4,25 Millionen Besucher haben im vergangenen Jahr die 27 Hamburger Schwimmbäder besucht. Dennoch erzielt das Bäderland keinen Gewinn. Vielmehr unterstützt die Stadt das Freizeitvergnügen mit Millionenzuschüssen.

Hamburg. Mittags im Kaifu-Bad. Die Sonne scheint, ein paar Schäfchenwolken stehen am Himmel. Im 50-Meter-Becken ziehen ein Dutzend Schwimmer ihre Bahnen. Zwei Triathleten trainieren in Neoprenanzügen. Ein Bademeister fischt mit einem Kescher ein paar Blätter aus dem Wasser. Im Sprungturmbecken übt eine Rentnerin Rückenschwimmen, die Bretter sind menschenleer. Auf den Wiesen und Steinen liegen verstreut rund 50 Leute, lesen, schlummern oder plaudern. Vögel zwitschern. Eine Idylle.

Die wunderbare Ruhe, an der sich die Besucher an diesem Tag erfreuen, ist aber eher die Ausnahme. „Unsere Schwimmbäder sind nur zwischen 14 und 16 Uhr schwächer besucht, mit Ausnahme der Ferienzeiten oder am Wochenende“, sagt der Geschäftsführer der städtischen Bäderland Hamburg GmbH, Dirk Schumaier. In den übrigen Zeiten herrscht in der Regel reger Betrieb, an heißen Tagen liegen Handtuch neben Handtuch wie an der italienischen Adria. Allein 4,25 Millionen Gäste besuchten 2013 eines der 27 Hamburger Schwimmbäder, die je nach Standort zwischen 6.30 Uhr bis 23 Uhr geöffnet sind, bilanziert Schumaier. Und auch dieses Jahr hat mit guten Gästezahlen begonnen.

So absurd es klingt: Obwohl die Schwimmbäder in Hamburg gut besucht und beliebt sind, ist mit ihnen kein Geld zu verdienen. „Egal ob kleine Kommune oder Großstadt – Bäder rechnen sich in Deutschland nicht, sie kosten. Sie sind noch nicht einmal kostendeckend zu führen“, nennt Schumaier eine Grundregel der Branche. Dieses „Gesetz“ gilt jedenfalls dann, wenn die Eintrittspreise bezahlbar bleiben sollen. In Hamburg kostet der Eintritt derzeit je nach Bad ab 5,60 Euro pro Erwachsener, ab 2,70 Euro für Kinder – und ist damit für manche Familie schon jetzt ein kleiner Luxus. „Wenn wir kostendeckend arbeiten wollen, müssten wir neun bis zehn Euro nehmen. Doch dieser Preis wäre am Markt weder durchsetzbar noch politisch gewollt“, ist der 47-jährige Kaufmann überzeugt.

Wie aber finanziert sich dann ein Schwimmbad? Öffentliche Bäder zählen in Deutschland zur sogenannten Daseinsvorsorge. „Wie ein Museum oder Park sind sie Teil unserer Freizeitkultur“, erläutert der Bäderland-Chef. Private Anbieter sind – mit Ausnahme von Luxusanbietern – in dem Metier nicht anzutreffen. „Kein Unternehmer ist so blöd und investiert in einen Bereich, bei dem Verluste zum Geschäftsmodell zählen.“

Für die Stadt Hamburg bedeutet dies, ihre Schwimmbäder jedes Jahr mit Millionen Euro zu bezuschussen – 2013 waren es 18,5 Millionen Euro. Was sich viel anhört, sei aber sogar vorbildlich, berichtet Schumaier, der seit gut zwei Jahren Geschäftsführer von Bäderland mit rund 400 Mitarbeitern ist. „Aus eigener Kraft erzielen wir durch Eintrittsgelder einen Kostendeckungsgrad von 62 Prozent – und arbeiten damit im bundesweiten Vergleich mit Abstand am wirtschaftlichsten.“ Andere deutsche Großstädte wie Berlin, Frankfurt oder München lägen deutlich darunter. Der Umsatz von Bäderland kletterte 2013 um 3,9 Prozent auf rund 27,7 Millionen Euro. „Und dies lässt sich noch weiter steigern.“

Das Teure an Schwimmbädern sind nicht nur ihr Bau und die Instandhaltung, sondern vor allem die enormen Energie- und Wasserkosten. Ein Beispiel: Allein das Schwimmbad Wandsbek mit seinem 25-Meter-Schwimmbecken und dem Lehrbecken (12 mal 9 Meter) für Nichtschwimmer verschlingt im Jahr 55.000 Euro an Wasser- und Sielgebühren. Pro Besucher sind dies rund 135 Liter. 220.000 Euro gehen für Strom und Gaskosten drauf, weitere 440.000 Euro für die Löhne der neun Mitarbeiter. „Pro Besucher entfallen damit 4,25 Euro Kosten“, rechnet Schumaier vor. Verwaltungskosten und Investitionen noch nicht inbegriffen. Die Eintrittsgelder der 168.000 Besucher in diesem Bad reichen aber nicht, die Kosten zu decken. Schumaier beziffert die Unterdeckung auf 80.000 Euro.

