Hamburger sollen Privatwagen nur noch nutzen, „wenn es wirklich nicht anders geht“. Verkehrssenator Frank Horch über Staus, Elektromobilität, eine Ökobuslinie und die neue U5.
Hamburg. Der Senat will den Autoverkehr in der Hansestadt deutlich reduzieren – und fordert die Hamburger jetzt sogar explizit dazu auf, Privatwagen so oft wie möglich stehen zu lassen. „Wir alle sollten das Auto in einem Ballungsraum wie Hamburg nur noch benutzen, wenn es wirklich nicht anders geht“, sagte Stadtentwicklungs- und Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD) dem Abendblatt. „Denn ein Großteil der Belastung der Luft und des Lärms geht auf den Individualverkehr zurück.“ Eine zentrale Voraussetzung für ein modernes und lebenswertes Hamburg der Zukunft sei die Erreichung vor allem eines Ziels, so Blankau: „Deutlich weniger Autoverkehr.“
Der SPD-Senat strebe „mehr Radverkehr und eine weiter steigende Nutzung des HVV“ an, so die Senatorin. Dabei gehe es aber nicht darum, den Druck auf Autofahrer zu erhöhen. „Das Auto gilt bei jüngeren Leuten sowieso als unattraktiv. Es ist also gar nicht nötig, Autofahrer zu bestrafen. Und das werden wir auch nicht tun“, sagte Blankau.
Ähnlich äußerte sich Wirtschafts- und Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) im Abendblatt-Interview. „Mit unserem Mobilitätsprogramm 2013 und dem Luftreinhalteplan setzen wir auf nachhaltige Strategien, die die Förderung des Rad- und des öffentlichen Personennahverkehrs zum Inhalt haben und so zu einer Abnahme des Autoverkehrs innerhalb der Stadt führen“, so Horch. „Die Zahlen geben uns recht: Seit Jahren geht die Nutzung des Autos in der Stadt zurück, während der ÖPNV stetig steigende Fahrgastzahlen verzeichnet und der Gebrauch des Fahrrads ebenfalls deutlich zunimmt.“ Künftig solle die Buslinie 109 zu einer „Referenzlinie“ werden, auf der überwiegend Wasserstoff-, Elektro- und Hybridbusse erprobt werden sollten.
Eine Absage erteilten Blankau und Horch erneut der Einführung einer Stadtbahn. „In Hamburg sind die Verkehrsflächen vergeben. Ein weiteres Verkehrsmittel werden wir da nicht unterbringen können“, sagte Horch. „Es würde zu zahlreichen Protesten und Klagen kommen, die eine Umsetzung letztlich infrage stellen würden.“ Blankau verwies darauf, dass in vielen europäischen Städten derzeit nicht Stadtbahnen, sondern U-Bahn-Netze ausgebaut würden – weil U-Bahnen deutlich mehr Menschen befördern könnten.
Im Abendblatt-Interview äußert sich Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) zu seinen Zielen.
Hamburger Abendblatt: In wenigen Wochen wird ein Gerichtsurteil zur Luftbelastung durch Abgase in Hamburg erwartet. Haben Sie schon über Fahrverbote, Tempo 30 oder eine Citymaut nachgedacht?
Frank Horch: Ich sehe das keineswegs so pessimistisch und halte es nicht für ausgemacht, dass die Richter den Klägern recht geben. Aber: Die Sperrung einzelner Straßen ist kein Thema, weil dadurch die Belastung in der gesamten Stadt nicht sinken wird. Dann fahren die Autofahrer woanders lang.
Bleiben also Umweltzonen, in denen ältere Autos nicht mehr fahren dürfen.
Horch: Die meisten in Deutschland zugelassenen Autos erfüllen bereits die Anforderungen der Euro-5-Norm. Außerdem haben Untersuchungen gezeigt, dass der Effekt von Umweltzonen nicht zu signifikanten Verbesserungen führt. Auch eine Citymaut führt letztlich nur zu einer Verlagerung des Autoverkehrs.
