Diebstahl, Körperverletzung, Nötigung: Im Schuljahr 2013/2014 ist die Zahl der gemeldeten Fälle im Vergleich zum Vorjahr um 805 gestiegen. Eine Expertengruppe soll nun klären, woran das liegt.

Hamburg. Raub, Erpressung, Sexualdelikte, Prügeleien: Die Zahl der gemeldeten Straftaten an Hamburgs Schulen ist im Schuljahr 2013/2014 massiv gestiegen. Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Antwort des SPD-Senats auf eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion wurden im vergangenen Schuljahr 1908 Fälle gemeldet – 805 mehr als im Schuljahr zuvor.

In 317 Fällen drehte es sich um Meldungen der Kategorie I, also schwere Tatvorwürfe (plus 96 zu 2012/2013), in 1591 Fällen handelte es sich um die Kategorie II, also leichterer Delikte wie Diebstahl oder Körperverletzung (plus 709). Schulsenator Ties Rabe (SPD) kündigte an, dass sich eine Expertengruppe des Themas annehmen und Lösungsvorschläge erarbeiten werde.

„Es ist eine traurige Wahrheit und längst nicht mehr zu leugnen, dass Körperverletzungen, Bedrohungen und sexuelle Übergriffe längst zum Alltag an Hamburgs Schulen gehören“, erklärte der CDU-Familienexperte Christoph de Vries. Er warf der Schulbehörde vor, die Probleme zu verharmlosen. „Statt sich mit den Ursachen ausufernder Gewalt ernsthaft (...) auseinanderzusetzen, führen Innen- und Schulbehörde Gespräche darüber, wie sie Statistik künftig frisieren können, um politisch unangenehme Diskussionen zu vermeiden.“

Senator verweist auch auf Kultur des genaueren Hinschauens

Hamburgs Schulen sind seit 2009 verpflichtet, Straftaten der Kategorie I der Polizei sofort zu melden. Bei der Kategorie II haben sie einen Ermessensspielraum. Der SPD-Senat erklärte in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage, dass sich der Anteil der Schulen mit Gewaltmeldungen seit 2008 von 32 auf inzwischen 70 Prozent erhöht habe. „Die Schulen haben in den letzten Jahren eine Kultur des Hinschauens entwickelt, sie reagieren sensibler und konsequent“, sagte Schulsenator Rabe.

Außerdem weist der Senat darauf hin, dass bei 65 zwischen Januar 2013 und April 2014 gemeldeten gefährlichen Körperverletzungen nur 44 von der Polizei bestätigt worden seien. Insgesamt wurden im gesamten vergangenen Schuljahr 77 Fälle von gefährlicher Körperverletzung gemeldet, aber laut Schulbehörde noch nicht vollständig mit der Polizei abgeglichen. „Der Anstieg der Zahlen kann auf eine Zunahme von Gewalt in Schulen hinweisen“, räumte Rabe ein. Er könne aber seine Ursache auch im genaueren Hinschauen oder in unterschiedlichen Maßstäben haben, was nun eine Expertengruppe klären soll.

Für de Vries ist diese Argumentation ein Unding: „Wenn man dieser Logik folgt, müsste die Polizei die Bürger auffordern, Strafanzeigen zu unterlassen, weil sich der Verdacht nicht in allen Fällen bestätigt.“ Nicht weniger grotesk sei der Versuch, die Steigerung von Gewaltvorfällen mit dem geänderten Meldeverhalten zu erklären. Schließlich bestehe die Pflicht dazu inzwischen seit fünf Jahren.

Täter waren zu fast zwei Dritteln Jungen

Laut Senat wurden im vergangenen Schuljahr in der Kategorie I 36 Sexualdelikte, 120 Fälle von Bedrohung oder Nötigung und 66 Fälle von Raub oder Erpressung gemeldet. Außerdem notierte die Polizei zwölf Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie sechs Waffenverstöße. Die mit Abstand meisten Fälle – nämlich 1480 – betrafen einfache Körperverletzungen der Kategorie II wie Schubsen oder Treten. Nach Schulform aufgegliedert waren sowohl von Delikten der Kategorie I als auch II vor allem die Grund- und Stadtteilschulen betroffen.

Die mutmaßlichen Täter waren zu fast zwei Dritteln Jungen. Von 1620 ermittelten mutmaßlichen Tätern waren den Angaben zufolge in der Kategorie I 227 jünger als 14 Jahre und damit strafunmündig, in der Kategorie II waren es 979. Zu den Opfern gehörten vor allem die Schüler selbst, nämlich 1774 von 1944. Daneben traf es 82 Lehrer, 18 Erzieher und 9 Sozialpädagogen sowie 33 nicht genau zuordenbare Berufsgruppen wie Schulweghelfer. (dpa)