Im Dezember stahlen Einbrecher zwei Stahlschränke aus der Wohnung des Liedermachers, voll mit persönlichen Dingen. Durch einen Zufall tauchte einer der Tresore nun in einem Kanal auf.
Hamburg. Kurz vor Weihnachten war in der Wohnung von Wolf Biermann und seiner Frau in Ottensen eingebrochen worden - dabei wurden unter anderem zwei Tresore entwendet - in denen der 78-Jährige persönliche wertvolle Dokumente aufbewahrte. In einem bewegenden Appell versuchte er, die Einbrecher zu überreden, vor allem die Gegenstände mit rein ideellem Wert bei der Polizei abzugeben. Das taten sie nicht - und doch tauchte einer der Tresore nun wieder auf - im wahrsten Sinne des Wortes. Taucher der Polizei bargen am Vormittag den Stahlschrank aus dem Mittelkanal an der Wendenstraße. Biermann selbst und seine Frau Pamela eilten sofort zum Fundort und wollten den Tresor - die beiden Schränke sind alte Stasi-Tresore - inspizieren. Nach aktuellem Stand konnte der Tresor aber bisher nicht geöffnet werden, da der Schlüssel fehlt.
Wie die Polizei auf die Spur kam, ist eine abenteuerliche Geschichte: Vor einigen Tagen sollte ein Bauarbeiter im Bereich der S-Bahn-Brücke Zäune aufstellen, dabei fand er eine Bibel. Er nahm sie mit nach Hause, recherchierte, da es sich um ein altes Exemplar handelte. Da stieß er auf den Appell Wolf Biermanns, in dem er die Bibel als einen der Gegenstände aus den Tresoren nannte: „Im Stahlschrank lag auch eine Luther-Bibel aus dem Jahre 1732“. Der Bauarbeiter wandte sich an ihn und an die Polizei.
„Durch die Bibel hat Gott, an den ich nicht glaube, uns ein Zeichen gegeben“, sagte Biermann. Er war mit seiner Frau Pamela zu der Fundstelle gefahren und hatte etwas silbern Schimmerndes unter der Wasseroberfläche entdeckt, daraufhin wurde der Stahlschrank geborgen. Die Bibel soll jedoch aus dem anderen Tresor stammen. Diesen konnten die Taucher bislang nicht finden. „Es geht um kein Geld, es geht nur um Seelengeld“, sagte Biermann. Mit Hilfe der Bibel von 1732 habe er seine Liebeslieder geschrieben. In dem Buch habe er auch ein dafür zentrales Zitat entdeckt: „Bewahre die Tür deines Mundes vor der, die in deinen Armen schläft.“ (Micha 7,5)
In seinem Appell an die Einbrecher beschrieb Biermann den Inhalt der Tresore auf bewegende Weise: Sie seien „voll mit zum Teil unersetzlichen Dingen. Unersetzbar für unsere Familie ist ein kleines Lederköfferchen, darin ein abgegriffenes, handtellergroßes braunes Portemonnaie, das mein Vater meiner Mutter im Februar 1937 auf den Küchentisch legte, dazu einen kleinen roten Wollschal, als er von Gestapobeamten verhaftet wurde und niemals wiederkam. Im Tresor lagen auch die kostbarsten persönlichen Dokumente der Familie, Fotos, auch das Original einer historisch außergewöhnlichen offiziösen Sterbeurkunde aus dem KZ Auschwitz, in der ein falscher Standesbeamter mit echtem Stempel und Unterschrift bestätigte, dass der Häftling Dagobert „Israel“ Biermann am 22. Februar 1943 an Herzschwäche verstorben sei ... Es lagen im Safe außerdem meine drei letzten prall gefüllten Tagebücher, solide Buchbinderarbeit in feinem Leder, im Format Din A6. Jedes dieser Büchlein mit etwa 300 Seiten, in feiner kleiner Schrift sorgfältig handgeschrieben. Im Stahlschrank lag auch eine Luther-Bibel aus dem Jahre 1732. Bibel, Mikrophone und Mobiltelefone mögen die Einbrecher behalten und an Hehler verkaufen. Aber die persönlichsten Dinge (...) sind nur für uns persönlich irgendetwas wert. Wir bitten uns diese Dinge wiederzugeben.“