Aber irgendetwas gegen die Abgase muss Hamburg doch unternehmen.
Horch: Mit unserem Mobilitätsprogramm 2013 und dem Luftreinhalteplan setzen wir auf nachhaltige Strategien, die die Förderung des Rad- und des öffentlichen Personennahverkehrs zum Inhalt haben und so zu einer Abnahme des Autoverkehrs innerhalb der Stadt führen. Seit Jahren geht die Nutzung des Autos zurück, während der ÖPNV stetig steigende Fahrgastzahlen verzeichnet und der Gebrauch des Fahrrads deutlich zunimmt.
Reicht das?
Horch: Wir werden in den kommenden Jahren auch die Elektromobilität stärker als viele andere Städte in Deutschland voranbringen. Wir machen die Buslinie 109 zu einer Referenzlinie und werden dort überwiegend Wasserstoff, Elektro- und Hybridbusse einsetzen und weiter erproben. Die Hochbahn kooperiert mit verschiedenen Herstellern und hat bereits erste Elektrofahrzeuge bestellt. Unser Ziel ist nach wie vor, von 2020 an in ganz Hamburg nur noch emissionsfreie Busse anzuschaffen.
Wäre nicht eine Stadtbahn, also eine Straßenbahn wie früher, auch ein umweltfreundliches Verkehrsmittel?
Horch: Was bei den Gedankenspielen über eine Stadtbahn gern vergessen wird, ist die Tatsache, dass der Verkehrsraum bereits vergeben ist. Wir müssen mit den Bedingungen arbeiten, die wir vorfinden. Anfang der 70er-Jahre hat Hamburg beschlossen, die Straßenbahn abzuschaffen. Das kann man heute beklagen, ändert aber nichts an dem Fakt, dass es sie nicht mehr gibt.
Falsche Entscheidungen kann man korrigieren.
Horch: In diesem Fall halte ich das nicht für möglich. In Hamburg sind die Verkehrsflächen vergeben. Ein weiteres Verkehrsmittel werden wir da nicht unterbringen können. Und es würde bei den zahlreichen Umbauten zu zahlreichen Protesten und Klagen kommen, die eine Umsetzung letztlich infrage stellen würden.
Sie setzen daher eher auf eine unterirdische Lösung und brachten kürzlich die U5 wieder ins Gespräch. Geld spielt bei den Plänen für die U-Bahn-Linie 5 offenbar keine Rolle.
Horch: Wir sprechen von langfristigen Investitionen bis 2040. Größere Infrastrukturprojekte müssen rechtzeitig geplant werden. Sonst werden wir den innerstädtischen Verkehr in 20 Jahren nicht mehr handeln können. Aber auch hier gilt der Grundsatz der soliden Haushaltsführung.
Sehen Sie uns unser Misstrauen nach. Es wurden in der Vergangenheit bereits mehrfach Versprechungen für eine U5 gemacht.
Horch: Der Bürgermeister steht hinter diesem U-Bahn-Projekt. Eine Machbarkeitsstudie ist beauftragt. Es werden verschiedene Trassenführungen untersucht und dann abgewogen, was sinnvoll ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die U5 kommen wird.
Das Busbeschleunigungsprogramm hat in den vergangenen Monaten viele Autofahrer genervt. Haben Sie sich angesichts vieler anderer Straßenbaustellen dabei nicht zu viel vorgenommen?
Horch: Um es auf den Punkt zu bringen: Wir hatten gar keine andere Wahl. Das Busbeschleunigungs- und -optimierungsprogramm dient vor allem dem Ziel, die Kapazität der Buslinien zu erhöhen. Angesichts der stetig steigenden Fahrgastzahlen müssen wir schnell handeln. Die Busoptimierung ist also eine unverzichtbare und wirksame Maßnahme, wie wir demnächst am Beispiel der Metrobuslinie 5 auch sehen werden. Im Übrigen setzen wir auch immer Verbesserungen für die übrigen Verkehrsteilnehmer mit um, seien es Radfahrer, Fußgänger oder Autofahrer.
