Die Ermittler suchen nach der Quelle des Kohlenmonoxids, das in Harburg drei Menschen tötete. Der Schornstein war es wohl doch nicht. Hätte die Feuerwehr das Gas bereits früher entdecken können?
Hamburg. Immer noch ist die Suche nach dem Grund für das schreckliche Gas-Unglück mit drei Toten in Harburg in vollem Gange. Zunächst wurde spekuliert, dass der Schornstein defekt gewesen sein könnte. Doch dieser Verdacht bestätigte sich nach einer ersten Untersuchung in der Nacht zum Mittwoch nicht. „Der Abzug funktioniert völlig normal“, sagte Polizeisprecher Mirko Streiber. Dennoch wollten die Ermittler zusammen mit einem Sachverständigen den Schornstein noch einmal genau in Augenschein nehmen. Auf der Liste der Experten standen auch die Heizungsanlagen der beiden betroffenen Häuser.
Am Mittwoch hatte die Polizei die Zahl der verletzten Bewohner von zwei Mehrfamilienhäusern nach oben korrigiert: Aktuell würden 13 Personen in verschiedenen Hamburger Krankenhäusern wegen einer Kohlenmonoxid-Vergiftung behandelt, dabei handele es sich um Patienten im Alter von 1 bis 84 Jahren. Einer von ihnen schwebt noch in Lebensgefahr.
Am Dienstag hatte die Feuerwehr in zwei Wohnungen am Beckerberg drei tote Männer im Alter von 32, 56 und 72 Jahren aufgefunden. Ein Schornsteinfeger, der sich zufällig in der Nähe befand, maß vor Ort einen extrem hohen Gehalt des giftigen Kohlenmonoxids weit jenseits des erlaubten Grenzwertes von 1000 ppm (Millionsten Teil der Raumluft). Nach Abendblatt-Informationen soll der festgestellte Wert bei 48.000 ppm gelegen haben – bei einer derart hohen Konzentration von CO (Kohlenmonoxid) werden Menschen, wenn sie die Luft einatmen, nach wenigen Augenblicken bewusstlos. Sofort wurden am Dienstagnachmittag die beiden betroffenen Mehrfamilienhäuser 9 und 11 sowie ein Nachbarhaus evakuiert - wann sie wieder in ihre Wohnungen zurückkehren können, ist noch unklar.
Schon in der Nacht zum Dienstag war die Feuerwehr zu drei Einsätzen in das Haus gerufen wurden, in dem später auch die Toten gefunden wurden. Ein 60-Jähriger kam mit Herzbeschwerden in eine Klinik, eine über 70-Jährige war gestürzt, und ein junger Mann klagte über Übelkeit, wie die Feuerwehr berichtete. Die Feuerwehr hatte die Symptome der nächtlichen Patienten nicht mit einer Kohlenmonoxid-Vergiftung in Verbindung gebracht. Feuerwehrsprecher Hendrik Frese räumte ein, dass – im Nachhinein gesehen – gewisse Punkte darauf hätten hindeuten können. „Wir haben uns auch gefragt: Wäre uns das aufgefallen?“ Die Kollegen seien nachts im Haus gewesen, hätten danach aber nicht über Beschwerden geklagt. Eine Kohlenmonoxid-Vergiftung könne sich auch über Stunden entwickeln. Ob später bei diesen Feuerwehrleuten Kohlenmonoxid im Blut festgestellt wurde, konnte der Sprecher nicht sagen.
Die Erkenntnis, dass das Gas möglicherweise schon in der Nacht hätte bemerkt werden können, rückte die Ausstattung der Rettungskräfte in den Fokus. Im Unterschied zu ihren Kollegen in Berlin oder Düsseldorf ist nach Angaben des Berufsverbandes die Hamburger Feuerwehr nicht mit kleinen, Handy-großen Messgeräten ausgestattet, die bei erhöhter Kohlenmonoxid-Konzentration Alarm geben. Es gebe aber seit einem Jahr eine Projektgruppe zu dem Thema und es liefen Studien, sagte der Landesvorsitzende des Verbandes, Daniel Dahlke. Die Geräte wären bei dem Unglück in Harburg möglicherweise sinnvoll gewesen. Dahlke wollte der Auswertung der Einsätze aber nicht vorgreifen: „Ich warte gerne ab, bis die Gefahrenanalyse heraus ist.“
Erst nach der Klärung der Unglücksursache sollten die Bewohner in ihre Wohnungen zurückkehren. Am Dienstag waren der vor allem betroffene viergeschossige Altbau und ein benachbartes Mehrfamilienhaus evakuiert worden.