CDU-Bürgerschafts-Fraktionschef Dietrich Wersich bezeichnet das Strategiepapier aus der Wissenschaftsbehörde als Schnellschuss. Ziele sind unter anderem mehr Exzellenz in Forschung und Lehre.
Hamburg. Das 70 Seiten starke Strategiepapier des SPD-Senats zur Zukunft des Wissenschaftsstandorts Hamburg sorgt für Zündstoff. Die Opposition in der Bürgerschaft übt massive Kritik an dem in der Behörde von Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) erstellten Senatsentwurf mit dem Titel „Strategische Perspektiven für die Hamburgischen Hochschulen bis 2020“. Ausgegebene Ziele darin sind mehr Exzellenz in Forschung und Lehre, mehr Internationalität, mehr Drittmittel aus der Wirtschaft und im Gegenzug mehr Wissenstransfer.
„Bislang ist Exzellenz noch nie im SPD-Vokabular, geschweige denn in der konkreten Politik aufgetaucht“, sagte der CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich. Erst auf öffentlichen Druck hin lege der Senat nun im Schnellschuss zum Ende der Legislaturperiode ein Papier vor, das eine neue Politik vorgaukele. „Dreieinhalb Jahre herrschte Stillstand in der Wissenschaftspolitik, das größte ‚Werk‘ war ein kleinteiliges Hochschulgesetz“, kritisierte Wersich. Wenn der Senat die Finanzbasis der Unis aushöhle, könnten nicht gleichzeitig neue Exzellenzen entwickelt werden.
Auch Wersichs Fraktionskollege Thilo Kleibauer fand deutliche Worte: „Der sogenannte Hochschulplan ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt werden soll.“ Er wirft dem Senat vor, neue Aufgaben auf die Hochschulen abwälzen zu wollen, ohne sich um die Finanzierung zu kümmern. „Wenn Senatorin Stapelfeldt wirklich Schwerpunkte setzen will, dann muss sie dafür kämpfen, dass die in ihrem Haushalt freiwerdenden BAföG-Millionen für neue Schwerpunkte in Wissenschaft und Forschung verwendet werden und an den Hochschulen ankommen.“
Die Debatte hatten Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) und die ehemaligen Senatoren Willfried Maier (Grüne) und Wolfgang Peiner (CDU) Anfang April mit ihrer Streitschrift „In Sorge um Hamburg“ ausgelöst. Die drei Politiker kritisieren, dass Wissenschaft, Universitäten und Forschungseinrichtungen bisher höchstens zweitklassig seien und es kein Gesamtkonzept gebe.
„Ich finde es gut, dass das Thema jetzt die von uns gewünschte Dynamik bekommt“, sagte Peiner am Freitag. Es gehe bei der Entwicklung der Hochschulen nicht primär ums Geld. „Es geht um Prioritätenbildung und Selbstbeschränkung.“ Allerdings habe der Präsident des Wissenschaftsrates, Prof. Wolfgang Marquardt, kürzlich betont, dass zur Grundfinanzierung der Hochschulen deren Etat jährlich mindestens um einen Prozentpunkt oberhalb der Kostensteigerungen liegen müsse. Peiner: „Wie der SPD-Senat diesen Spagat schließen will, muss er noch erklären. Das kann ich zurzeit nicht erkennen.“
Altbürgermeister von Dohnanyi wollte das Senatspapier nicht kommentieren. Mit der Schrift „In Sorge um Hamburg“ habe nicht der Senat, sondern die Stadt kritisiert werden sollen. „In Wahrheit muss die Stadt auch reagieren. Wir brauchen insgesamt eine Gründermentalität. Daran müssen wir uns ausrichten mit allen Muskeln“, sagte Dohnanyi. Es gehe darum, die Weichen richtig zu stellen, um die Lücke zu München und Berlin zu schließen.
Der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Wieland Schinnenburg schlägt vor, dass die drei Autoren gemeinsam mit Fachleuten zu einem Symposium eingeladen werden. Von den neuen Leitlinien der Senatorin halten die Liberalen nichts, bezeichnen sie als „billiges Placebo“. „Die sogenannten Leitlinien von Frau Stapelfeldt enthalten fast nur Forderungen an die Hochschulen.“ Sie wolle aber keinen eigenen Beitrag leisten.
„Wenn der SPD-Senat Hamburgs Hochschulen ohne einen Cent mehr Geld in die erste Liga führen will, versucht er sich an der Quadratur des Kreises“, sagte Eva Gümbel (Grüne). Die Senatorin beschreibe schönfärberisch den Ist-Zustand an den Hochschulen – Ideen für die Zukunft suche man jedoch vergeblich. „Diese Auflistung mit dem Begriff ,Strategie‘ zu betiteln, ist frech und vermessen.“ Der SPD-Hochschulpolitiker Philipp-Sebastian Kühn nannte den Senatsentwurf dagegen einen „wichtigen Impuls“. Jetzt gebe es Gelegenheit, den Impuls „in der Wissenschaft, in der Bürgerschaft und in der Stadt breit zu diskutieren“. Zu einer Expertenanhörung im Wissenschaftsausschuss sollten auch Dohnanyi, Peiner und Maier eingeladen werden.