Die US-Geschworenen haben Markus K. wegen vorsätzlicher Tötung des 17-jährigen Diren schuldig gesprochen. In einem Brief wendet sich ein Familienvater aus Missoula an die Hamburger Bevölkerung.

Missoula/Hamburg. Es war ein nervenaufreibendes Warten. Erst kurz vor halb zehn am Mittwochabend haben Basak und Esra Dede endlich das Urteil für den Mann erfahren, der ihren Bruder Diren getötet hat. Die Geschworenen in Missoula im US-Staat Montana haben den amerikanischen Hausbesitzer Markus K. der vorsätzlichen Tötung schuldig gesprochen. Der Mann hat den Hamburger Austauschschüler, der in seine Garage eingedrungen war, am 27. April 2014 erschossen.

Damit folgten die Geschworenen der Staatsanwaltschaft, die dem Hausbesitzer vorgeworfen hatte, er habe Diren geradezu hingerichtet. Das Strafmaß wird zwar erst am 11. Februar verkündet – doch die Mindeststrafe beträgt zehn, die Höchststrafe 100 Jahre.

Der Todesschütze hat einen Tag nach seinem Schuldspruch erstmals Reue gezeigt. „Ich hatte niemals die Absicht, jemanden zu töten“, sagte Markus K. bei einer Anhörung des Gerichts über das Strafmaß am Donnerstag. „Es tut mir leid.“

Auch die Eltern des Toten äußerten sich. „Amerika war ein Traum für ihn“, sagte der Vater über seinen Sohn. Der Tod habe sein Leben und das seiner Familie für immer zerstört. Die Mutter brach bei ihren Äußerungen, die aus dem Türkischen übersetzt wurden, in Tränen aus. „Ich konnte nur noch seinen kalten Körper küssen“, schluchzte sie. Die Äußerungen der Eltern können bei der Festsetzung des Strafmaßes berücksichtigt werden.

Jubel im Gerichtssaal nach Verkündung des Urteils


Nach dem Urteilsspruch brach im Gerichtssaal Jubel aus, Direns Mutter weinte laut. Keiner solle der Gerechtigkeit entgehen, sagte Celal Dede, der Vater von Diren nach dem Urteil. „Jeder muss seine Strafe bekommen, die er verdient.“ Er und seine Frau Gülcin hatten den Prozess in Missoula verfolgt.

„Es ist eine Riesenerleichterung“, sagten Direns Schwestern, die den Prozessverlauf von Hamburg aus verfolgt hatten. Den ganzen Tag über seien sie angespannt und aufgeregt gewesen und hätten ständig auf ihr Handy geguckt. Dabei hätten sie sich eher auf ein negatives Urteil eingestellt, „damit wir nicht noch mal eine Enttäuschung erleiden müssen“.

Auch Direns Freunde hatten das Urteil mit Spannung erwartet. Auf einer eigens für den getöteten Schüler eingerichteten Facebook-Seite drückten viele von ihnen ihre Erleichterung aus. „Selbst das härteste Urteil würde Diren nicht zurückbringen, aber wenigstens hat auch Kaarma ein Stück weit sein Leben verloren“, schrieb eine Freundin.

Bewegender Brief von amerikanischem Vater


In der Nacht nach dem Urteil erreichte die Abendblatt-Redaktion die Mail eines Anwohners der Stadt Missoula Montana - sie ist an die Hamburger Gemeinde gerichtet. Der Architekt Mike Gilbert schreibt darin, dass sein Sohn mehrere Male gemeinsam mit Diren Fußball gespielt hat. Mithilfe eines Übersetzers stellte er auch eine deutsche Version seines Schreibens zusammen. Gilbert hofft, dass die “Wunden bei euch allen verheilen“. Hier der englischsprachige Originaltext im Wortlaut:

„Hello-

I wish to send a message to the community of Hamburg from Missoula, Montana. My son is the same age as Diren Dede, and played football several times against Diren in high school here.

I do not speak German. I am writing this message using Google Translate. I apologize if the wording is not correct.

We are very relieved at the guilty verdict in the murder trial of Markus Kaarma. We were completely shocked and angered at the senseless killing of Diren. There is no justification for this terrible crime. We felt that this tragic event would give the wrong impression of our community.

I want to send my condolences to the family of Diren Dede, the football community of Hamburg, the German people, and the Turkish community. It is a terrible loss for your town and ours. It hurt us to read the story. It hurt us to see the photographs of Diren's parents in the courtroom every day, suffering so much.

I hope that you can all begin to heal, and I hope that you will not hold any ill feelings towards the people of Missoula.

Thank you for your time,

Mike Gilbert

Missoula Montana“

Demnach sei der Tod Direns ein „schrecklicher Verlust“ für die Menschen in beiden Städten. „Es schmerzt uns, die Geschichte zu lesen und die Fotos von Direns Eltern zu sehen, die im Gerichtsaal so sehr leiden“.

Direns Fußballfreunde in großer Trauer


In Hamburg hatte Direns Tod riesige Betroffenheit ausgelöst. Am 30. April fand ein Benefizspiel für Diren statt. Vereinskollegen und Freunde des Jugendlichen hatten mit einem emotionalen Benefiz-Fußballspiel Abschied von dem 17-Jährigen genommen. Rund 1000 Zuschauer kamen auf dem Hermann-Schnell-Sportplatz zusammen, darunter seine Mutter sowie seine beiden Schwestern. Nach einer Schweigeminute traten die A-Junioren des SC Teutonia gegen den Duvenstedter SV an, beide Teams trugen Trauerflor.

Die Spieler des SC Teutonia hatten zu der Aktion aufgerufen, um Spenden für die Angehörigen zu sammeln. „Wir werden immer hinter euch stehen“, sagte Mitspieler Deniz Ercin der Familie. Der Kapitän hielt vor dem Anpfiff eine emotionale Ansprache an die Hinterbliebenen. „Diren spielt immer noch für uns. Ich glaube, er würde nicht wollen, dass wir traurig sind.“

Mehrere Hundert Euro Spenden wurden gesammelt, auch die Gast-Mannschaft aus Duvenstedt beteiligte sich. Viele Gäste trugen T-Shirts mit einem Foto von Diren, zahlreiche Plakate und Bilder erinnerten an den Hobbyfußballer. „RIP Diren. Wir lieben dich“, stand darauf und „Helden sind unsterblich“. Am Spielfeldrand hing ein Banner mit der Aufschrift „Unser Bruder stirbt und Amerika schaut zu“. Einige Besucher legten weinend Rosen nieder.

Auch der Leiter des Allee-Gymnasiums, auf das Diren ging, übermittelte der Familie seine Anteilnahme. Als „tollen Kerl“ habe er Diren in Erinnerung, sagte Ulf Nebe, „voller Hoffnung und besonnen“ sei er gewesen.