Der Senat will elbnahe Stadtteile attraktiver machen. In einer kleinen Serie zeigt das Abendblatt, was genau geplant ist. Heute: Rothenburgsort.
Rothenburgsort. Idyllisch an einem Stichkanal der Elbe gelegen, mit Blick ins Grüne, die Skyline von Hamburg, trotzdem nah und direkt an der neuen Radwegeverbindung zur Hamburger Innenstadt – am Billwerder Neuer Deich in Rothenburgsort sollen in den nächsten Jahren 250 Wohnungen von einer für den Stadtteil bislang untypischen Wohnqualität entstehen. Nicht nur durch die Nähe zur Innenstadt macht den Standort interessant für eine Wohnbebauung, auch die unmittelbare Nachbarschaft zum Elbpark Entenwerder, der geplante Brückenschlag zur HafenCity und nicht zuletzt die 2018 in Betrieb gehende U- und S-Bahn-Station Elbbrücken sind attraktiv. Bislang hatten allerdings die hohen Schadstoffwerte von der Peute diesbezügliche Planungen zunichte gemacht. Doch die Werte werden besser, sagt zumindest Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD), eine Verwirklichung rücke in greifbare Nähe.
Noch befinden sich hier, durch Natodraht geschützt, aufgegebene Verwaltungs- und Lagergebäude der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein. Auf dem Nachbargrundstück, das in städtischem Besitz ist, ist eine Golf-Lounge. Die Anlage zum Bälleabschlagen und Putten war von Anfang an nur temporär angelegt. Sie soll aber einen neuen Standort im Stadtteil bekommen – schließlich hat sie Rothenburgsort auch bei Golfinteressierten von außerhalb bekannt gemacht. Beide Grundstücke liegen direkt am Haken, einem stillgelegten Hafenbecken, das sich dort, wo es mit Sand aufgefüllt wurde, zu einer Auenlandschaft entwickelt hat. Dazwischen verläuft, leicht erhöht, eine breite Flutschutzmauer, der Alexandra-Stieg, auf der Spaziergänger und Radfahrer eine Menge Platz haben.
Konkrete Pläne für die Neubauten, die hier entstehen sollen, gibt es noch nicht. Grote rechnet mit einem Bebauungsplanverfahren erst in zwei bis drei Jahren. Zwei Details liegen aber auf der Hand: Weil kein Bewohner aus dem Fenster gegen die Flutschutzmauer gucken soll, würde die Tiefgarage der Neubauten ebenerdig gebaut werden. Und bei der Gebäudestellung und der Ausrichtung der Schlafräume müsste der Verkehrslärm berücksichtigt werden, der von den nahen Elbbrücken herüberschallt. Dazu wird das Rattern von Zügen kommen, denn 2018 sollen der U- und der S-Bahnhof Elbbrücken in Betrieb gehen.
Wie die Station der U4 aussehen soll, steht schon fest: eine riesige, filigran wirkende und lichtdurchflutete gläserne Röhre, deren äußere Stahlkonstruktion die Gestaltung der Elbbrücken aufnimmt. Der Entwurf stammt vom Architekturbüro gmp, das auch die neuen Hamburger Flughafenterminals und den Berliner Hauptbahnhof gebaut hat. Doch auch mit dem Fahrrad ist man hier schnell in der Stadt: Der Haken liegt am kürzlich eröffneten Luxusradweg (4 Mio. Euro), der von der Innenstadt über Oberhafen und HafenCity zum Elbpark Finkenwerder führt. So teuer wurde er wegen der Brücken, die über den Mittelkanal und die Brandshofer Schleuse gebaut werden mussten.
