Vor allem in Großstädten wie Hamburg ist Behinderung von Einsatzfahrzeugen zum Problem geworden. Kritik von Berufsverband Rettungsdienst.
Hamburg. Bei Herzinfarkt und Schlaganfall zählt jeder Minute. Nach Angaben der Deutschen Herzstiftung stirbt jeder dritte Patient, bevor er das Krankenhaus erreicht. Hilfe kommt auch manchmal deshalb zu spät, weil Rettungswagen durch Autofahrer und andere Verkehrsteilnehmer blockiert werden. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren.
Vor allem in Großstädten wie Hamburg ist die Behinderung von Einsatzfahrzeugen zum Problem geworden, warnt jetzt der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst. Marco K. König, Vorsitzender dieser Organisation: „Wenn sich alle Verkehrsteilnehmer richtig verhalten würden, könnte der Rettungsdienst mindestens zehn Prozent schneller am Einsatzort sein.“ Reanimationspflichtige Patienten hätten dann eine um zehn Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, einen Herzstillstand zu überleben, so König.
Hamburgs Rettungssanitäter und Notärzte berichten derzeit von erheblichen Problemen. Marco König, der selbst mehrere Tage im Monat auf einem Notarztwagen durch die Stadt fährt, beobachtet „größere Widerstände“ auf den Straßen – was nicht zuletzt am hohen Verkehrsaufkommen liegt. Allein in der Hansestadt sind mehr als 800.000 Kraftfahrzeuge gemeldet. Dr. Michael Wünning, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Chefärzte der Hamburger Notaufnahmen, bemängelt zum Beispiel blockierte Rettungswege. „Das kommt leider nicht selten vor“, sagt Wünning, der das Zentrum für Notfall- und Akutmedizin am Katholischen Marienkrankenhaus leitet.
Weil Autofahrer ihren Wagen achtlos abstellten, müssten die Notärzte und Sanitäter zusätzlich Wege von 100 oder 150 Meter zurücklegen. „Das kostet Zeit.“ Gerade bei Schlaganfällen und Infarkten seien die Patienten vital bedroht. Herzmuskel und Hirngewebe könnten irreversibel geschädigt werden, sollte keine rechzeitige medizinische Hilfe erfolgen.
Rettungsgasse bildet sich erst bei Grün
Der Berufsverband Deutscher Rettungsdienst kritisiert, dass sich nicht nur Autofahrer, sondern auch Fußgänger und Zweiradfahrer falsch verhalten. Kraftfahrer sind offenbar überfordert, bei Ampel-Rot ohne Gefährdung anderer in eine Kreuzung zu fahren, damit eine Gasse für das Einsatzfahrzeug gebildet werden kann. „Die Autofahrer haben Angst vor einem Rotlichtverstoß“, sagt König. Das beobachten auch die Einsatzkräfte der Hamburger Feuerwehr. „Insbesondere an ‚Blitz‘-Ampeln kommt es hier zu Fehlverhalten, da viele Autofahrer mit einer Strafe rechnen. Diese ist mit Hinweis auf das mit Sonderrecht fahrende Fahrzeug jedoch nicht zu erwarten“, sagte Feuerwehrsprecher Hendrik Frese.
Jan Reichert, Abteilungsleiter Rettungsdienst beim DRK-Ambulanzdienst, beklagt, dass die erforderliche Rettungsgasse meist erst dann gebildet werde, wenn die Ampel auf „Grün“ schaltet. „Vorher trauen sich die Verkehrsteilnehmer nicht, in den Kreuzungsbereich einzufahren.“
Weil Parkplätze in Hamburg knapp sind, werden Feuerwehrzufahrten, Kreuzungen und Hydranten zugeparkt. Dadurch kann der Einsatz von Drehleiterfahrzeugen erschwert werden – schließlich brauchen sie einen entsprechend großen Rangierradius. Um die Engpässe zu erkennen, Missstände zu beseitigen und unachtsame Autofahrer zu sensibilisieren, machen Feuerwehr und Polizei vermehrt Kontrollfahrten.
Nächstes Problem: Viele Verkehrsteilnehmer hören das Martinshorn nicht, weil in ihren Fahrzeugen die Musik so laut ist. „Ähnlich verhält sich die Situation mit Radfahrern und Fußgängern, die mit Kopfhörern unterwegs sind“, heißt es bei der Hamburger Feuerwehr.
DRK-Abteilungsleiter Reichert warnt derweil vor „dramatischen Zeitverzögerungen“ beim Rettungseinsatz, wenn sich überforderte Verkehrsteilnehmer zu unbedachten und riskanten Fahrmanövern hinreißen lassen. Auf diese Weise könnte es nicht zuletzt zu Unfällen mit Einsatzfahrzeugen kommen. „Für den Notfallpatienten muss dann ein neues Fahrzeug disponiert werden.“ Der Berufsverband Rettungsdienst appelliert deshalb an Autofahrer, frühzeitig den Fahrstreifen frei zu machen, auf dem ein Einsatzfahrzeug fährt. „Und regelmäßig in den Rückspiegel schauen.“