Seit 40 Jahren wird im Logo an der Grindelallee gerockt. Rammstein, Oasis und Queens Of The Stone Age feierten dort ihre Hamburg-Premieren. Jeder Tag ohne Konzert ist ein verlorener Tag, aber davon gibt es zum Glück nicht viele.

Hamburg. Nur die Lüftung und der Kühlschrank surren leise, als wir das Logo betreten. Eberhard Gugel, der Betreiber des im Wortsinn verrockten Musikclubs an der Grindelallee, mag dieses Geräusch nicht so gerne. Er liebt vielmehr das Klappern, wenn Gerätekoffer über den Boden gerollt werden, Kabel auf den Fußboden klatschen und Verstärker vor dem ersten angeschlagenen Akkord leise vor sich hin pfeifen. Wenn die ersten Gäste ihre vorerst letzte Zigarette wegschnippen und an der Tür rütteln. „Jeder Tag ohne Konzert im Logo ist ein verlorener Tag, nicht nur finanziell“, erzählt Gugel. Kein Lärm – kein Spaß. „Wenn ich den Saal betrete und den leichten Glimmer von Bier, Schweiß und Patina aufnehme, dann komme ich nach Hause.“

Viele verlorene Tage gibt es nicht in diesem Bilderbuch-Rockschuppen, diesem innen und außen schwarzen Schuhkarton zwischen Alt- und Neubauten. 250 Konzerte gehen hier im Jahr über die Bühne, das 1974 von Ronald Krohn und Wieland Vagts eröffnete Logo ist der am längsten durchgehend bespielte Livemusikclub der Stadt. „Nach dem Cotton Club“, wie Gugel anmerkt. Denn andere Traditionsschuppen wie Gruenspan, Kaiserkeller oder Indra lagen auch mal brach oder konzentrierten sich auf Disco-Abende. Das Logo aber setzte immer auf Bands. Das war in den 70er-Jahren so, als Gugel noch als Roadie im Logo schuftete, das war auch 1994 so, als Gugel den Club übernahm. In der Zeit waren Techno und House das große Ding der Clubkultur, Livemusik war weitgehend abgemeldet. Auf dem kommerziellen Höhepunkt der CD hatten es Bands auch nicht unbedingt nötig zu touren.

Das hat sich in den vergangenen 15 Jahren geändert. Livekonzerte sind die letzte große Einnahmequelle für Musiker, und der Hamburger Konzertkalender wird auch in vermeintlich schwachen Sommer- und Wintermonaten überflutet mit Auftritten nationaler und internationaler Superstars, Lieblingsbands und Geheimtipps. Was nicht nur ein Vorteil für das Logo ist. „Früher hatten wir sogar 300 und mehr Konzerte im Jahr, aber da waren wir auch ein gallisches Dorf in der Liveszene.“ Jetzt ist die Konkurrenz groß, nicht nur im Konzertsegment. Die Angebote, sein Geld für Kultur und Freizeit vom Musical bis zur Smartphone-Spiele-App auszugeben und den Rest einfach zu verprassen, sind vielfacher denn je. Nur das Geld in den Taschen der Menschen ist nicht mehr geworden.

Da ist es nicht immer einfach, die meist eher Insidern und Liebhabern bekannten Newcomer- und Undergroundbands im Logo-Programm an den Kartenkäufer zu bringen, fair kalkulierte Preise hin oder her. Dabei hat man im Logo wie auch im Molotow oder Knust die beste Chance, eines dieser berühmten „Ich war dabei, als sie noch keiner kannte“-Konzerte zu sehen. Oasis, The White Stripes, Queens Of The Stone Age, Beatsteaks und viele weitere heute wohlbekannte Bands gastierten am Anfang ihrer Karriere an der Grindelallee. Rammstein, heute Garant für mehrfach ausverkaufte Shows im Madison Square Garden, spielte seinerzeit erst mal ein paar Runden Tischkicker, bis es sich lohnte, auf die Bühne zu gehen. Und um vor 50 zahlenden Gästen ein Feuerwerk zu entfachen, als stünden 50.000 vor der flachen, von einem markanten Pfeiler geprägten Bühne.

Der Pfeiler und der kurze, aber breite Saalschlauch sind einzigartig nicht nur in Hamburg. Die Sicht ist von jedem der maximal 450 Plätze aus gut, denn die letzte Reihe ist gerade mal die zehnte Reihe. Und wenn das Logo zum Platzen voll ist, wenn Gitarrenriffs und Trommeldonner die am Bühnenrand abgestellten Gläser umfegen, dann lässt sich das von den Simpsons bekannte Prinzip des „Spiderschweins“ beobachten: Fans lassen sich auf dem Rücken liegend auf den Händen tragen und krabbeln sprichwörtlich an der niedrigen Decke entlang Richtung Bühne. Oder Richtung Bar. Je nach Bedarf. Nicht von ungefähr warnt seit vielen Jahren ein Schild neben der Bühne: „Achtung Volksfest!“

Wer solche Momente möglich macht, wird dabei nicht reich und findet auch nicht viel Schlaf. Das nehmen vier Festangestellte, der jeweilige Lehrling zum Veranstaltungskaufmann und die Aushilfen hin. Kämpfen mit jährlich dicker werdenden Abrechnungs- und Steuerungetümen in Aktenordnerform. Hadern mit GEMA-Gebühren für Konzerte, bei denen die Bands oft gar nicht bei der GEMA registriert sind. „Die sehen keinen Cent von der GEMA, und das Geld landet dann bei Phil Collins oder wer weiß, wo“, brummt Gugel.

Dafür schätzen die Bands das Logo. Das Team besteht aus Menschen, die das Geschäft und die schwierigen Bedingungen kennen, die selber Musik machen und den Künstlern auf Augenhöhe begegnen. Nicht immer wird es der Logo-Crew gedankt. „Wir hatten einmal eine amerikanische Band hier, wo der Manager unbedingt noch um Mitternacht acht Pizzen haben wollte. Die Pizzeria gegenüber hat extra für uns eine Sonderschicht nach Feierabend eingelegt, und was passiert? Der Manager klatscht uns die Pizzakartons wütend auf die Theke und zetert rum, weil die Pizzen nicht geschnitten waren.“ Eine andere Band aus der Straight-Edge-Hardcoreszene (Kein Alkohol, keine Drogen, keine Tierprodukte) nervte das Logoteam einen ganzen Abend lang mit Sonderwünschen und wollte dann das beste vegane Restaurant der Stadt besuchen, bitte schön. „Wir haben sie dann zu Erika’s Eck geschickt“, lacht Gugel. Hamburgs wohl berühmtester Schnitzelbrater wird sich gefreut haben.

Viele Bands aber bleiben dem Logo verbunden. Madsen, längst eine Arenaband, spielte dort im vergangenen Dezember und zu den kommenden Konzerten zum 40. Logo-Geburtstag mit Copyshop (29.8.), Haken (31.8.), Urban Majik Johnson (1.9.), Loui Vetton (4.9.) und Skatoons (Nacht der Clubs, 5.9.) gehört natürlich auch ein Auftritt von Lotto King Karl am 30. August. „Lotto hat nicht nur oft im Logo gespielt, sondern ist auch der Einzige, der uns einen Song gewidmet hat“, sagt Gugel. Nicht alles aus „Der letzte langsame Pogo“ ist zitierfähig, aber so viel kann gesagt werden: „Fällt das Gehen mir auch schwer, morgen komm ich wieder her.“

Solange es ein Morgen gibt, natürlich. Schon seit Jahren sollte das Logo längst abgerissen und einem Neubau gewichen sein. Aber im Gewirr aus Investoren, Behörden, Denkmal- und Ensembleschutz ist das Logo bislang unbeschadet davongekommen. „Und wenn es so weit ist, dann ziehen wir eben um. Der Unicampus zum Beispiel wäre eine prima Option, dann ist da nicht mehr so totes Gelände abends“, erzählt Gugel. Aber etwas darf auch in einem neuen Logo nicht fehlen. „Der Pfeiler auf der Bühne, der muss schon sein. Vielleicht im Boden versenkbar, aber kein Logo ohne Pfeiler“, betont Gugel. Und das Schild muss natürlich auch mit umziehen: „Achtung Volksfest!“