Politische Demonstration und eine schrille Party: Die schwulen Politiker Philipp-Sebastian Kühn (SPD) und Robert Bläsing (FDP) über die Bedeutung des Christopher Street Days.
Hamburg. Der CSD, der Christopher Street Day, ist offiziell eine politische Demonstration. Aber natürlich ist er auch eine schrille Party. Wie wichtig ist der CSD in unseren vermeintlich so toleranten Zeiten noch? Darüber sprach das Abendblatt mit den beiden homosexuellen Bürgerschaftsabgeordneten Philipp-Sebastian Kühn (SPD) und Robert Bläsing (FDP).
Hamburger Abendblatt: Ist die Teilnahme an der CSD-Parade Pflicht oder Vergnügen?
Philipp-Sebastian Kühn: Vergnügen. Pflicht natürlich auch, weil er ja nach wie vor eine politische Veranstaltung ist. Aber in jedem Fall Vergnügen. Eine Mischung aus beidem. Es ist politische Pflicht, einmal im Jahr Flagge zu zeigen, aber es ist in gewisser Weise auch Vergnügen. Man trifft viele Leute, kann sich austauschen. Die ganze Community trifft sich auf vielen Veranstaltungen und die Parade ist dann das Highlight im Jahr.
Kann man sich da tatsächlich auch austauschen oder ist die Parade nicht zu einem Event verkommen wie etwa der Schlagermove?
Kühn: Es gibt nach wie vor einen wichtigen Block mit politischen Diskussionen auf der Bühne. Da geht es auch darum aufzuzeigen, dass es mit der Gleichstellung immer noch nicht so weit ist. Das funktioniert auf den Paraden.
Wo gibt es denn Nachholbedarf bei der Gleichstellung?
Kühn: Wenn wir zum Beispiel die Niederlande oder England nehmen, dann sind die im Vergleich zu Deutschland sehr viel weiter, was etwa das Thema Ehe angeht. Hier heißt es noch eingetragene Partnerschaft. Bei der Steuererklärung muss man sich zwangsouten, weil man ankreuzen muss, man sei verpartnert und nicht verheiratet. Da könnte Deutschland aus meiner Sicht weiter sein. Stattdessen hinken wir hinterher. Ich denke, dass es gut ist, dass man mit dem CSD das Thema Gleichstellung einmal im Jahr in das öffentliche Bewusstsein bringt. Neben der Öffnung der Ehe geht es auch um das Adoptionsrecht oder auch um die Urteile, die nach dem Paragraf 175 gefällt wurden, wonach Homosexualität strafbar war, die nicht aufgehoben wurden. Deutschland hat da einen Ballast, der historisch nicht aufgearbeitet wurde. Im vergangenen Jahr war Hamburg immerhin das erste Bundesland, dass das getan hat. Es gab eine Ausstellung dazu. Der Polizeipräsident hat die Eröffnungsrede gehalten.
Noch mal zurück zur Parade: Es heißt aus Teilen der Community, die sich nicht als schrill und laut ansehen, dass der Umzug die Vorurteile gegenüber Schwulen und Lesben noch befördert.
Kühn: Schwules Leben ist immer als schrill wahrgenommen worden. Deswegen finde ich es auch völlig okay, wenn das auf der Parade auch persifliert wird. Man nimmt sich nicht so ernst und spielt mit Klischees. Das finde ich gut und richtig. Und es ist auch nicht falsch, das Anderssein auf so einer Parade zu verbildlichen. Es ist zu großen Teilen auch Selbstironie. Viele, die sich auf dem CSD etwas schriller anziehen, die laufen den Rest des Jahres völlig normal rum. Einige Klischees nerven mich auch schon mal, aber dennoch hat die Parade ihre Berechtigung. Wenn es eine mausgraue Veranstaltung wäre, würde niemand Notiz vom CSD nehmen. Darüber hinaus ist die Veranstaltung ja auch ein Standortfaktor für die Stadt geworden. Es kommen viele Besucher aus ganz Deutschland und aus dem Ausland nach Hamburg.
Es gibt dennoch Schwule, die sagen, sie ziehen sich keine Frauenkleider an, sie sind das nicht und sehen sich auf der Parade auch nicht vertreten.
Kühn: Eines passiert mit dem CSD ja auf jeden Fall: Dass sich die Hamburger mit dem Thema beschäftigen. Aber es gibt ja sehr viel mehr. Wir haben in Hamburg etwa das größte schwul-lesbische Filmfestival Europas. Und das findet seit 30 Jahren hier statt. Es gibt also auch jenseits des etwas Karnevalistischen Veranstaltungen. Die Parade ist einfach ein wichtiges Symbol, um auf uns aufmerksam zu machen. Und das funktioniert nach wie vor. Der CSD treibt die Entwicklung voran und in seinem Windschatten passiert sehr viel, da finden viele Veranstaltungen statt. Deshalb darf man den CSD nicht nur auf seine Parade reduzieren.
Wie sieht es in der Hamburger Politik aus? Bedarf es weiterer Stellschrauben in Sachen Homosexualität?
Bläsing: Es muss ein Klima geschaffen werden, in dem es einfach ist, zu seiner Sexualität zu stehen. Da sind wir in den vergangenen Jahren auch vorangekommen. Aber wenn man sich etwa in sozialen Netzwerken einige Kommentare anschaut, dann sieht man, dass es eine große verdeckte Homophobie gibt. Auf jeden Fall bedarf es Veränderungen. Es findet im Alltag nach wie vor Diskriminierung statt. Viele HIV-Positive werden immer älter und die werden pflegebedürftig. Und es gibt das Phänomen, dass sie von Pflegeheimen abgelehnt werden. Auch wenn ich nicht der Fachsprecher meiner Fraktion für das Thema bin, sondern für Haushalt und Europa, sehe ich mich doch in der Verpflichtung, mich dazu zu äußern. Man muss nicht im Fummel rumlaufen, aber sich engagieren. Das machen einige prominente Vertreter der CDU zum Beispiel nicht. Da ist der Umgang eher ein verdruckster. Es ist auch wichtig, Kontinuität in dieses Thema zu bringen. Jede neue Politiker-Generation muss sagen: Es gibt uns, wir sind da, unsere Belange sind wichtig.
Die FDP setzt sich in einem Antrag für eine Bundesratsinitiative dafür ein, dass das Verbot für Schwule, Blut zu spenden, abgeschafft wird. Grund für diese geltende Vorschrift ist, dass homosexuelle Männer ein deutlich höheres Risiko hätten, sich mit HIV zu infizieren. Wird die SPD diesen Antrag in der Bürgerschaft unterstützen?
Kühn: Ich denke schon, dass wir das unterstützen werden. Andere Länder zeigen, dass es geht. Man muss aber auch wissen, dass es viele Ängste gibt. Und diese Ängste muss man mit Argumenten und Aufklärung entkräften. Man muss dabei sehen, wo das herkommt. Heutzutage gibt es sehr viel bessere und schnellere Tests als etwa in den 80er- und 90er-Jahren. Hinzu kommt, dass die Gefahr nur auf Schwule reduziert wird. Das ist insofern auch eine manifestierte Diskriminierung. Dass das Thema jetzt angegangen wird, ist ein gutes Anliegen. Nur weil man schwul ist, wechselt man nicht ständig die Partner. Und machen wir uns nichts vor, es gibt viele Schwule, die spenden regelmäßig Blut und die lügen dann einfach. Es muss doch nicht sein, dass man Menschen dazu zwingt, die Unwahrheit zu sagen.