Am Donnerstag kontrollierten insgesamt 400 Polizisten 24 Stunden lang das Tempo der Autofahrer. Die erste Zwischenbilanz protokollierte 742 Verstöße bei gut 24.000 gemessenen Geschwindigkeiten.

Hamburg. Es gibt nichts, was Nicole Arnold ahnden könnte. Wenn mal ein Autofahrer die Straße Am Blumenacker entlangschleicht, hat Oberkommissarin Arnold, 35, gleich den Finger am Abzug der Pistole – der Laserpistole wohlgemerkt. Nur verteilt sie keine Strafzettel: Während sie mit ihren Kollegen Jürgen Ruddat und Sven Martini am Blumenacker kontrolliert, hat kein Autofahrer 11 km/h mehr als die erlaubten 30 km/h auf dem Tacho.

Was auch daran liegen mag, dass die gelben Westen der Beamten weithin sichtbar sind, und die Autofahrer im Lasermessbereich zwischen 150 und 200 Metern rechtzeitig abbremsen können. „Die Westen sollten Sie ausziehen“, ruft eine Autofahrerin den Polizisten gut gelaunt zu. „Dann würde man Sie nicht sehen.“ Darum geht es nicht beim Blitzmarathon – die Polizei spielt mit offenen Karten. Schon Tage vor der Aktion waren im Internet die Standorte der Blitzer veröffentlicht worden.

Seit Donnerstag sind insgesamt 400 Polizisten auf den Beinen, um 24 Stunden lang die Geschwindigkeit der Autofahrer in Hamburg zu messen. Nicole Arnold und ihre zwei Kollegen sind seit 6 Uhr im Einsatz. Zuerst an der Straße Hohe Liedt, dann am Grellkamp, schließlich am Blumenacker. Viel passiert sei bis zum Mittag nicht, sagt sie. Mehr als 80 Autofahrer habe sie kontrolliert. Und nicht einer sei zu schnell gefahren. Es ist so ruhig, dass ein Radfahrer im Vorbeifahren unkt: „War ich zu schnell?“ So etwas hört man am Donnerstag häufig, von Polizisten und von Autofahrern: Dass die ganze Stadt, selbst auf den Pendlerstrecken, entspannter unterwegs ist, sich sozusagen entschleunigt hat. Auch das sei ja ein Ziel des Blitzmarathons, sagt Ulf Schröder, Leiter der Verkehrsdirektion. „Die Leute sollen feststellen, dass sie, ohne schneller zu fahren als erlaubt, rechtzeitig ans Ziel kommen.“ Die Aktion läuft gleichzeitig in vielen deutschen Städten, Hamburg hat sich im Vorjahr erstmals daran beteiligt. Kritik gab und gibt es reichlich – auch von Abzocke ist die Rede. „Darum geht es überhaupt nicht“, sagt Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. „Es geht darum, den Menschen ins Bewusstsein zu bringen, dass viele noch immer zu schnell unterwegs sind. Und zu hohe Geschwindigkeit ist eine der Hauptunfallursachen.“

Ob so eine Aktion – einmal im Jahr – überhaupt einen nachhaltigen Effekt haben kann? Meyer geht davon aus, „dass das Signal bei den Autofahrern ankommt“. Wie viele Menschen während des Marathons zu schnell gefahren sind, soll im Laufe des heutigen Tages bekannt gegeben werden. Am Donnerstag hat die Polizei Zwischenbilanz gezogen: 23.929 Autofahrer seien am Vormittag kontrolliert, 742 Verstöße festgestellt worden. Einen 19 Jahre alten Raser haben Beamte auf der A 7, Höhe Marmstorf, in einer Baustelle mit Tempo 132 statt erlaubter 60 km/h erwischt. Noch bis heute, 6 Uhr, sind die Beamten an rund 340 Standorten im Einsatz. Sie stehen vor Kitas, Altenheimen und Schulen, an Hauptverkehrswegen und großen Kreuzungen. Wo geblitzt wird, haben die Bürger in vielen Fällen selbst entschieden, indem sie vorab Kontrollstellen vorschlugen. Mehr als 1000 E-Mails und rund 600 Anrufe sind dazu bei der Polizei eingegangen.

Auch Am Blumenacker war einer der genannten Straßennamen. Für Nicole Arnold und ihre Kollegen ist es die letzte Kontrollstelle vor der nächsten Schicht. Wenn ein Auto kommt, zielt die 35-Jährige mit der Laserpistole auf das Kennzeichen, weil die Fläche das Licht reflektiert, sodass das Gerät sofort die Entfernung und die Geschwindigkeit des Fahrzeugs ermittelt – doch nicht ein Autofahrer knackt die magische Grenze von 41 km/h. Anwohner und Passanten hegen trotzdem viel Sympathien für die Aktion. Allein dass die Polizei Präsenz zeigt, kommt hier gut an.

Deutlich mehr zu tun haben die Beamten am Kontrollpunkt Steilshooper Allee/Steilshooper Straße. 500 Meter davon entfernt steht ein Radarmessgerät in einem blauen Touran. Ist ein Autofahrer zu schnell, fischen ihn die Beamten an der Kreuzung raus. Viel Protest regt sich auch bei den überführten Temposündern nicht, die mal mit 11, mal mit 17, mal mit 20 km/h mehr geblitzt worden sind. Im Gegenteil. „Ja, sorry, ich war zu schnell, weil ich meinen Sohn von der Kita abholen wollte“, sagt Ahmaad Parwani. Die Polizei hat ihn mit 64 km/h bei Tempo 50 geblitzt. Dennoch habe er Verständnis für die Aktion. „Das erinnert einen daran, dass man ab und an doch zu schnell fährt.“