Nimmt man alle Schwimmbäder in Hamburg zusammen, muss die Stadt jeden Besucher sogar mit 4,35 Euro bezuschussen. Allerdings würden andere Kulturleistungen noch stärker subventioniert, so der Bäderland-Chef. So lagen die Staatszuschüsse für die Staatsoper 2009 bei 111 Euro pro Person, für die Kunsthalle bei 23 Euro.

„Wir sind ausgesprochen technikintensive Betriebe.“ Wärme, Lüftung, Wasseraufbereitung, Filteranlagen, Dosieranlagen, Aggregate – überall stehen Energiefresser. „Schließlich wollen wir alle in wohltemperierten 28 Grad Wassertemperatur baden. Die Luft in den Hallen muss circa zwei Grad wärmer sein, sonst friert der Gast“, meint Schumaier. Den Strom bezieht Bäderland vom stadteigenen Konzern Hamburg Energie – und zwar Ökostrom. „Gerade als Großverbraucher fühlen wir uns einem verantwortungsvollen Umgang mit Energie und Nachhaltigkeit verpflichtet.“ Die Gastronomie ist wiederum in den Bädern verpachtet. „Das können andere einfach besser – insbesondere die Pommes, die als Bestseller in keinem Schwimmbad fehlen dürfen.“

So weit die Rahmenbedingungen. Die Zuschüsse durch die Stadt sieht Schumaier nicht als Einladung zur Lethargie. Im Gegenteil. „Wir sehen uns in der Pflicht, immer wirtschaftlich zu handeln und die Kosten gering zu halten.“ Allerdings heiße dies nicht, „den Laden kaputtzusparen oder Mitarbeiter zu entlassen. Das ist nicht unser Kurs. Vielmehr wollen wir in den nächsten zehn Jahren 120 Millionen Euro in unsere bestehenden Bäder investieren.“

Großes Sparpotenzial sieht Schumaier dabei durch den Einsatz moderner Technik, wie gute Gebäudeisolierung, Wärmerückgewinnungsanlagen und sparsame Wasseraufbereitung. „Die Energiekosten sind in den vergangenen Jahren um 65 Prozent gestiegen. Dem kann am besten mit effizienten Anlagen entgegengewirkt werden.“

Strategisch setzt Bäderland vor allem auf das Prinzip, mehr Wasserflächen in Bädern zu schaffen, die ganzjährig nutzbar sind – wie Hallenbäder mit Außenbecken. „Diese Bäder können das ganze Jahr über vermarktet werden. Das macht wirtschaftlich Sinn. Unsere sechs Freibäder sind zwar auch schön, aber auch eher ein kleiner Luxus, da sie nur 20 bis 30 Tage im Jahr richtig voll sind. Wir freuen uns über jede gute Saison, aber von ihnen hängt nicht das Wohl und Wehe des Unternehmens ab. Wir brauchen möglichst alle Spielarten – von Erlebnisbädern, über Sport- bis Freibäder.“ Jedes Bad habe seine Kompetenz und sein Stammpublikum. Es gebe nicht „das Erfolgskonzept“. So lockte die Alsterschwimmhalle im vergangenen Jahr mit rund 400.000 Besuchern fast genauso viele Gäste wie das Erlebnisbad Festland mit seiner Dinosaurierlandschaft für Kinder. Auch der Frühschwimmclub sei mit rund 5000 Mitgliedern ein Erfolgsprodukt.

Positiv zum Ergebnis tragen auch die zehn Thermen und Saunalandschaften bei – insbesondere in den dunklen Jahreszeiten. „Hier werden die Preise kostendeckend festgesetzt und werden nicht bezuschusst“, verrät Schumaier. Als größte Konkurrenten sieht der Bäderland-Chef die vielen Fitnesscenter in der Stadt, die ebenfalls Saunen oder oft auch einen Swimmingpool anbieten. Wachstumspotenzial sieht Schumaier auch in den Kursangeboten wie Wassergymnastik.

Am Personal will der Bäderland-Chef auf keinen Fall sparen. Bei Bäderland arbeiten viele ausgebildete Fachangestellte für Bäderbetriebe, die eine dreijährige Ausbildung absolviert haben und jederzeit in Notfällen wie Kreislaufschwächen oder Herzinfarkten rettend helfen können. „Wir gönnen uns in Deutschland hohe Sicherheitsstandards – und das ist richtig so.“