Firma Kiteworldwide im Portugiesenviertel ist zum Marktführer für organisierte Kitesurfreisen aufgestiegen. Die Mitarbeiter leben ihren Traum vom Urlaub: Sie können auch von Kapstadt aus arbeiten.
Hamburg. Jürgen Sievers und York Neumann arbeiten dort, wo andere Leute Urlaub machen. Wahlweise nach Montenegro, an einen 14 Kilometer langen Sandstrand, oder nach Kapstadt, mit Blick auf den Tafelberg, können sie ihr Büro verlegen, ganz nach Lust und Laune. „Wir haben in Hamburg, aber auch an diesen beiden schönen Orten alle Voraussetzungen zum Arbeiten geschaffen, mit Räumen, Telefonanschluss, Internet, usw.“, sagt Jürgen Sievers. Regelmäßig machen auch die Mitarbeiter davon Gebrauch, setzen sich ins Flugzeug und sehen die Hansestadt bald unter den Wolken verschwinden. „So können wir hier der Winterdepression entkommen“, sagt Sievers.
Sonne, Strand und Wellen sind für die beiden Unternehmer aber nicht nur die angenehmen Begleiterscheinungen ihrer Arbeit. Urlaubsfeeling ist für sie kein Luxus, sondern geradezu die Voraussetzung für ihr Geschäft. Die beiden jungen Männer haben vor einigen Jahren in der Hansestadt den Reiseveranstalter Kiteworldwide gegründet. Inzwischen sind sie deutscher Marktführer für Kitesurf-Urlaube. Sie kundschaften rund um den Erdball immer neue Hotspots aus, finden die besten Strände und den besten Wind. Ob am Rande der Sahara oder auf Rügen. Die Kunden wissen das zu schätzen. Mit den Sportreisen erlöst Kiteworldwide inzwischen mehrere Millionen Euro, beschäftigt rund 100 Mitarbeiter, darunter mehrere Weltmeister in dem Wassersport, und wirtschaftet dabei auch noch erfolgreicher als so manches andere Start-up: Die Firma schreibt seit der Gründung vor fünf Jahren durchweg schwarze Zahlen.
Die Kunden seien im Schnitt 33 Jahre alt, oft reisten allein lebende Frauen mit, und besonders häufig übten die Wassersportliebhaber anspruchsvolle Berufe wie Pilot, Anwalt oder Arzt aus, sagt Sievers. Zwar profitieren die Inhaber, die auch miteinander befreundet sind, vom wachsenden Markt. Jahr für Jahr werden mehr Kite-Schirme und Boards verkauft. 2013 betrug das Plus beim Verkauf der Ausrüstung drei Prozent. Wegen des im Vergleich zum Windsurfen handlichen Materials, das nicht extra aufs Autodach gepackt werden muss, und der schnell zu lernenden Technik gewinnt der Sport immer mehr Anhänger. Allerdings schwimmen die Hamburger hier nicht nur mit, sie bauen das Geschäft auch aktiv aus.
Beispiel Montenegro: Kiteworldwide hat in dem kleinen osteuropäischen Land ein Revier gefunden, das nur zwei Flugstunden entfernt ist, dazu eine hohe Windsicherheit und in der Nähe des Strands einen Ort mit romantischen Gassen für den abendlichen Bummel bietet. Hier hat der Veranstalter ein Hotel gepachtet, eine eigene Surfschule etabliert und kann damit eine selber entwickelte Destination anbieten, mit einem besonderen i-Tüpfelchen: Der Koch, der den müden Surfern das Dinner zubereitet, hat früher als Küchenchef die Gäste des Luxusseglers „Seacloud“ verwöhnt. Selbst der Tourismusminister Montenegros ist schon bei Jürgen Sievers und York Neumann vorstellig geworden, um die weitere Entwicklung seines Landes als Reiseziel für die deutsche Kundschaft auszuloten.
Eine ähnliche Pionierarbeit haben die Unternehmer auch in der Westsahara und in Kenia geleistet. An der Grenze zu Tansania haben die Gründer, abgelegen von den bekannten Reisezielen, ebenfalls eine eigene Lodge und eine Kitesurf-Schule aufgebaut. Das ganze Dorf ist in das Projekt eingebunden, sagt York Neumann stolz. „Die Bauern liefern uns frische Tomaten, die Fischer Meeresfrüchte für das gemeinsame Abendessen“, beschreibt der 35-Jährige die Verbundenheit mit den Einheimischen. Im Gegenzug hätte schon so mancher Gast eine Schule oder ein Krankenhaus im Busch unterstützt.
Die Kitesurfer vertrauen den Tipps des Veranstalters inzwischen blind. Sie suchen im Internet regelmäßig nach den neuesten Geheimspots und haben die Facebook-Seite der Firma damit zu einem der erfolgreichsten Auftritte in dem sozialen Netzwerk aufsteigen lassen. Auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat das Büro am Rande des Portugiesenviertels bereits beehrt, um die Vorbildfunktion von Kiteworldwide in Sachen Social-Media-Marketing zu würdigen. „Wir kommen auf mehr als 100.000 Fans bei Facebook“, sagt York Neumann über die Bekanntheit der Firma im Netz.
Zwar ist Kiteworldwide in der Szene bereits beliebter als andere Reiseanbieter, wie etwa Surf&Action aus München, hat eine Umfrage eines Fachmagazins jüngst ergeben. Dennoch ruhen sich die Hamburger nicht auf ihren Erfolgen aus. „Wir wollen auch in anderen Ländern Kunden gewinnen“, sagt Jürgen Sievers, der sich bereits seit den Kitesurf-Anfängen vor gut zehn Jahren in den Wellen tummelt. Zunächst steht Italien auf dem Strategiepapier, später sollen Skandinavien und womöglich Großbritannien folgen. „Unser Geschäftsmodell lässt sich gut multiplizieren“, sagt York Neumann, zugleich spielten aber auch regionale Eigenheiten des Marktes eine Rolle.
Bisher ist Deutschland weltweit der wichtigste Markt für Kitesurf-Urlaub. „Hier gibt es bereits viele aktive Sportler, aber auch etliche Neulinge“, sagt Neumann. Außerdem verdienen die Deutschen ja bekanntlich den Titel der Reiseweltmeister. Ihr Fernweh können die Kunden bei Kiteworldwide jedenfalls problemlos stillen: Mit dem Veranstalter können sie nicht nur nach Kapstadt oder Kenia fliegen, sondern auch Strände auf den Kapverden, in Marokko, Brasilien oder Sansibar entlangsausen. Übrigens ist das Kitesurfen an diesen Traumzielen auch für die Beschäftigten des Unternehmens nicht nur Hobby, sondern Pflicht, sagt Sievers. „Jeder, der bei uns in der Firma anfängt und möglicherweise noch nicht surft, bekommt als Erstes einen Kurs geschenkt.“