Hamburg. Christoph Erz, ein Student der Macromedia Akademie, vergleicht in seiner Bachelorarbeit die Konzepte für Olympische Spiele beider Städte.

Olympische Spiele hätten ihn, erzählt Christoph Erz, schon als Kind gefesselt, „und als die Hamburger Bewerbung bekannt wurde, war ich wahrscheinlich einer der ersten, die Feuer und Flamme waren“. Klingt nicht gerade nach Neutralität. Gleichwohl hat sich der Student an der Macromedia Akademie, wie er versichert, nach Kräften bemüht, bei seiner Bachelorarbeit größtmögliche Überparteilichkeit walten zu lassen. Das Thema: Ein Vergleich der Konzepte Berlins und Hamburgs für die Sommerspiele 2024.

Weil an der Privathochschule in Hamburgs City Sport als gesellschaftliche und ökonomische Kategorie stärkere Beachtung erfährt als andernorts, hatte Erz keine Mühe, einen „Prof“ zu finden – den ehemaligen Sportamtsleiter Hans-Jürgen Schulke.

Dessen Schützling Erz wuchs in der 35.000-Einwohner-Stadt Lage nahe Bielefeld auf und erhielt 2011 einen Studienplatz. In seiner Arbeit kommt der 22-Jährige zu beifälligen Urteilen über die deutschen Bewerberstädte, hält beide Konzepte für ausgereift und international für durchaus konkurrenzfähig. Um überhaupt einen gewichtigen Unterschied herauszudestillieren, hat er tief graben müssen. So sehr Erz das Olympiathema fasziniert, mitunter erwies sich das Quellenstudium als mühsam und kleinteilig: „Ich musste mich durch 250 kleingedruckte, in Englisch verfasste Seiten des IOC über Olympic Games wühlen, dazu die Zusammenfassungen bisheriger Ausrichter der Spiele lesen, ebenfalls alle mehrere Hundert Seiten stark.“ Das sei nicht immer vergnüglich gewesen.

Die relevanteste Differenz zwischen dem Berliner und dem Hamburger Entwurf fand Erz in der Anordnung von Sportstätten und der Unterbringung von Sportlern und Medien. Erstmals findet sich in der IOC-Ausschreibung für 2020 ein Passus, wonach um das Olympiastadion ein Kreis von zehn Kilometer Durchmesser geschlagen wird, innerhalb dessen sich das olympische Leben hauptsächlich abspielen sollte. „In diesem Punkt ist die Hamburger Bewerbung der Berliner überlegen“, erklärt der künftige Bachelor Erz.

Umso mehr verwundert, dass die Hauptstädter das genaue Gegenteil als Stärke ihres Ansatzes hervorheben: dezentrale Spiele. Es würden zahlreiche Sportstätten genutzt, die bereits existieren, was mit der neuen Bescheidenheit bei der Ausgestaltung Olympischer Spiele korrespondiere. So sympathisch die Argumentation der Berliner wirkt, sie läuft einem formulierten Anspruch des IOC schlicht zuwider.

Um die mächtigen Sportverbände mit der schwierigen Entscheidung nicht allein zu lassen, besitzt Student Erz die Chuzpe, eine „Empfehlung“ an den DOSB auszusprechen. „Das gehörte einfach ans Ende dieser Arbeit“, meint er. „Ich denke, beide Konzepte sind so gut, dass es schwer ist, sich für eines zu entscheiden. Aber wenn es denn schon sein soll, würde ich sagen, dass Hamburg aufgrund der deutlich besseren Zentralität die Nase vorn hat. Allein, dass in Berlin olympisches Dorf und Olympiastadion rund acht Kilometer Luftlinie auseinanderliegen, könnte sich als nachteilig erweisen.“

Mehr als fünf Kilometer um das Athletendorf herum, das auf dem noch zu schließenden und zu erschließenden Flughafen Tegel hochgezogen werden soll, sind praktisch gar keine Wettbewerbe vorgesehen. Das wäre im Hamburger Hafen grundlegend anders. Dort könnten die Sportler von ihrer Unterkunft fußläufig das Stadion, die Schwimmhalle und einige weitere Wettkampfstätten erreichen.

Eine Schwäche des hanseatischen Konzepts erblickt Erz darin, dass die Nachnutzung des Olympiastadions nicht überzeugend geklärt ist. Es soll von 70.000 auf ein Fassungsvermögen von 25.000 Besuchern abgeschmolzen werden und danach als Leichtathletikarena dienen. So ein Stadion mit 400-m-Laufbahn fehlt im Norden. Das ist zutreffend, doch bleibt rätselhaft, welche und vor allem wie viele leichtathletische Events dort stattfinden könnten. Es drohen lange Phasen des Leerstands, die Anmutung einer Bauruine. Doch das ist für Erz nachrangig: Die Chance, mitten in der Stadt eine olympische Infrastruktur zu schaffen mitsamt eines Dorfes für die Athleten und elementarer, weiterer Einrichtungen – auf diese Möglichkeit werden Mitbewerber kaum zurückgreifen können.“

Gespannt sei er, welche Vorgaben das IOC konkret machen wird, sollte der deutsche Kandidat den Zuschlag für die Ausrichtung 2024 oder 2028 erhalten. Wird sich beispielsweise das Nachhaltigkeitspostulat aus der „Agenda 2020“ wiederfinden oder verwässert sein? Wird es zu einer stärkeren Mitsprache der Verantwortlichen vor Ort geben, oder müssen sich am Ende doch alle dem Diktat des IOC beugen?