Auf den Friedhöfen gibt es einen tief greifenden Wandel. Dreiviertel der Hamburger werden in Urnen beisetzt. Vielen Angehörigen sind Friedhofsgebühren zu hoch und die Pflege zu aufwändig.

Mit Kränzen und Grablichtern werden vor dem Totensonntag die letzten Ruhestätten der Verstorbenen geschmückt. Diese noch immer lebendige Tradition verdeckt allerdings, wie stark sich die Bestattungskultur in Hamburg verändert hat. Längst dominieren Urnenbeisetzungen die hanseatische Friedhofslandschaft. Die Zahl der Erdbestattungen dagegen ist weiter rückläufig. Während der Urnenanteil an den Bestattungen im Jahr 2002 bei 65 Prozent lag, stieg er 2013 nach der Statistik von „Hamburger Friedhöfe A.ö.R.“ auf 74 Prozent. Während nach Senatsangaben im Jahr 2002 rund 35 Prozent der 18.390 Beisetzungen mit Sarg erfolgten, waren es 2013 nur noch 26 Prozent.

Veränderungen sind nach Abendblatt-Informationen auch bei den Trauerfeiern festzustellen. Dieses gemeinschaftliche Ritual, das von kirchlichen Amtsträgern oder von freien Rednern geleitet wird, findet immer seltener statt: Bei nur noch durchschnittlich jeder zweiten Bestattung in Hamburg gibt es eine Trauerfeier mit tröstenden Worten und Musik.

„Wir stellen fest, dass sich immer mehr Menschen gegen eine Trauerfeier entscheiden“, sagt Wolfgang Litzenroth, Geschäftsführer GBI (Großhamburger Bestattungsinstitut). Beim größten Anbieter in der Hansestadt wird inzwischen die Hälfte aller Aufträge ohne Trauerfeier vergeben. Es gibt also keine Zeremonie mehr, mit der die Angehörigen ihre Trauer bewältigen könnten. „Aus trauerpsychologischer Sicht ist es aber eminent wichtig, eine Trauerfeier zu machen, weil die verschiedenen Mosaiksteinchen im Abschiedsprozess alle hilfreich sind, um den Verlust gut verarbeiten zu können“, sagt Litzenroth.

Der Mensch sei im Übrigen von Natur aus dazu befähigt, Trauer zu verarbeiten, wenn er mit einer Gedenkstunde, mit Wort und Musik sich bewusst mit der Tatsache des Todes auseinandersetze. „Bei der Trauerfeier kann mit Freunden und Bekannten des Toten gedacht und können die Familienzusammenhänge gestärkt werden.“ Das drohe nun verloren zu gehen.

Auch die Zahl der kirchlichen Feiern geht seit Jahren kontinuierlich zurück. Sie liegt in Hamburg bei 50 Prozent. Von der anderen Hälfte der Angehörigen werden weltliche Redner gewünscht. Mehr noch: Der Anteil der anonymen Bestattungen beträgt mittlerweile rund 25 Prozent.

Ein großes Grab und dessen Pflege ist vielen zu teuer geworden

Die Gründe für diesen Wandel liegen vor allem in tief greifenden gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen. Dazu gehören die gestiegene Mobilität der Menschen und wachsende Kirchenaustritte, aber auch die relativ hohen Kosten für Sargwahlgräber und Trauerfeiern. Nach Angaben der Hamburger Friedhöfe A.ö.R. betragen die Friedhofgebühren für ein Sargwahlgrab ohne Abstand 2469 Euro, für ein Urnenwahlgrab 1963 Euro. Allein für die Benutzung einer Kapelle werden 240 Euro fällig.

Vielen ist das zu teuer, zumal die Grabpflege vor Ort nicht immer zu leisten ist. „In früheren Zeiten“, sagt Roswitha Könsgen, Geschäftsführerin der Deutschen Friedhofsgesellschaft, „lebten viele Generationen an einem Ort, und eine gepflegte Grabstätte gehörte zum guten Ton. Sie war oft auch ein wenig ein Statussymbol.“ Heute habe sich dies grundlegend gewandelt. „Familien leben nicht mehr dauerhaft an einem Ort, und der Bezug zum Grab kann oft, schon aus räumlichen Gründen, nicht mehr aufrechterhalten werden.“

Zum Wandel der Bestattungskultur gehören inzwischen auch viele Sonderformen. Dazu zählen auf dem Ohlsdorfer Friedhof Apfelhaine, Schmetterlingsgräber und Rosengräber. In Öjendorf und Ohlsdorf gibt es besondere muslimische Grabfelder, die Richtung Mekka ausgerichtet sind. „Die Fläche und die Einrichtungen werden von den Muslimen gut angenommen, aber derzeit besteht kein weiterer Bedarf an Friedhofsfläche für muslimische Beisetzungen“, sagt Lutz Rehkopf, Sprecher der Hamburger Friedhöfe. Künftig seien weitere baumbezogene Bestattungsarten geplant. „Denn vielen Interessenten ist wichtig, dass die Grabstätten gepflegt aussehen, sie aber diese Pflege nicht selbst übernehmen müssen“, so Rehkopf.

Die Bestattungsunternehmen berichten derweil von besonderen Wünschen ihrer Kunden. „Manche wollen zum Beispiel, dass die Urne in der Alster oder Elbe bestattet wird“, sagt GBI-Sprecher Holger Wende. Doch das sei aufgrund des Hamburger Bestattungsgesetzes nicht erlaubt. Der Friedhofszwang sei gesetzlich verankert. Das Land Bremen hat jetzt allerdings den Beisetzungszwang liberalisiert. Die Bürgerschaft beschloss im Oktober mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken als erstes Bundesland, dass ein Verstreuen der Totenasche auch auf privaten Grundstücken erlaubt ist. Dafür sollen auch öffentliche Flächen ausgewiesen werden. In einem ersten Bremer Gesetzesentwurf war ursprünglich vorgesehen, dass Angehörige die Urne vor der Beisetzung zwei Jahre lang zu Hause aufbewahren dürfen. Dagegen hatte es aber rechtliche Bedenken gegeben. Dass die Hansestadt Hamburg den bestehenden Friedhofszwang lockert, ist nach Senatsangaben nicht geplant. Auch die niedersächsische Landesregierung lehnt das Bremer Modell ab, hieß es am Freitag.