Rund ein halbes Jahr nach der Eröffnung kämpft Ikea um Umsätze. Zwar brummt das Restaurant, doch das Möbelgeschäft läuft schlechter als in anderen Filialen. Zwei Parkdecks bleiben meistens leer.
Hamburg- In „Småland“ spielen Kinder, das hauseigene Restaurant ist bestens besucht und durch die Gänge schlendern die Kunden. Alltag bei Ikea. Und doch ist in der ersten Filiale des Möbelhauses an einer Fußgängerzone, mittendrin im Stadtteil Altona, noch nicht alles alltäglich. „Wir wollen lernen. Wie und was kauft der Städter? Wir sind im Testbetrieb“, sagt der Geschäftsführer des Einrichtungshauses, Christian Mollerus, sieben Monate nach dem Start.
Erfahrungen hat er reichlich gesammelt – beim anfänglichen Protest ebenso wie beim Speisezettel. Das Ikea-Restaurant im 2. Stock mit breiter Fensterfront zur Einkaufsmeile brummt. Wegen des hohen Andrangs kamen 88 Sitzplätze zu den ursprünglich 400 hinzu, wie der Filialchef berichtet. Wer es eiliger hat, kann im ebenerdigen Bistro erstmals „to go“-Snacks mitnehmen. Ikea Deutschland ist längst unter den Top Zehn der deutschen System-Gastronomie gelistet, mit rund 180 Millionen Euro Jahresumsatz auf Platz 8 (2013) hinter den Tankstellen-Bistros von Aral und der Sandwich-Kette Subway (Quelle: Deutscher Fachverlag). Grünkohl mit Kochwurst serviert der aus Schweden stammende Möbelhersteller in Altona neben traditionell gegrillten Lachssteaks und Mandeltårta – zum Kantinenpreis. „Wir haben eine täglich wechselnde Tageskarte eingeführt“, berichtet der Filialleiter. Alt und Jung, Schüler und Rentner, Mütter mit Kindern, Singles, Studenten und nach Feierabend die Berufstätigen: Alle versammeln sich hier. „Wir sind ein Treffpunkt.
Es ist uns gelungen, die Menschen hierher zu bekommen“, sagt der „Marktleiter“. Das in Altona zunächst bekämpfte „unmögliche Möbelhaus“, für das ein klotziges, zuletzt von Künstlern genutztes heruntergekommenes Einkaufszentrum wich, war erst in einem Bürgerentscheid im Bezirk mit einer Mehrheit von rund 77 Prozent der Stimmen gebilligt worden. Die Angst vor der Gentrifizierung des 350 Jahre Stadtteils – geprägt von Hafen und Fischmarkt, Bürgertum und Multikulti-Szene – ging um; Tradition stemmte sich gegen mietpreissteigernde Verdrängung. „Kleine Läden machen dicht, dafür kommen Filialketten. Das wird uniformer“, kritisiert eine Anwohnerin. Es seien kaum noch Parkplätze zu finden. Allein wegen Ikea? 90 Prozent der Kunden kämen mit Bus und Bahn, aus Altona selbst, dem nächsten Bezirk Mitte oder aus Elmshorn und Lüneburg, wenn Baustellen die Anreise zu den Stadtrand-Niederlassungen Schnelsen oder Moorfleet erschweren, berichtet der Filialleiter. Er hatte mit 50 Prozent ÖPNV-lerngerechnet. So bleiben zwei Parkdecks der vier meistens leer.
Zwei Parkdecks bleiben leer
„Bei einem nächsten Innenstadtbau würden wir nicht noch einmal so viele Parkplätze planen“, bilanziert Mollerus. Über „nur“ 730 Parkplätze, Verkehrsstaus im Wohngebiet, Lärm inklusive, war vor dem Start gewettert worden. Derzeit Fehlanzeige. Seit Dezember darf Ikea per Gerichtsbeschluss eine Stunde länger bis 20.30 Uhr öffnen. Mit seiner Kundenzahl gehöre Ikea-Altona zu den „Top Fünf“-Filialen in Deutschland, sagt Mollerus. „Mit dem Umsatz sind wir nicht so weit vorne.“ Konkrete Zahlen gibt es nicht, mit bis zu 6000 Kunden an guten Tagen war kalkuliert worden. „Wir verkaufen ein erhebliches Mehr an Accessoires als an Möbeln. Und dann eher Sofas als Küchen“, räumt der Manager ein. Gerade haben sich zwei Frauen aus Altona ihre Einkaufswagen mit Geschirr vollgepackt – für Seminarräume. „Ich bin ganz erstaunt, dass es hier auch Möbel gibt“, sagt die eine. Das komplette Sortiment wurde in ein Fünftel weniger Verkaufsfläche als üblich gesteckt. „Wir verdienen unser Geld mit Möbeln – und auch Accessoires“, bekräftigt eine Sprecherin des Deutschland-Sitzes in Hofheim. Im wichtigsten Ikea-Einzelmarkt kletterten die Erlöse 2014 um 3,2 Prozent auf 4,12 Milliarden Euro. Im 40. Jubiläumsjahr 2013 war erstmals die Marke von 100 Millionen Besuchern geknackt worden. Filiale Nummer 49 eröffnet am 9. April in Bremerhaven – wieder am Stadtrand.
Ob es in Altona mit den Erlösen rund läuft, vermag der Hamburger Einzelhandelsverband nicht zu sagen. „Wir bringen einen langen Atem mit“, sagt die Sprecherin. „Ikea hat noch nie eine Filiale geschlossen.“ Chef Mollerus freut sich über gekaufte Servietten. „Dann werden die nicht woanders mitgenommen.“ Seit 23 Jahren ist er bei Ikea, war im australischen Melbourne ebenso wie in der Niederlassung Schnelsen. Wie seine 300 Mitarbeiter (Hälfte Teilzeit) trägt er legere Dienstkleidung: blaue Hose, gestreiftes Shirt. Den mahnenden Zeigefinger muss er heben, wenn ein Kind im Spielbereich „Småland“ abgegeben wurde und sein Elternteil aber in Nachbarläden an der Großen Bergstraße unterwegs ist. Das komme jedoch ein- allerhöchstens zweimal im Monat vor, sagt der Manager zu anderslautenden Berichten in Hamburg. Neben Ikea gibt es in der Nachbarschaft weitere Baustellen, um Altona aufzumöbeln. „Es ist zu einer Belebung der Einkaufsmeile gekommen“, sagt ein Sprecher des Bezirksamtes. Florian Kröger von der seit 90 Jahren mit der familiengeführten Kaffeerösterei und Confiserie vis-á-vis Ikea, stimmt zu: „Das hat die Straße belebt. Das ist auch positiv für uns.“ Der Veränderungsprozess in Altona ist noch lange nicht abgeschlossen: Im nördlichen Stadtteil werden mit 3500 neuen Wohnungen und weiteren Läden Kundschaft, aber auch Konkurrenz angesiedelt.