Anfang des Jahres wurden Forschungen öffentlich, die die Geschichte der Hansestadt „in Teilen“ neu schrieb. So gab es insgesamt drei Hammaburgen. Ausgrabungen und Dokumente zeigt nun die Ausstellung „Mythos Hammaburg“.
Altstadt/Harburg. Ginge es um Fußball, würde man sagen, dass die Niederlage auf dem Platz am „Grünen Tisch“ in einen Sieg umgewandelt wurde. Denn als die Archäologen 2006 nach eineinhalb Jahren Grabungen den Domplatz verließen, fühlten sie sich als Verlierer. Ihre große Hoffnung, endlich die sagenhafte Hammaburg – die Keimzelle Hamburgs – zu finden, schien sich endgültig zerschlagen zu haben.
Acht Jahre später steht ein sichtlich stolzer Prof. Rainer-Maria Weiss im Archäologischen Museum Harburg und präsentiert die große Ausstellung zu den Anfängen Hamburgs, die ab Freitag zu sehen ist. „Das Rätsel um die Hammaburg ist gelöst, die große Lücke in der Frühgeschichte der Stadt ist geschlossen“, sagt der Chef-Archäologe. Und es gibt keinen Wissenschaftler, der ihm widersprechen würde.
Die spektakuläre Erkenntnis, die Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, hat allerdings nichts mit spektakulären Funden zu tun. Vielmehr ist sie der akribischen Aufarbeitung und Neubewertung aller Befunde zu verdanken, die bei den drei großen Grabungs-Kampagnen auf dem Domplatz in den 50er-, 80er- und 2000er-Jahren gemacht worden waren. Und somit kann Weiss konstatieren, dass die Geschichte der Stadt „in Teilen neu geschrieben“ werden müsse.
Früher galt es als gesichert, dass Karl der Große, der von 768 bis 814 herrschende Kaiser des Fränkischen Reiches, die Stadt an der Alster gründete und sein Sohn Ludwig den Mönch Ansgar als Missionar schickte, der in Hamburg eine Kirche bauen ließ, um von hier im heidnischen Norden zu missionieren. Kaiser Karl ließ zwar tatsächlich hoch im Norden eine Burg bauen – allerdings in Esesfeldt bei Itzehoe. „Hamburg“, sagt Rainer-Maria Weiss, „wurde nicht gegründet. Hamburg entstand.“ Und es gab nicht eine Hammaburg, sondern gleich drei. Wobei das Wort Befestigung eher zutrifft. Denn es handelt sich um Holzbauten, die mit Palisaden, Gräben und später Erdwällen geschützt waren.
Die erste und kleinste entstand im 8. Jahrhundert, erbaut von Sachsen, die damals in Norddeutschland zu Hause waren und der Siedlung ihren Namen gaben. „Hamma“ hat eine recht banale Bedeutung: Niederung oder feuchte Wiese. „Die erste Burg war vermutlich der Sitz eines kleinen Adligen, mit ein paar Gehöften darum“, sagt Weiss. Die zweite Hammaburg ist die, die Ansgar vorfand, als er um 830 in den Norden kam. Sie hatte einen Durchmesser von rund 75 Metern und wurde 845 bei einem Wikingerüberfall zerstört. Um 900 schließlich wurde die dritte, noch größere errichtet, die Ende des 10. Jahrhunderts durch eine massive Befestigung – den „Heidenwall“ ersetzt wurde. Das war eine Reaktion auf Überfälle der slawischen Obotriten.
Die Ausstellung legt ihren Schwerpunkt natürlich auf die Hammaburgen, bietet aber einen Überblick bis ins 14. Jahrhundert. Zu sehen sind Schwerter und Haushaltsgegenstände, kunstvolle Fibeln und Siegelstempel sowie Seiten aus der „Vita Anskarii“, der im 9. Jahrhundert entstandenen Biografie Ansgars. Dazu kommen viele Schautafeln, Grafiken und Computer-Simulationen, die zeigen, wie Hamburg damals aussah.
Aufregend neu sind auch die jüngsten Erkenntnisse zum sogenannten Bischofsturm, dessen Fundament neben dem Domplatz in einem Ausstellungsraum (integriert in eine Bäckerei) zu sehen ist. Er stammt nicht aus dem 11., sondern aus dem 12. Jahrhundert – und kann somit nicht Teil der bischöflichen Burg sein. „Wir glauben, dass er zum Stadttor gehörte“, so Weiss. Und so zum Hamburger Wappen wurde.
Wie sehr die Arbeit der Archäologen von Glück und Pech abhängt, wird an einer kleinen Fliese deutlich. Sie gehört zum Grab von Papst Benedikt V., der 964 von Kaiser Otto abgesetzt und nach Hamburg verbannt wurde, wo er nach kurzer Zeit starb. Im Mariendom gab es einen Sarkophag – und der wurde beim Abriss der Kirche 1805 zerstört. Eine große Scherbe mit einem Bild Benedikts fand man schon 1949 und brachte sie ins Hamburg-Museum. 2006 wurde eine weitere Scherbe geborgen – und jetzt merkte man, dass sie wie Puzzle-Teile zusammenpassen.
Eine weitere neue Erkenntnis der Forschung betrifft eine Urkunde Kaiser Ludwigs des Frommen – das älteste Schriftstück, in dem Hamburg erwähnt wird. Jetzt ist klar, dass es eine Fälschung ist. Angefertigt wurde sie im Auftrag von Hamburg und Bremen um 890. Sie wurde dem Papst vorgelegt, um zu belegen, dass das Erzbistum Köln keinerlei Ansprüche auf die Kirchengüter im Norden hat. Es hat funktioniert: Der Schiedsspruch des Papstes war ganz im Sinne der Hamburger. Ginge es um Fußball, würde man wohl von einer „Schwalbe“ reden.
Die Ausstellung „Mythos Hammaburg“ eröffnet Freitag und ist bis 26. April zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr. Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 4 Euro, Kinder und Jugendliche frei. Das Archäologische Museum (Museumsplatz 2) ist nur 200 Meter vom Eingang zur S-Bahnstation Harburg-Rathaus entfernt. Es gibt zahlreiche Sonderführungen, auch für Kinder, im Museum und am Domplatz. Infos: www.amh.de