Trotzdem kann das keine Erklärung für viele Parallelbaustellen sein.
Horch: Unsere Vorgängersenate haben zu wenig für die Instandhaltung der Straßen unternommen und uns einen erheblichen Sanierungsstau hinterlassen. Den müssen wir so schnell wie möglich abbauen. Hamburg ist als Welthandelsmetropole und als lebenswerte Stadt auf eine intakte Infrastruktur angewiesen. Dieses Jahr geben wir dafür 73 Millionen Euro aus. Bautätigkeit in unseren Straßen resultiert ja nicht allein aus unseren Sanierungsmaßnahmen oder der Busbeschleunigung. Hamburg setzt auch sehr erfolgreich ein Wohnungsbauprogramm um. Leitungsunternehmen müssen ihre Infrastruktur erneuern, instand halten. All das wirkt sich auch auf unsere Straßen aus. Wir koordinieren all diese Bautätigkeiten erfolgreich, damit der Verkehr nicht mehr als unbedingt notwendig eingeschränkt wird.
Verkehrsexperten plädieren für flächendeckend Tempo 30, um die Staus in der Innenstadt zu vermeiden.
Horch: Hamburg hat bereits im gesamten Stadtgebiet Tempo-30-Zonen eingeführt. Das macht das Wohnen in den entsprechenden Wohngebieten attraktiv und sicher. Flächendeckend halte ich es für nicht zweckmäßig. Ausweichverkehre, die sich einen vermeintlichen Schleichweg suchen, wären wahrscheinlich. Der Durchgangsverkehr muss auf den Haupttrassen gebündelt bleiben und durch verkehrsabhängige Ampelschaltungen ein guter Verkehrsfluss erreicht werden. Das ist das Ziel, und daran arbeiten wir kontinuierlich.
Täglich pendeln rund 320.000 Menschen aus dem Umland nach Hamburg. Die Stadt hat jetzt für P+R-Parkplätze Gebühren eingeführt. Wird dadurch nicht verhindert, dass Pendler auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen?
Horch: P+R-Plätze sollen die Pendler zum frühzeitigen Umstieg auf den ÖPNV motivieren. Es macht keinen Sinn, die Pendler durch Gratisplätze in die Stadt hineinzulocken. Außerdem sind die P+R-Plätze ein Angebot für wenige, das bisher vom Steuerzahler allein finanziert worden ist. Darüber hinaus wurden die Plätze häufig durch Fremdparker genutzt, also Autofahrer, die den HVV gar nicht nutzen. Es war also auch ein Gebot der Gerechtigkeit, hier über andere Lösungen nachzudenken. In den Landkreisen rund um Hamburg werden im Übrigen schon seit längerer Zeit Gebühren für einige P+R-Plätze verlangt. Wir machen im Übrigen damit kein großes Geschäft. Die Einnahmen helfen, intakte, sichere und gut ausgestattete Parkhäuser zu unterhalten.
Anwohner klagen, dass seit der Einführung von Gebühren umliegende Straßen zugeparkt sind.
Horch: Das ist eine Situation, wie sie überall in den Städten zu beobachten war, wo Gebühren eingeführt wurden. Die Erfahrung zeigt, dass sich das nach einer gewissen Eingewöhnungszeit wieder ändert. Sollte das in Hamburg anders sein, würden wir im Einzelfall prüfen, welche Maßnahmen sinnvoll sind, um die angrenzenden Wohnquartiere zu schützen. Dazu gibt es unterschiedliche Instrumente der Parkraumbewirtschaftung.
Lesen Sie am Montag das Abendblatt-Interview mit der Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD)