dann – so weiß sie aus vielen Gesprächen – sind es private Reedereien, die eine solche Chance nicht vorbeiziehen lassen werden. Sie stehen, um im olympischen Bild zu bleiben, längst in den Startblöcken.