Die SPD-Politikerin habe ihre Glaubwürdigkeit verspielt und schade dem Hochschulstandort, so der CDU-Bürgermeisterkandidat. Anlass ist der eskalierte Streit über die zu geringe Finanzierung der Hochschulen.

Hamburg. CDU-Bürgermeisterkandidat Dietrich Wersich hat den Rücktritt oder die Entlassung von Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) gefordert. Anlass ist der eskalierte Streit zwischen Senat und Hochschul-Präsidenten über die Hochschulfinanzierung. „Senatorin Stapelfeldt hat ihre Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Wissenschaft in ihre Amtsführung verloren. Sie wird in der Wissenschaft nicht mehr ernst genommen“, sagte Wersich dem Abendblatt. „In dieser Lage gibt es nur noch einen konsequenten Schritt: Sie muss jetzt zurücktreten. Falls sie dazu nicht bereit ist, muss Bürgermeister Scholz sie entlassen, um Schaden vom Hochschulstandort abzuwenden.“

Gerade jetzt brauche Hamburg eine Wissenschaftssenatorin oder einen –senator, der in den Haushaltsberatungen für die Jahre 2015 und 2016 für die Bedeutung der Wissenschaft in der Stadt kämpfe. „Frau Stapelfeldt hat diesen Kampf für die Hochschulen um die 30 Millionen Euro, die Hamburg vom Bund durch die Entlastung beim BAföG erhält, gar nicht erst aufgenommen“, so Wersich. Statt in die Wissenschaft flössen die Mittel in den allgemeinen Haushalt.

„Kurz vor Ende ihrer Amtszeit legt Stapelfeldt Leitlinien zur Hochschulentwicklung vor, die so uninspiriert sind, dass sie ein verheerendes Echo ausgelöst haben“, sagte der CDU-Spitzenkandidat. „Und nun begeht sie bei der Vereinbarung mit den Hochschulen Wortbruch. Obwohl darin klar geregelt war, dass bei Kostensteigerungen die Finanzierung nachverhandelt wird, wird das nun abgelehnt. Es ist eine niederschmetternde Bilanz. Hut nehmen!“

Nicht nur Uni-Präsident Dieter Lenzen, auch die Präsidenten der TU, der HAW und der HafenCity-Universität (HCU) hatten zuletzt scharfe Kritik an Stapelfeldt geübt (wir berichteten). Sie fordern angesichts der gestiegenen Kosten Nachverhandlungen der 2012 geschlossenen Vereinbarungen. Für den Fall, dass Teuerungsrate und Tarifabschlüsse längerfristig höher liegen als erwartet, sieht die Vereinbarung nämlich vor, dass über die Etatsteigerung der Hochschulen neu verhandelt wird. Aus diesem Grund waren die Präsidenten Garabed Antranikian (TU HH), Jacqueline Otten (HAW) und Walter Pelka (HCU) kürzlich in der Wissenschaftsbehörde vorstellig geworden – und erhielten dort eine Abfuhr. Die Etats für 2015/16 lägen fest und seien nicht mehr verhandelbar, hieß es. „Wir hatten erwartet, dass der Senat sein Wort hält“, sagen Otten, Pelka und Antranikian. „Aber er bricht seine Zusage.“

Uni-Präsident Lenzen hatte auch das kürzlich vorgelegte Strategiepapier der Wissenschaftssenatorin scharf kritisiert. „Ein Perspektivpapier, in dem nicht über Geld gesprochen wird, ist perspektivlos“, so Lenzen. „Ich möchte als Präsident verdammt noch mal wissen, wann diese Ruinen, die sich hier Universität nennen, renoviert werden.“

