Auch eine Briefkastenfirma aus Panama hat mitgeboten. Ex-Besitzer Klausmartin Kretschmer erhebt schwere Vorwürfe gegen den Insolvenzverwalter: Es habe höhere Angebote als von der Stadt gegeben.
Hamburg. Dass der Kauf der besetzten Roten Flora durch die Stadt ein juristisches Nachspiel haben würde, hatte sich abgezeichnet. Mittlerweile nimmt dieses aber Züge einer Posse an. Gert Baer, der die Interessen des früheren Besitzers Klausmartin Kretschmer vertritt, hat am Mittwoch schwere Vorwürfe gegen den Insolvenzverwalter Nils Weiland erhoben.
Der Rechtsanwalt habe der Stadt für 820.000 Euro den Zuschlag gegeben, obwohl es höhere Angebote gegeben habe. Und die Abstimmung in der Gläubigerversammlung sei ebenfalls nicht korrekt zustande gekommen. Weiland wies die Vorwürfe als absurd zurück.
Baer machte nahezu alle Details der Gläubigerversammlung – unter anderem, dass Kretschmer auch bei ihm Schulden habe – selbst öffentlich und kritisierte konkret folgende Punkte: Dem Insolvenzverwalter hätten zwei weitere Kaufpreisangebote über 1,15 und 1,3 Millionen Euro vorgelegen, „einer ausländischen und einer Hamburger Firma“, so Baer. Diese seien in der fünfstündigen Gläubigerversammlung „sehr emotional und sehr kontrovers“ diskutiert worden.
Dabei hätten die vom Gericht bestellte Rechtspflegerin und einige Gläubiger empfohlen, zunächst abzuwarten und die beiden höheren Angebote zu überprüfen. Insolvenzverwalter Weiland habe jedoch drauf bestanden, über den Kauf an die Stadt abzustimmen – was mit knapper Mehrheit angenommen wurde. Politisch brisant ist der Vorwurf, weil Weiland auch stellvertretender SPD-Landesvorsitzender ist und Baer ihm unterschwellig unterstellt, die Interessen des SPD-geführten Senats vor die der Gläubiger gestellt zu haben.
Es hätten zwei höhere Angebote vorgelegen
Nicht nur daher weist der Rechtsanwalt die Darstellung vehement zurück. „Es gab zwei alternative Bewerbungen“, sagte Weiland dem Abendblatt. „Aber von Angeboten würde ich nicht sprechen. Das waren Scheinangebote.“ Eines sei von einer Briefkastenfirma aus Panama gekommen, als deren Vertreter sich Baer ausgegeben habe. Über die Gesellschafter oder die Finanzierung des Kaufpreises habe er jedoch keine Angaben gemacht.
Die Firma sei nicht einmal im Internet zu finden. Das andere „Angebot“ kam drei Stunden vor der Gläubigerversammlung von einer Hamburger GmbH, deren Gesellschafter Baer ist. Auch in diesem Fall habe es keine verlässliche Aussage über die Finanzierung gegeben. Insofern habe nur ein seriöses Angebot vorgelegen, so Weiland – das der Stadt, beziehungsweise der einst von der Stadt gegründeten Lawaetz-Stiftung. Und da deren Angebot bis 31. Oktober befristet war, sei er als Insolvenzverwalter verpflichtet gewesen, vor Ablauf der Frist ein Votum der Gläubiger einzuholen.
Vorwurf über Aufteilung der Stimmanteile
Der zweite Vorwurf von Baer zielt auf die Stimmenanteile der Gläubiger: Obwohl eine Sparkasse mit gut 1,6 Millionen Euro die höchsten Forderungen habe, seien nur 750.000 Euro in Stimmen umgerechnet worden. Beim Finanzamt, mit 950.000 Euro zweitgrößter Gläubiger, sei es hingegen umgekehrt gewesen: Seine Stimmenanteile entsprachen umgerechnet 1,1 Millionen Euro. Der Antrag einiger Gläubiger, die Stimmen des Finanzamts wegen Kollision mit städtischen Interessen auf null zu setzen, seien abgewehrt worden.
Weiland betont hingegen, die Stimmanteile habe nicht er festgesetzt, sondern die Rechtspflegerin. Und die Festlegung sei vom Amtsgericht bestätigt worden. Dabei werde unterschieden zwischen „klaren“ und „unklaren“ Forderungen, außerdem würden Sicherheiten wie Grundbucheinträge von den Forderungen abgezogen. Das Finanzamt habe abstimmen dürfen, weil es nach dem „Legalitätsprinzip“ Forderungen einzutreiben habe und nicht den Interessen des Senats verpflichtet sei. Baer kündigte an, nunmehr das Landgericht einzuschalten.
Die Rote Flora war 2001 vom damaligen rot-grünen Senat für umgerechnet knapp 190.000 Euro an Kretschmer verkauft worden. Danach war zunächst Ruhe. Doch seit einigen Jahren versuchte Kretschmer, das ehemalige Theater gewinnbringend zu verkaufen, umzubauen oder an seiner Stelle neu zu bauen. Das führte zu massiven Krawallen der linken Szene um die Besetzer. Um die Lage zu beruhigen, wollte der SPD-Senat die Immobilie zurückkaufen. Auf ein Angebot über 1,1 Millionen Euro Anfang 2014 ging Kretschmer jedoch nicht ein. So kam es zum Insolvenzverfahren.