Smart statt Protz: Die Bostoner haben Favoriten wie San Francisco aus dem Feld geschlagen. Berlin und Hamburg ist bei der Bewerbung um Olympische Spiele 2024 starke Konkurrenz erwachsen.
Boston/Hamburg. War das eine Überraschung? Dass Boston der amerikanische Bewerber um die Olympischen Sommerspiele 2024 und damit möglicherweise Konkurrent von Hamburg wird? Zuletzt wagte Chicago einen Anlauf, Hamburgs Partnerstadt. Doch trotz des großen Einsatzes (oder wegen?) von US-Präsident Barack Obama flog Chicago in der ersten internationalen Bewerberrunde für 2020 raus. Jetzt wird Tokio Olympic City 2020 – und damit steigen die Chancen auf Spiele vier Jahre später in Europa oder den USA.
Denn Olympia 2016 wird in Rio de Janeiro ausgetragen. Afrika fällt derzeit als Kontinent aus. Da hätte auch Hamburg mit einer frischen Bewerbung gute Karten, aber auch Rom, wo Olympia bereits 1960 stattfand.
Aber Boston ist auch ernst zu nehmen. Denn San Francisco und Los Angeles waren ebenfalls starke Aspiranten. Boston schlug sie aus dem Feld. Die Amerikaner scheuten auch das inzwischen elitäre San Francisco, in dessen Umgebung das Silicon Valley liegt, das ohnehin privilegiert ist. Und Boston ist seit jeher eine Sportstadt mit dem weltberühmten Marathon, auf den ein Attentat verübt wurde. Darüber läuft derzeit ein Terrorprozess in den USA.
Bostons Wahl war begleitet von Emotionen und Pathos. In den Glückwünschen aus dem Weißen Haus schwang sofort die Erinnerung an das Attentat auf den Boston Marathon am 15. April 2013 mit. „Diese Stadt hat uns alle gelehrt, was 'Boston Strong' bedeutet, der Präsident und die First Lady könnten nicht stolzer auf diese Leistung sein“, ließ Barack Obama auch im Namen seiner Gattin ausrichten.
„Boston Strong“ ist seit dem Attentat zu einem Synonym geworden für die Fähigkeit, Stärke zu zeigen. Ausgerechnet in jener Woche, in der nun mit der Auswahl der Geschworenen der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter Dschochar Zarnajew begonnen hat, gab das Nationale Olympische Komitee der USA (USOC) der Metropole an der Ostküste den Vorzug vor Los Angeles, San Francisco und Washington D.C. „Das USOC hat die richtige Wahl getroffen“, kommentierte die Tageszeitung „USA Today“, die Stadt habe alle Merkmale, die das IOC unter Präsident Thomas Bach neuerdings sehen wolle.
Großes Lob von Thomas Bach für Boston
„Die Bewerbung von Boston wird stark sein“, ließ Bach prompt verlauten. Der Plan des privat organisierten Bewerbungskomitees „Boston 2024“ um den Bau-Unternehmer John Fish liest sich beinahe wie eine Kopie der Agenda 2020, die Bach kürzlich in Monte Carlo vorstellte. Kompakte Spiele sollen es werden, bestehende Hallen und Sportstätten einbezogen werden, und die Paralympics gleich in der Woche nach den Olympischen Spielen beginnen. „Wir haben einen unglaublich starken Partner für eine überzeugende Kandidatur“, glaubt USOC-Geschäftsführer Larry Probst.
Nachdem Bewerbungen von New York (2012) und Chicago (2016) kläglich bis krachend gescheitert waren, haben die USA nun gute Karten: Seit 2012 ist die Verteilung der TV- und Marketingeinnahmen ab 2020 neu geregelt – das USOC hat dabei dem IOC nachgegeben; zugleich kassiert das IOC von 2021 bis 2032 fast acht Milliarden Dollar vom US-Mediengiganten NBCUniversal.
Boston 2024 rechnet mit 4,5 Milliarden Dollar Kosten
„Boston 2024“ kalkuliert mit einem Etat von 4,5 Milliarden Dollar. Darin nicht enthalten sind die Kosten für die bereits geplante Verbesserung der Infrastruktur und des Nahverkehrs – sowie ein Olympiastadion: Die Arena für 60.000 Zuschauer soll in Modularbauweise errichtet und nach den Spielen teilweise abgebaut und umgebaut werden.
Lesen Sie hier den großen Vergleich der Olympia-Bewerberstädte Berlin und Hamburg
Ansonsten gibt es in Bosten ausreichend Sportstätten, nicht zuletzt an den zahlreichen im Großraum der 5-Millionen-Metropole gelegenen Universitäten wie Harvard oder dem MIT (Massachusetts Institute of Technology).
Bürgermeister Marty Walsh kündigte am Freitag an, das keine öffentlichen Gelder in den Bau von Sportstätten fließen werden. „Ich verspreche, dass dies der offenste, transparenteste und gesamtheitlichste Prozess der olympischen Geschichte wird“, sagte der 47-Jährige: „Ich verspreche auch, dass ich Boston niemals mit einem Haufen unbezahlter Schulden zurücklassen werde.“
Am 21. März wird zwischen Berlin und Hamburg entschieden
Das will Hamburg natürlich auch. Nachhaltig bauen und keine Schulden für Olympia anhäufen. Ein Olympiastadion als Modularbau, dazu einen Stadtteil weiterentwickeln und überhaupt eine smarte Infrastruktur, das steht an der Elbe auf der Prioritätenliste weit oben. Bis zum 15. September müssen alle Bewerber ihre Unterlagen beim IOC einreichen. Die Entscheidung fällt im September 2017. Am 21. März wird in Deutschland zwischen Berlin und Hamburg entschieden.
Der Berliner Senat wird am 20. Januar ein Volksbefragungsgesetz für die mögliche Olympia-Bewerbung vorlegen. Das Gesetz, das vom Parlament verabschiedet werden müsste, soll „ein verbindliches Bürgervotum mit politischen Selbstverpflichtungen ermöglichen“, teilte ein Sprecher der Innen- und Sportverwaltung mit.
Als Termin für eine mögliche Bürgerbefragung strebt der Berliner Senat den Spätsommer an, möglichst noch vor dem 15. September. Am 21. März entscheidet in Frankfurt eine außerordentliche Mitgliederversammlung des DOSB über den deutschen Bewerber. Fünf Tage zuvor schlägt das Präsidium entweder Berlin oder Hamburg vor.