Das Feilschen um die Schwimmzeiten in Hamburgs Bädern wird immer härter. Die Wartelisten sind lang. Dabei können viele Kinder sich nicht oder nur mühsam über Wasser halten.
Hamburg. Henrike Lesch, die Mutter der zehnjährigen Chiara, konnte es am Anfang nicht glauben. Die Schwimmgruppe ihrer sportbegeisterten Tochter sollte von einer Woche auf die nächste aufgelöst werden.
In einem Schreiben vom Niendorfer Turn- und Sportverein heißt es: „Leider müssen wir ihnen mitteilen, dass die Schwimmgruppe ihrer Kinder aufgelöst wird“. Es folgt ein Versuch, den Hintergrund zu erklären: „In Hamburg werden die Hallenzeiten über eine komplizierte Punkteverteilung an Vereine vergeben. Das bedeutet, dass unsere Schwimmer über Wettkampfteilnahmen und die dort erzielten Zeiten, Punkte ,erschwimmen‘. Diese Punkte werden umgerechnet und der Anspruch der einzelnen Vereine ermittelt.“
Die Startgemeinschaft Hamburg West (zu der auch der NTSV gehört), nutze schon lange mehr Wasserzeiten als ihr zusteht. „Es war eine Frage der Zeit, wann auch wir Zeiten abgeben müssen“. Deshalb verfolge man nun den Plan, Wettkampfgruppen zu optimieren, um die bestmöglichen Ergebnisse auf Wettkämpfen zu erreichen.
Dann eine Entschuldigung: „Uns ist generell sehr daran gelegen, dass jedes Kind, das schwimmen möchte, auch die Möglichkeit dazu bekommt. Allerdings lässt es das Hamburger System kaum zu.“
Und tatsächlich: Der Fall der Schwimmgruppe aus Niendorf ist kein Einzelfall. Hamburgweit wird der Kampf um Schwimmzeiten immer härter.
Die Wartelisten sind überall lang
Dietmar Schott, Vorsitzender des Hamburger Schwimmverbandes (mehr als 10.000 Mitglieder), kennt die Problematik um die Schwimmzeiten. „Das Thema ist seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner“, so der 61-Jährige. „Die Wartelisten sind fast überall lang. Teilweise warten bei den Hamburger Schwimmvereinen Hunderte Kinder auf einen Platz in einem Schwimmkurs, um das Schwimmen zu erlernen.“
Grundsätzlich funktioniert die Vergabe der Wasserzeiten so: Abhängig von bestimmen Kriterien wie Altersstruktur und Mitgliederzahl vergibt das Landessportamt die Mittel für die Schwimmzeiten an die einzelnen Sportverbände. Der Hamburger Schwimmverband verteilt die so erhaltenen Wasserzeiten weiter an die ihm angeschlossenen Vereine. Dabei zählen verschiedene Kriterien, unter anderem auch erfolgreiche Wettkampfteilnahmen, um Punkte - sprich Schwimmzeiten – zu bekommen.
In den vergangenen Jahren hat es jedoch Änderungen gegeben, die das Problem verschärft haben. Laut Schott ist die Situation besonders dadurch schwieriger geworden, dass die DLRG – obwohl kein Sportverband, sondern Rettungsorganisation mit anderer Finanzierungsstruktur – seit einigen Jahren in die Vergabe der Schwimmzeiten der Sportverbände mit einbezogen werde, der Senat aber die Zuwendung von Mitteln für Schwimmzeiten nicht entsprechend erhöht habe. Die Folge: „Die Zahl der Schwimmzeiten für die einzelnen Vereine hat sich reduziert.“
Außerdem haben die Vereine oft keinen Einfluss darauf, wann sie Schwimmzeiten bekommen. „Da Bäderland die Nachtmittagsstunden oft für eigene Kurse nutzt, bleiben für Schwimmvereine teilweise nur ungünstigere Zeiten übrig“, so Schott weiter.
Situation besonders im Hamburger Westen angespannt
Im Hamburger Westen sei allerdings noch etwas erschwerend dazugekommen. „Der Schwimmverein in Eidelstedt, ein wichtiger Verein im Hamburger Westen, hatte zu wenige Schwimmzeiten abbekommen. Das wurde jetzt nachgebessert. Dafür mussten andere Vereine, etwa der Niendorfer Turn- und Sportverein, Zeiten abgeben.“ Für zusätzliche Knappheit sorgt, dass die Clausewitz-Kaserne in der Manteuffelstraße, dessen Bad auch von Vereinen genutzt wird, derzeit nicht benutzt werden kann.
Unter dem Strich also eine dramatische Situation, besonders vor dem Hintergrund, dass laut Schott zu viele Kinder nicht gut genug oder gar nicht schwimmen können. „Doch die Ressourcen, um daran etwas zu ändern, werden nicht bereitgestellt“, so Schott.
Und so scheint derzeit keine Lösung in Sicht. Zwar betont Schott das durchaus positive Verhältnis zu Bäderland, dem Landessportamt und dem Senat. Dennoch will er mit einem eigenen Vorstoß nun versuchen, die Situation zu verbessern: „Ende November planen wir eine Elefantenrunde, an der die Vorsitzenden und Geschäftsführer der großen Hamburger Sportvereine teilnehmen werden. Ergebnis soll ein auf Fakten beruhender, konkreter Forderungskatalog sein, mit der der Schwimmverband an die Stadt herantritt“, sagt Schott.
Und auch vonseiten der Stadt laufen die Planungen. Wie die Sportbehörde mitteilte, soll es noch in diesem Jahr wieder einen Runden Tisch geben, nachdem dieser 2013 ausgefallen war. An dem Treffen sollen alle Hamburger Akteure teilnehmen. Ein Termin stehe allerdings noch nicht fest.
Für die kleine Chiara aus Niendorf konnte unterdessen glücklicherweise eine Lösung gefunden werden. Sie konnte in eine Wettkampfgruppe wechseln. „Wir sind froh, dass das geklappt hat“, sagt Mama Henrike Lesch. Allerdings sei das nur möglich gewesen, weil ihre Tochter ein ausreichend hohes Schwimmniveau habe. Lesch aber wünscht sich eine Lösung für alle Kinder, die gerne im Schwimmverein schwimmen möchten.