Die Modernisierung der Infrastruktur im Hamburger Hafen kostet deutlich mehr, als die Stadt an Mitteln bereitstellt. Ein Krisentreffen brachte kein Ergebnis. Notfalls muss die HPA jetzt einen Kredit aufnehmen.
Hamburg. Die Liste der Bau- und Modernisierungsprojekte im Hamburger Hafen ist lang und ambitioniert. Schaut man in den aktuellen Wirtschaftsplan der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA), so zählt man zwölf Vorhaben, die in Planung sind oder sich bereits im Bau befinden. Allein bis zum Jahr 2018 werden für alle Projekte zusammen nach den jüngsten Berechnungen 864 Millionen Euro benötigt. Doch noch ambitionierter als die Projekte selbst dürfte nach Abendblatt-Recherchen die Finanzierung werden.
Denn der benötigten Summe stehen bisher Zuschüsse seitens der Stadt und vom Bund in Höhe von lediglich 496 Millionen Euro gegenüber. Selbst wenn man mögliche Überschüsse der HPA aus dem Jahr 2014 in Höhe von 42 Millionen Euro berücksichtigt, bleibt am Ende ein Defizit von 326 Millionen Euro. „Ein unsolideres Fundament als unter Olaf Scholz hat die Hafenfinanzierung noch nicht gehabt“, sagt Anjes Tjarks, Hafenexperte der Grünen in der Bürgerschaft. Ein Problem der Stadt: Allein die Baumaßnahmen im Zuge der geplanten Elbvertiefung, über die das Bundesverwaltungsgericht am 2. Oktober entscheiden will, würden 193 Millionen Euro verschlingen. Dennoch sieht der Senat derzeit keine Notwendigkeit, die finanziellen Zuwendungen an die HPA aufzustocken.
Nicht nur die Opposition in der Bürgerschaft bezweifelt die Seriosität der Finanzierung. Auch die Hafenwirtschaft selbst ist alarmiert. Die HPA nehme öffentliche Aufgaben wie den Straßenbau und hoheitliche Aufgaben wie die Verkehrslenkung auf den Gewässern wahr, sagt Gunter Bonz, Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg: „Deshalb muss sie dauerhaft aus dem Haushalt ausreichend finanziert werden. Und das geschieht derzeit nicht.“ Laut ihrer mittelfristigen Finanzplanung gibt die Stadt bis 2018 jährlich 100 Millionen Euro als Zuschuss für Hafeninvestitionen. Hinzu kommen 24 Millionen Euro vom Bund. Und auch den Bau der zweiten Kattwykbrücke unterstützt die Stadt. Extra für dieses Projekt stockt der Senat die Betriebskostenzuschüsse an die HPA um rund 120 Millionen Euro auf. Das Problem: Die Summe wird definitiv nicht reichen, denn die Kattwykbrücke soll nach aktuellen Planungen rund 200 Millionen Euro kosten.
„Die Kattwykbrücke wird auf Pump gebaut und der Senat hat keinen Plan, wie er dieses Geld in Zukunft aufbringen will“, kritisiert der Grünen-Hafenexperte Tjarks. Er wirft der SPD-Regierung vor, das Problem zu verschleppen. „Der Bau der Kattwykbrücke ist nur möglich, weil die HPA die Baukosten vorstreckt, aber es gibt keine nachvollziehbare Rückzahlungsvereinbarung“, so Tjarks. Schlimmer noch: Die zukünftigen Zuschüsse für die HPA würden weiter sinken, sodass die Kluft zwischen dem Investitionsbedarf und den tatsächlich verfügbaren Mitteln unter Olaf Scholz weiter auseinanderklaffe als je zuvor. „Diese Hafenfinanzierung verdient das Prädikat ‚Windig‘“, lautet Tjarks’ Fazit. Die Finanzierungsprobleme sind selbstverständlich auch der Wirtschaftsbehörde nicht fremd. Schließlich rumort es ordentlich im Hafen. So hat Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) vergangene Woche Vertreter aus Wirtschafts-, Finanzbehörde und der HPA zu einem geheimen Treffen ins Rathaus geladen. Das eher magere Ergebnis: Die Stadt werde der HPA helfen müssen, darin waren sich alle einig. Doch am gerade aufgestellten Doppelhaushalt für die Jahre 2015 und 2016 werde man dennoch nichts ändern. Kritiker sprechen nun von einem Aufschieben des Problems.
Wirtschaftsstaatsrat Bernd Egert räumt im Gespräch mit dem Abendblatt denn auch ein, dass es „ein gewisses Finanzierungsdelta für die Hafenausbauprojekte“ gebe. Dies sei aber kein Problem, denn alle Projekte würden bezahlt. „Die Fahrrinnenanpassung ist gesetzt, da gibt es kein Vertun“, sagt Egert. Im Übrigen gebe es verschiedene Lösungswege, um das Finanzierungsdefizit auszugleichen. So bestünde unter anderem die Möglichkeit, benötigtes Geld aus einem anderen Topf zu nehmen. Und gelinge auch dies nicht, könnte die HPA einen Teil der Kosten ja auch vorfinanzieren, so Egert. Notwendige Mittel für Zinsen und Tilgung müsste die Stadt dann später bewilligen.
Für Tjarks grenzen diese Aussagen aus der Wirtschaftsbehörde an „Betrug an der Bürgerschaft und den Steuerzahlern“. Wenn die HPA zum Stopfen der Löcher Kredite aufnehmen solle, schiebe der Senat das Problem lediglich auf die lange Bank. „Die Regierung entwickelt einen Schattenhaushalt bei der HPA, um ihren eigenen Haushalt sauber zu halten“, sagt Tjarks. CDU-Haushaltsexperte Roland Heintze sieht dieses Vorgehen ebenfalls sehr kritisch: „Mit Klarheit und verlässlicher Planung hat das nichts zu tun.“ Er habe zwar kein Problem damit, dass städtische Unternehmen Kredite aufnehmen, um Projekte zu finanzieren, so Heintze. „Aber als Abgeordneter möchte ich die Dimensionen kennen – und zwar vorher.“ Sein Fazit: „Der Senat fährt im Hafen auf Sicht.“
Die Finanzbehörde hält Kreditaufnahmen der HPA haushaltsrechtlich für unproblematisch: „Es gehört zum normalen Geschäftsbetrieb von Unternehmen, Investitionen durch Kredite zu finanzieren.“ Problematisch wäre das nur, wenn Kredite für Vorhaben aufgenommen werden, „die sich absehbar nicht refinanzieren können“, so die Behörde. Auch für die spätestens ab 2019/2020 einzuhaltende Schuldenbremse seien die HPA-Kredite kein Hindernis – öffentliche Unternehmen sind davon nämlich ausgenommen. So gesehen ist Tjarks Vorwurf, die Kreditaufnahme bei der Hafenbehörde solle den Etat der Stadt entlasten, nicht ganz von der Hand zu weisen. Richtig ist allerdings auch, dass die Verbindlichkeiten der HPA in Berichten des Senats veröffentlicht werden. Und wie ist die Reaktion des Hauptbetroffenen, der Hafenverwaltung HPA? Finanzchef Tino Klemm will nicht in Panik verfallen, Gelassenheit klingt allerdings auch anders: „Wir haben kein akutes Problem“, sagt er, „aber eine latente Herausforderung.“