Max James Emden aus Hamburg gründete das KaDeWe, wurde von den Nazis enteignet – und erst jetzt geehrt.
Osdorf. Anfangs war es ein Leben in Saus und Braus. Autos, Polo, Golf, Frauen, Kunst – alles vom Feinsten, unkonventionell, gerne einen Hauch extrovertiert. Max James Emden, Sprössling einer seit dem 18. Jahrhundert in Hamburg ansässigen Kaufmannsfamilie, verdiente im Sauseschritt viele Millionen und zählte nach dem Ersten Weltkrieg zu den wohlhabendsten Hanseaten. Er baute überall auf dem Kontinent große Kaufhäuser und verdiente ein Vermögen. Die seinerzeit hochmodernen Kaufhäuser Poetsch am Schulterblatt und Petersen in Wandsbek gehörten ebenso zu seinem Handelsimperium wie das KaDeWe in Berlin oder das weltbekannte Corvin in Budapest.
Dass Emdens Lebensgeschichte dennoch traurig ausklang und bis zum heutigen Tage Fragezeichen aufwirft, ist vergessen. Fast. Durch Recherchen des Osdorfer Pensionärs Joachim Winkelmann, einem promovierten Internisten, ist der Werdegang einer der schillerndsten Persönlichkeiten der Hamburger Wirtschaftsgeschichte nun ein wenig transparenter. Ein 700 Meter langer, gut gepflasterter Weg am Botanischen Garten trägt neuerdings den Namen Max Emden. Winkelmanns monatelange, intensive Überzeugungsarbeit hat Früchte getragen.
Eine Hinweistafel unter den Wegschildern gibt das Schicksal in Stichworten wieder: Chemiker, Hamburger Kaufmann aus alter jüdischer Familie, Vorbesitzer des Geländes mit Villa Sechslinden, vom NS-Staat enteignet, Verfolgter des Nationalsozialismus.
Dabei begann alles so gut für den ebenso geschäfts- wie auch kunstsinnigen Lebemann. Am 28.Oktober 1874 in Hamburg geboren, führte er von Kindheit an ein bohemes Leben in der großbürgerlichen Gesellschaftsschicht Harvestehudes. Joachim Winkelmann fand heraus, dass die Emdens schon 1794 im Hamburger Adressbuch mit Läden am Zeughausmarkt und Mönkendamm verzeichnet waren. 1840 wurde am Großen Neumarkt ein „Engroslager für Bänder, aller Sorten Garn und Seide“ eingetragen.
Die väterlichen Geschäfte florierten, und während seiner Lehre dort erfuhr Max Emden eine Menge über Textilhandel und profitable Unternehmungen. Er schaffte sein Abitur am Wilhelm-Gymnasium, konvertierte zum evangelischen Christentum, studierte Chemie und Mineralogie in Heidelberg, Genf, Zürich und Leipzig, schrieb seine Doktorarbeit. Seine Militärpflicht absolvierte er beim 1. Leib-Husaren-Regiment in Danzig. Im Alter von 30 Jahren übernahm er den Betrieb am Rödingsmarkt 64–66: „Engroshaus für sämtliche Waren der Textilindustrie und Ausstattung von Warenhäusern“.
Max Emden führte das Geschäftsprinzip konsequent fort. Ihm gehörten Grundstücke und Gebäude, die er verpachtete. Die Rechnung ging auf. Sehr gut sogar. 1926, acht Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges, verkaufte Max Emden einen Großteil seiner inländischen Warenhäuser an den Kaufmann Rudolph Karstadt, der bekanntlich noch mehr daraus machte.
Schon vorher hatte Max Emden sein Vermögen exzellent angelegt und es sich in den Elbvororten komfortabel eingerichtet. An der heutigen Grenze zwischen Klein Flottbek und Osdorf ließ er sich das Landhaus Sechslinden errichten. Architekt war Wilhelm Fraenkel, der auch Prachtbauten wie das Hotel Sacher in Wien schuf. Im Landhaus Sechslinden befindet sich heutzutage das Jenisch-Gymnasium. Max Emden gehörte zudem ein riesiger Grundbesitz, der den Poloplatz und den jetzigen Botanischen Garten umfasst.
Seine Privaträume schmückte er mit wertvollen Gemälden, Fayencen, Emaillekunst, Silber, gediegenen Möbeln und edlen Teppichen. Ansonsten pflegte er den Polosport. Auf einem Bild Max Liebermanns ist unter anderen Max Emden zu sehen. Gemeinsam mit seiner in Chile geborenen Ehefrau Concordia Gertrud Hélène Anna Sternberg aus Klein Flottbek war er gern gesehenes Mitglied der besten hanseatischen Gesellschaft.
Ob es an seiner Scheidung oder am immer stärker auftretenden Nationalsozialismus und der Judenfeindlichkeit lag? Jedenfalls kehrte er Deutschland den Rücken, kaufte sich die Brissago-Inseln im Lago Maggiore, ließ sich einen Palast bauen und frönte dem Dolce Vita. Von dort aus stiftete er dem Hamburger Polo Club ein Vereinshaus. Doch auch der Übertritt zum Protestantismus und die mühselig errungene Schweizer Staatsbürgerschaft schützten ihn letztlich nicht vor den langen Armen der Nazis: Nach und nach wurde Max Emden seines fast gesamten Vermögens beraubt, inklusive der Flottbeker Ländereien mitsamt dem Landhaus Sechslinden. Am 26.Juni 1940 erlag Max James Emden im Tessin einem Herzinfarkt.
Sein 1911 in Hamburg geborener Sohn Hans-Erich Emden floh nach Chile, um sich in Südamerika ein neues Leben aufzubauen. Dort lebt heute noch Hans-Erichs Sohn Juan Carlos Emden. Dieser wird in dieser Woche in der Hansestadt erwartet, um zwei seiner vier Kinder zu besuchen. Tochter Maeva und Sohn Frederick Emden leben wieder in der Stadt, in der ihre Vorfahren einen vortrefflichen Ruf genossen. Nach wie vor kämpft die Familie für Entschädigung des materiellen Unrechts.
„Es ist eine packende Geschichte mit glorreichen Zeiten und beschämendem Unrecht“, bilanziert Joachim Winkelmann. Nach einem Hinweis des Nienstedtener Dorfchronisten Herbert Cords recherchierte der 81-Jährige fast zwei Jahre in Archiven, Antiquariaten sowie im Internet. Letztlich überzeugte er die Bezirksversammlung Altona, den bisher namenlosen Weg zwischen Hesten und Hemmingstedter Weg zu Ehren Max Emdens zu benennen – 140 Jahre nach dessen Geburt.
Es ist nicht der erste Erfolg Joachim Winkelmanns auf diesem Gebiet. 2004 wurde durch seine Initiative der Eduard-F.-Pulvermann-Weg auf der anderen Seite der S-Bahn-Station Klein Flottbek eingeweiht. Drei Jahre später veröffentlichte der pensionierte Betriebsarzt ein Buch über das Leben des Hamburger Reiters-, Kauf- und Lebemanns, der gleichfalls den Nazis zum Opfer fiel. An ihn erinnert das berühmteste Hindernis des Deutschen Springderbys: Pulvermanns Grab. Bis zum Max-Emden-Weg sind es nur wenige Fußminuten.