Schon Monate vor dem gewaltsamen Tod der kleinen Yagmur aus Hamburg hatte Rechtsmediziner Klaus Püschel Strafanzeige gestellt. Vor Gericht soll er am Montag die Hintergründe erläutern. Yagmurs Mutter soll die Dreijährige zu Tode misshandelt haben.
Hamburg. Im Prozess gegen die Eltern der getöteten Yagmur aus Hamburg soll am Montag der Rechtsmediziner Klaus Püschel aussagen. Er hatte schon knapp ein Jahr vor dem gewaltsamen Tod der Dreijährigen Anzeige gegen unbekannt erstattet – weil das Mädchen mit zahlreichen gravierenden Verletzungen im Krankenhaus behandelt werden musste. Das Kind hatte schwere Kopfverletzungen, eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse und viele Blutergüsse.
Yagmurs Mutter steht wegen Mordes vor dem Landgericht, sie soll ihre Tochter aus Hass zu Tode misshandelt haben. Der Vater muss sich verantworten, weil er das Mädchen nicht geschützt haben soll. Die Eltern haben sich in früheren Vernehmungen gegenseitig beschuldigt. Vor Gericht schweigen sie bisher, bis auf einen Gefühlsausbruch am vergangenen Montag. Als das Gericht Handyvideos des fröhlich spielenden Mädchens zeigte, verlor der Vater die Beherrschung und rief der Mutter auf Türkisch zu: „Du hast sie umgebracht, warum weinst Du?“ Beide Eltern sitzen in Untersuchungshaft. Yagmur war seit ihrer Geburt von Jugendämtern betreut worden, die wegen Versäumnissen in der Kritik stehen.
Ermittlungen wurden vor Yagmurs Tod eingestellt
Püschel hatte bereits im April vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft erklärt, dass das Kind seiner Einschätzung nach misshandelt wurde und in höchster Lebensgefahr schwebte. Seine Sorge um das Leben des Mädchens sei aber anscheinend nicht richtig zu Staatsanwaltschaft und Jugendämtern durchgedrungen. Im Nachhinein betrachtet sei die Anzeige möglicherweise auch zu kühl formuliert gewesen. Die Staatsanwaltschaft hatte nach der Strafanzeige zwar ermittelt, das Verfahren gegen Eltern und Pflegemutter jedoch gut einen Monat vor dem Tod des Mädchens eingestellt.
Vor dem Landgericht hatte am vergangenen Mittwoch bereits eine Rechtsmedizinerin über schwere Misshandlungsspuren an dem Kind berichtet. Sie habe bei dem Mädchen am 31. Januar 2013 – fast ein Jahr vor Yagmurs Tod – eine schwere Schädel- und Bauchverletzung sowie zahlreiche blaue Flecken am ganzen Körper entdeckt. Ein Kinderarzt hatte die Rechtsmedizinerin hinzugezogen, weil er Misshandlung als Ursache für die Verletzungen befürchtet hatte.
Die Odysee der kleinen Yagmur
Yagmur war kurz vor Weihnachten, am 18. Dezember 2013, in der Wohnung ihrer Eltern an inneren Blutungen in Folge eines Leberrisses gestorben. Sie war schon kurz nach ihrer Geburt zu einer Pflegemutter gekommen. Immer wieder gab es aber auch Begegnungen mit den leiblichen Eltern – sie hatten das Sorgerecht. Nach Püschels Anzeige wurde das Mädchen vorübergehend in einem Kinderschutzhaus untergebracht.