Hamburger Airbus-Mitarbeiter entwickeln das „intelligente“ Gepäckstück, das von allein den Weg zum Zielort findet. Zudem eröffnen sich neue Geschäftschancen für Fluggesellschaften.

Hamburg. Es ist der Albtraum jedes Flugpassagiers: Jede Stunde gehen im weltweiten Luftverkehr 3000 Koffer verloren. Doch auch für die Fluggesellschaften ist dies mehr als ein Ärgernis, denn die Suche nach den Gepäckstücken und die Nachsendung kostet sie jährlich mehr als zwei Milliarden Euro.

Jan Reh, Innovationsmanager bei Airbus in Hamburg, arbeitet daran, dieses Problem zu lösen. Zusammen mit seinem Kollegen Peter Pirklbauer entwickelt er den Koffer, der nicht mehr verloren gehen kann. Prototypen gibt es bereits. „Man kann diesen Koffer weltweit orten und sich die Position auf dem Smartphone anzeigen lassen“, sagt Reh.

Aber der dunkelgraue Rollkoffer, der sich äußerlich nur durch ein unauffälliges LCD-Anzeigefeld neben dem Griff von einem herkömmlichen Modell des Kölner Herstellers Rimowa unterscheidet, kann noch mehr: „Man kann ihn von einem Paketdienst zu Hause abholen lassen und auf die Reise bis in das Hotel am Zielort schicken“, sagt Reh. Über den Strichcode im Anzeigefeld, das die Funktion des heutigen Gepäckanhängers aus Papier übernimmt, ordnet das Personal am Flughafen das Gepäckstück dem gebuchten Flug zu. Sollte der Koffer im Reiseverlauf doch im falschen Flugzeug gelandet sein, kann der Besitzer aus der Ferne auf das Anzeigefeld zugreifen und das Gepäck so wieder auf den richtigen Weg schicken.

„Uns geht es um ein völlig neues Reiseerlebnis“, erklärt der frühere „Jugend forscht“-Bundessieger, der nach einem Industriedesign-Studium zunächst einige Jahre für den Lufthansa-Kozern arbeitete und 2007 zu Airbus kam. Den Ausgangspunkt des Koffer-Projekts bildete die Überlegung, wie man mittels der Fähigkeiten von Smartphones das Reisen angenehmer machen kann.

Der „intelligente Koffer“ wird zusammen mit Rimowa und T-Systems entwickelt. Die Telekom-Tochter sorgt dabei nicht zuletzt für Datensicherheit. So gibt es keine direkte Verbindung zwischen der Mobilfunk-SIM-Karte im Koffer und dem Telefon des Besitzers, die Daten nehmen geschützte Wege über die Computer von T-Systems.

Bei der Entwicklung von „Bag2Go“ habe man darauf geachtet, nur Technik zu verwenden, die nicht den Aufbau einer neuen Infrastruktur erfordert, sondern vorhandene Einrichtungen etwa an den Flughäfen nutzt, sagt Reh. Insgesamt arbeiteten acht bis zehn Personen an dem Projekt.

Bevor der Koffer voraussichtlich noch vor Jahresende 2015 auf den Markt kommt, startet um die Mitte des Jahres ein Praxistest mit 50 bis 100 Nutzern. „Es werden Vielflieger sein, von denen wir mit einigen schon während der Entwicklung in Kontakt waren und interessante Anregungen erhalten haben“, sagt der Airbus-Manager. Zu dem angepeilten Preis des Produkts will er sich noch nicht äußern. Nach früheren Angaben anderer Projektbeteiligter dürfte der Bag2Go-Koffer um bis zu 20 Prozent teurer sein als ein regulärer Rimowa-Koffer vergleichbarer Art und Größe, der rund 540 Euro kostet. Hinzu kommen Gebühren des Mobilfunkbetreibers.

„Für die große Gruppe der Menschen, die auf zwei oder drei Flugreisen pro Jahr gehen, wird aber das herkömmliche Papier-Gepäckband auf absehbare Zeit die beste Lösung bleiben“, sagt Reh. „Wir wenden uns an Personen, die einen erheblichen Teil ihres Lebens in der Luft verbringen.“

Dass man – entgegen der Idee von Bag2Go – seit Jahren bei den Passagieren den Trend beobachten kann, das Gepäck nicht aufzugeben, sondern möglichst mit in die Kabine zu nehmen, ist Reh durchaus bewusst: „Die Leute tun das, weil sie Angst haben, der Koffer könnte verloren gehen. Außerdem wollen sie nicht am Gepäckband warten, ohne zu wissen, wie lange es dort noch dauern kann.“

Beide Beweggründe würden durch Bag2Go aber entfallen. Ohne allzu großen Aufwand könnten Flughäfen die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dem Fluggast eine Mitteilung auf das Smartphone zu schicken, die ihm die Wartezeit bis zur Ankunft des Koffers auf dem Gepäckband angibt. „Dann kann sich der Passagier beruhigt vorher noch einen Kaffee holen oder eine Zeitschrift kaufen“, sagt Reh.

Wenn es den Reisenden leichter gemacht wird, den Koffer aufzugeben, entfalle für sie auch das leidige Problem der Flüssigkeiten im Handgepäck. „Unser Ziel ist die unbeschwerte Flugreise, bei der man sich um Gepäck gar nicht kümmern muss“, erklärt Reh. Airbus wolle aber auch mithelfen, den Luftverkehr effizienter zu machen – und der Umgang mit Koffern und Handgepäck stelle an den Flughäfen stets ein zeitraubendes Nadelöhr dar.

Zudem eröffnen sich neue Geschäftschancen für Fluggesellschaften: „Etliche Airlines denken über einen Abholservice nach, ebenso können Hotels solche zusätzlichen Dienstleistungen anbieten.“ Nutzungsmöglichkeiten sieht das Entwicklerteam ohnehin auch außerhalb des Luftfahrtsektors, etwa für Kreuzfahrtreedereien. Mit dem Hamburger Unternehmen Hapag-Lloyd Cruises sei man schon im Gespräch. Es komme immer wieder vor, dass ein Koffer auf dem Schiff in die falsche Kabine gelangt, sagt Reh, „und es kann heute bis zu drei Tage dauern, bis er gefunden wird.“