Zum ersten Mal ist ein Ebola-Patient nach Deutschland gebracht worden. Der Epidemie-Experte aus dem Senegal hatte sich in Sierra Leone infiziert. Hamburger Ärzte versuchen, sein Leben zu retten.
Hamburg/Genf/Lagos/Freetown. Hamburger Ärzte kämpfen um das Leben des ersten Ebola-Patienten in Deutschland. „Wir glauben, dass wir die richtige Einrichtung sind, um ihn zu betreuen“, sagte der Tropenmediziner Stefan Schmiedel vom Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg. Der Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation war am Vormittag mit einem Spezial-Jet auf dem Flughafen der Hansestadt eingetroffen. Er wurde sofort auf die Sonderisolierstation des Krankenhauses gebracht.
Der Mann aus Senegal habe sich beim Einsatz in einem Labor in Sierra Leone infiziert, sagte ein WHO-Sprecher in Genf. Zu der genauen Verfassung des Afrikaners äußerte sich Schmiedel nicht. „Der Patient ist in einem Zustand, der tatsächlich auch hoffen lässt, dass er von unseren therapeutischen Optionen profitieren kann“, sagte er. Experimentelle Mittel wollen die Ärzte demnach zunächst nicht einsetzen. Stattdessen setze man auf die unterstützende Basisversorgung – etwa Schmerztherapie, Fiebersenkung und Flüssigkeitsmanagement. „Wir glauben, dass durch diese einfachen Maßnahmen bereits die Sterblichkeit der Ebola-Erkrankung deutlich gesenkt werden kann“, sagte Schmiedel. Der Patient sei kein Forschungsobjekt.
Der Jet landete am Geschäftsfliegerzentrum des Flughafens. Der Patient wurde von einem Helfer aus dem Flugzeug die Treppe hinab geleitet und von einem weiteren in Empfang genommen, sagte der Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde, Rico Schmidt. Gegen 10.30 Uhr setzte sich ein Konvoi aus Polizei- und Feuerwehrfahrzeugen in Bewegung und brachte den Patienten in das Behandlungszentrum.
Die Infektion des Senegalesen war am Sonntag bestätigt worden. Daraufhin hatte die WHO ihre Helfer aus dem Labor in der Stadt Kailahun nahe der Grenze zu Guinea abgezogen und beim UKE angefragt, ob der Mitarbeiter in Hamburg behandelt werden könnte. In Abstimmung unter anderem mit der Gesundheitsbehörde fiel dann die Entscheidung, dass der Patient in die Hansestadt kommen kann. Behördensprecher Schmidt betonte, die höchsten Sicherheitsstandards seien gewährleistet. Das UKE und das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin haben bei der Versorgung von Infektionskrankheiten einen hervorragenden Ruf.
Ärzte ohne Grenzen kritisieren Reaktion auf die Epidemie
Bereits Ende Juli hatte die WHO beim UKE angefragt, ob ein Mitarbeiter einer Gesundheitsorganisation dort versorgt werden könnte. Der Arzt starb jedoch, bevor er zur Behandlung nach Deutschland gebracht werden konnte. Unterdessen übte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen scharfe Kritik an der internationalen Reaktion auf die Epidemie. „Es ist einfach unannehmbar, dass fünf Monate nach der Feststellung dieses Ebola-Ausbruchs erst jetzt ernsthafte Diskussionen über die internationale Führung und Koordination beginnen“, sagte Brice de le Vingne, der Leiter der Hilfsoperationen. „Jene Staaten, die in den betroffenen Ländern einen Unterschied machen können, kümmern sich ausschließlich um ihren Selbstschutz. Sie können mehr tun, warum tun sie es nicht?“
Demnach breitet sich die Epidemie in Teilen Liberias massiv aus, auch in der Hauptstadt Monrovia. Die Situation sei extrem chaotisch, es gebe kaum Hilfsprojekte, teilte die Organisation mit. „Die Zahl der Patienten, die wir sehen, übertrifft alles, was wir von früheren Ausbrüchen kennen“, sagte die Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Monrovia, Lindis Hurum. „Das ist nicht nur ein Ebola-Ausbruch – es ist ein humanitärer Notfall und erfordert eine ausgeprägte humanitäre Reaktion.“ Nigeria beschloss, alle Schulen bis mindestens Mitte Oktober geschlossen zu lassen. Zudem müssten Ferienprogramme in Schulen sofort abgebrochen werden, ordnete Erziehungsminister Ibrahim Shekarau an.
Die Zeitung „The Punch“ berichtete, alle staatlichen und privaten Schulen seien zudem angewiesen, mindestens zwei Mitarbeiter als Beauftragte zur Bekämpfung von Ebola auszubilden. Bei mehr als 170 Millionen Einwohnern ist Nigeria mit bislang 5 Ebola-Toten und 16 Erkrankungsfällen weit weniger betroffen als Guinea, Liberia und Sierra Leone. Insgesamt registrierte die WHO bei der Epidemie, die Ende 2013 begann und im März bekannt wurde, bis Mittwoch voriger Woche mehr als 2600 bestätigte Infektionen und Verdachtsfälle und mehr als 1400 Tote.
Die Fluggesellschaft Air France KLM kündigte an, ab Donnerstag ihre Flüge nach Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, auszusetzen. Damit folgte das Unternehmen einer Aufforderung der französischen Regierung. Für Flüge nach Guinea und Nigeria gab es keine entsprechenden Pläne.
Weiterer Arzt an Ebola gestorben
Im vom Ebola-Virus heimgesuchten Westafrika wächst derweil die Sorge um das medizinische Personal. In Sierra Leone starb ein weiterer Arzt an der Krankheit, wie die Regierung in Freetown am Mittwoch bekanntgab. Der Epidemiologe aus dem Senegal hatte in einem Krankenhaus im Osten des Landes gearbeitet, war aber nicht in ständigem Kontakt mit Infizierten. Er ist bereits der dritte Arzt, den die Seuche in Sierra Leone das Leben gekostet hat.
Der Tod der Doktoren ist ein weiterer Rückschlag für das Gesundheitssystem Sierra Leones. Pro 100.000 Einwohner gibt es ohnehin nur zwei Ärzte - in den USA sind es 245. Hilfe ausländischer Doktoren ist deshalb dringend nötig. „Wenn medizinisches Personal angesteckt wird und dadurch ausländische Mediziner vom Kommen abschreckt werden, geraten wir in arge Not“, sagte die Sprecherin der Weltgesundheitsorganisation, Christy Feig.
Ebola-Ausbruch im Kongo durch Verzehr von Wildfleisch
Der Ebola-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo ist aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine Virus-Übertragung durch den Verzehr von Wildfleisch zurückzuführen. 13 von 24 Erkrankten seien dort gestorben, teilte die WHO unter Berufung auf kongolesische Behördenangaben mit. Das erste Opfer sei diesen Angaben zufolge eine schwangere Frau gewesen, die Fleisch eines erlegten Wildtiers gegessen habe und wenig später schweres Fieber bekam. Sie sei am 11. August gestorben.
Bei Ritualen im Zusammenhang mit der Beerdigung der Frau sowie zuvor in einem Medizinstützpunkt sei dann die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt. In der betroffenen Provinz Equateur im Norden Kongos seien 80 Personen erfasst worden, die sich angesteckt haben könnten. Keine von ihnen war in einem der westafrikanischen Länder gewesen, in denen seit längerem eine Ebola-Epidemie wütet. Die WHO geht deshalb davon aus, dass es sich im Kongo um einen isolierten Ausbruch handelt. Es ist bereits der siebte in diesem Land.