Auch Grüne und FDP übten am Montag Kritik an Stapelfeldt. „Die Senatorin hat kaum noch Rückhalt an den Hochschulen, den Kampf um die BAföG-Millionen hat sie verloren und damit eine einmalige Chance zur Stärkung der Hochschulen verpasst“, sagte Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. „Hinzu kommt das verunglückte Strategiepapier. Die Senatorin ist für einen Spar- und Schrumpfkurs verantwortlich, der den Hochschulen alle Entwicklungsmöglichkeiten raubt. Sie sollte sich jetzt ehrlich die Karten legen und fragen, ob sie in diesem Amt noch die richtige Person ist.“ Grünen-Wissenschaftspolitikerin Eva Gümbel sagte: „Eine Wissenschaftssenatorin, die diesen Sparkurs fährt, sollte wenigstens eine klare Ansagen machen, welche Fächer die Hochschulen schließen und wo sie Stellen abbauen sollen.“

FDP-Fraktionschefin Katja Suding forderte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Montag auf, sich selbst einzuschalten. „Der dramatische Appell der drei Hochschulpräsidenten an den Senat macht noch einmal deutlich: Es geht um eine Schlüsselfrage für die Zukunft Hamburgs“, so Suding. „Will der SPD-Senat weiter eine überforderte Senatorin die Basis für das Gedeihen von Wissenschaft und Wirtschaft in unserer Stadt austrocknen lassen? Der Bürgermeister muss die Verantwortung für die Wissenschaftspolitik ab sofort selbst übernehmen.“

Auch die Studierendenvertretung AStA übte am Montag Kritik an der Senatorin. „Es ist für die gesellschaftlich positive Entwicklung unentbehrlich, eine wirklich auskömmliche Finanzierung der Hamburgischen Hochschulen zu erhalten“, sagte die AStA-Referentin für Hochschulpolitik, Franziska Hildebrandt. „Besonders im Kontext der immensen Verantwortung von Wissenschaft und Forschung müssen die aktuellen gesellschaftlichen Problemstellungen, wie die soziale Ungleichheit, die kriegerischen Auseinandersetzungen oder die Umweltzerstörung wissenschaftlich bearbeitet werden.“ Dafür seien auch strukturelle Veränderungen, wie eine „grundlegende Demokratisierung“, notwendig. Dem entgegen versuche die Wissenschaftsbehörde „die Autonomie der Hochschulen in Hamburg mit dem aktuellen Papier einzuschränken“.

Wissenschaftssenatorin Stapelfeldt hat die Kritik am Montag erneut zurückgewiesen. „Wir haben in den Hochschulvereinbarungen eine jährliche Steigerung der Globalbudgets von 0,88 Prozent festgelegt. Gleichzeitig haben wir die Hochschulen von der Haushaltskonsolidierung und den Stellenstreichungen der Stadt ausgenommen und ihnen gestattet, mehr Personal einzustellen, wenn sie das aus ihren Globalbudgets heraus leisten können“, sagte die SPD-Politikerin.

Die Forderung nach Neuverhandlungen der Etats wies sie zurück. „Die Gleitklausel ermöglicht es, bei langfristigen Kostensteigerungen das Globalbudget der Hochschulen zu erhöhen“, so Stapelfeldt. „Die Hochschulvereinbarungen gelten jetzt noch nicht einmal seit 2 Jahren. Eine solche Langfristigkeit sieht der Senat deshalb bislang nicht.“ Insgesamt nehme der Senat „in den kommenden beiden Jahren jeweils fast eine Milliarde Euro für die Wissenschaft in die Hand“, so Stapelfeldt. Dabei würden die Ausgaben in fast allen Bereichen gesteigert. Allein die Investitionen für den Ausbau der Hochschul- und Forschungsinfrastruktur würden in den kommenden Jahren bei einem hohen dreistelligen Millionenbetrag liegen.

„Mir ist wichtig, dass wir nicht nur über Geld reden, sondern über Inhalte“, sagte die SPD-Politikerin. „Ich möchte mit den Hochschulen weiter einen sachlichen Dialog darüber führen, wie wir das von den Hamburgerinnen und Hamburgern erwirtschaftete Geld so in die Wissenschaft investieren, dass wir Lehre und Forschung im Interesse aller – Lehrender, Forschender, Studierender, aber auch im Sinne der zukunftsfähigen Entwicklung der Stadt – voranbringen.“