Das geplante Neubauprojekt ist Teil des Stadtentwicklungsprogramms „Stromaufwärts an Elbe und Bille“, das besonders das Potenzial von Hamburgs östlichen Stadtteilen am Wasser in den Fokus rückt und allein für Rothenburgsort bis zu 1000 Wohnungen vorsieht. Der Stadtteil wird von den Flussläufen der Elbe und Bille begrenzt, sodass an vielen Stellen Bezüge zum Wasser vorhanden sind. Im Norden hat sich schwerpunktmäßig Gewerbe und Industrie angesiedelt. Der Süden ist vor allem durch Wohnnutzung geprägt. Gab es vor dem Krieg noch 45.000 Rothenburgsorter, sind es jetzt nur noch 9000 – eine davon ist Marion Hartung. Die engagierte Rothenburgsorterin, die politisch für die Grünen aktiv ist, findet es richtig, im Stadtteil neue Wohnungen zu schaffen. Auch am Haken kann sie es sich vorstellen. Ginge es nach ihr, würde aber nur auf dem Grundstück der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein gebaut werden. „Die Golf-Lounge möbelt den Stadtteil auf, der Besitzer bringt sich hier ein“, sagt sie. „Dafür, dass hier ein paar Leute wohnen, würde ich sie nie aufgeben.“
Das sei ähnlich, sagt die an der Elbchaussee aufgewachsene Wahl-Rothenburgsorterin, als wolle man den Derby-Park Klein Flottbek bebauen. Dennoch schreie der Stadtteil nach Wohnungen; sie wären auch ein wichtiges Instrument zum Ankurbeln der Infrastruktur. Denn Rothenburgsort hat keine Fachärzte, keinen Supermarkt und keine weiterführende Schule – Letzteres ein Grund dafür, dass viele Familien mit Kindern wegziehen. Der Stadtteil braucht eine nachhaltige Entwicklung – das ist auch Politik und Investoren klar. Das Bezirksamt Mitte will daher gemeinsam mit dem städtischen Wohnungsunternehmen Saga, Wohnungsbaugenossenschaften und privaten Bauunternehmen ein „Bündnis der Quartiere“ konzipieren.
Neben dem Areal am Haken und etlichen Einzelbaumaßnahmen ist auch das etwa zehn Hektar große Gelände des ehemaligen Huckepack-Bahnhofs von den Stadtentwicklungsplänen betroffen. Die Fläche zwischen den Bahntrassen soll gewerblich genutzt werden, dorthin wird beispielsweise der Opernfundus ziehen. Entlang der Billhorner Brückenstraße, die über die Elbbrücken zur Autobahn1 führt, sollen sechsgeschossige Bürohäuser entstehen. Sie werden dem Eingangsbereich der Stadt ein neues Gesicht geben, Bindeglied zwischen östlicher HafenCity und Rothenburgsort sein und ein südlich der Bahntrassen geplantes Wohngebiet vom Verkehrslärm abschotten.
Der sogenannte Billebogen soll die „Speicherstadt des 21. Jahrhunderts“ werden – mit einer hochverdichteten Ansammlung von hochwertigem Gewerbe, Serviceangeboten für Unternehmen und Besucher und attraktiven Freiräumen. Um das Vorhaben verwirklichen zu können, muss die gesamte Verkehrsführung geändert werden. Die östlich der Billhorner Brückenstraße gelegenen Zu- und Abfahrtsrampen etwa sollen verschwinden und komplett überbaut werden. Das Konzept muss mittlerweile allerdings zum dritten Mal nachgebessert werden: Erst wurde eine wichtige Bushaltestelle nicht berücksichtigt, dann wurde nicht bedacht, dass eine geplante Zufahrt in das neue Gewerbegebiet durch ein Wohngebiet verlaufen würde.
Nahe der Billwerder Bucht könnte sich Andy Grote ebenfalls ein neues Wohnquartier vorstellen. Dort, am Trauns Park, besitzt das in Rothenburgsort ansässige Unternehmen Hamburg Wasser Sportplätze. „Sie werden kaum genutzt“, so Grote. „Die Frage ist, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn hier Menschen wohnen würden.“ Die Fläche vis-à-vis der Elbinsel Kaltehofe böte Potenzial für 100 Wohnungen. „Diese Idee ist ein großer Schritt nach vorn, denn sie hebt das Denkverbot auf, das über diesem Gelände liegt“, sagt Helga Frank-Wollgast, Vorsitzende des Stadtteilrats. Früher sei das Hamburg-Wasser-Grundstück Teil einer Parkanlage mit einem Teich gewesen, die frei zugänglich war. Heute steht den Rothenburgsortern nur noch ein Teil des ursprünglichen Geländes, der Trauns Park, zur Verfügung. „Wir haben in Rothenburgsort mit Vattenfall, Hamburg Energie, Hamburg Wasser und mehreren Behörden eine Menge Versorger im Stadtteil“, sagt Helga Frank-Wollgast. Es wäre doch nett, wenn er durch das Grundstück am Trauns Park ein bisschen zurückbekommt.