Behrendt verlässt nach zwölf Jahren den Chefsessel von Hamburgs Traditionsreederei Hapag-Lloyd. Ein Gespräch über private Pläne, die Branchenkrise und seine Freundschaft zu Klaus-Michael Kühne.
Hamburg. Seit mehr als einer Dekade steht Michael Behrendt an der Spitze der wichtigsten deutschen Reederei Hapag-Lloyd. Zum Monatsende übergibt er das Amt an seinen Nachfolger, den Niederländer Rolf Habben Jansen. Behrendt wechselt dann in den Aufsichtsrat des Unternehmens und übernimmt dessen Vorsitz. Zusammen mit Behrendt geht auch der langjährige Schifffahrtsvorstand von Hapag-Lloyd, Ulrich Kranich, in den Ruhestand. Am heutigen Abend feiern sie mit mehr als 400 Gästen im Hotel Atlantic ihren Abschied. Im Interview mit dem Abendblatt spricht Behrendt über Höhen und Tiefen seiner Amtszeit und erläutert seine Zukunftspläne.
Hamburger Abendblatt: Was macht Michael Behrendt am Dienstag, den 1. Juli, um 9.00 Uhr morgens?
Michael Behrendt (lacht): Sie werden es nicht glauben, aber da habe ich tatsächlich einen Termin: beim Friseur.
Und wie geht der erste Tag als Teilrentner dann weiter?
Behrendt: Ich nehme an, dass ich schon noch das eine oder andere erledigen muss, was in Zusammenhang mit meinem Abschied steht.
Etwa vollgepackte Umzugskartons von ihrem Büro in die Tiefgarage schleppen?
Behrendt: Das eher nicht, denn ich ziehe ja nur innerhalb der Zentrale in mein neues Büro, das ich demnächst als Aufsichtsratschef nutzen werde.
Kürzer treten werden Sie aber schon?
Behrendt: Sicherlich. Ich freue mich darauf, dass ein stets voller Terminkalender nicht länger meinen Tagesablauf bestimmen wird. Aber auf die faule Haut lege ich mich nicht. Neben meiner Aufsichtsratsarbeit werde ich noch für Stiftungen, als Berater und in anderen Ehrenämtern tätig sein.
Michael Behrendt ohne Arbeit ...
Behrendt: ... kann ich mir nicht vorstellen.
Gibt es denn nicht einen besonderen Traum, den Sie sich erfüllen wollen? Zum Beispiel in ein fernes Land reisen?
Behrendt: In ferne Länder bin ich als Hapag-Lloyd-Chef mehr als genug gereist. (Er denkt nach) Da reizt mich jetzt eher die norddeutsche Küste. So kann ich mir gut vorstellen, dass ich demnächst meinen Lebensmittelpunkt für zwei Monate an die Nordsee verlegen werde, aber selbstverständlich nicht ganz ohne die eine oder andere Akte mitzunehmen.
Was für ein Zeugnis würden Sie sich selbst für Ihre zwölf Jahre an der Spitze von Hapag-Lloyd ausstellen?
Behrendt: Nur so viel: Ich habe mein Bestes gegeben. Die Beurteilung überlasse ich anderen.
Sie treten mit 63 Jahren als Vorstandschef ab. Warum so früh? Bundesweit gilt doch die Rente mit 67.
Behrendt: Sie werden es kaum glauben, aber ich habe auf meinem Schreibtisch tatsächlich einen Rentenantrag liegen, könnte also die von Frau Nahles durchgesetzte Rente mit 63 in Anspruch nehmen. Aber ich hatte mir schon vor längerer Zeit vorgenommen, spätestens mit 63 Jahren aufzuhören. Es gibt auch ein Leben danach mit weniger Arbeit.
In den Büchern von Hapag-Lloyd stehen für das erste Quartal des laufenden Jahres 119 Millionen Euro Verlust und ein Rückgang des Umsatzes auf 1,55 Milliarden Euro. Gute Zahlen zum Abschied sehen anders aus.
Behrendt: Das erste Quartal ist in der Schifffahrt stets das schwächste. In diesen aktuellen Zahlen stecken zudem schon Einmalbelastungen für die Übernahme des Containergeschäftes der chilenischen Reederei CSAV. Natürlich ist das Ergebnis völlig unbefriedigend. Zwar stehen wir im Vergleich zur Konkurrenz noch ganz gut da. Aber die Schifffahrtskrise mit niedrigen Frachtraten und gestiegenen Brennstoffpreisen wirkt sich dramatisch auf unser Ergebnis aus. Hier wirken allerdings Kräfte von außen, die wir als einzelne Reederei kaum beeinflussen können.
Wann ist diese gefühlte Dauerschifffahrtskrise denn endlich vorbei?
Behrendt: Es stimmt mich zuversichtlich, dass es offensichtlich keine größeren Neubestellungen von Containerschiffen mehr gibt. Die Kapazitäten dürften also nicht mehr stark steigen, der Preiskampf bei den Frachtraten könnte ein Ende finden. Spätestens in eineinhalb Jahren sollte die Branche auf den Weg der Vernunft zurückgekehrt sein.
Kurz vor Ende Ihrer Amtszeit haben Sie noch die Fusion mit dem chilenischen Konkurrenten Compañía Sud Americana de Vapores (CSAV) eingefädelt. Ein notwendiger Schritt?
Behrendt: Auf jeden Fall. Denn Größe ist mittlerweile in der Schifffahrt eine entscheidende Voraussetzung für Erfolg. Der Zusammenschluss mit CSAV spart uns alleine pro Jahr 300 Millionen Dollar. Diese Synergien sind für ein profitables Wachstum notwendig.
300 Millionen Dollar Kostenreduzierung, das bedeutet natürlich auch Personaleinsparungen. Allein in Hamburg bangen knapp 200 CSAV-Beschäftigte um ihre Jobs. Was sagen Sie denen? Können Sie eine Beschäftigungsgarantie aussprechen?
Behrendt: Über die Integration des Containergeschäfts von CSAV dürfen wir nicht sprechen, solange die Kartellämter dem Zusammenschluss nicht zugestimmt haben. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass Personalkosten in der Schifffahrt bei Weitem nicht der wichtigste Faktor sind. Unsere Personalkosten sind im Vergleich zum Umsatz sehr gering. Wir suchen derzeit sogar Mitarbeiter. Und es ist nicht gerade einfach, gute Schifffahrtskaufleute zu finden.
Ihre erste Wahl für eine Fusion war Hamburg Süd. Der Zusammenschluss ist gescheitert. Halten sie einen erneuten Versuch für denkbar?
Behrendt: Denkbar ist selbstverständlich vieles. Aber ich bezweifle, dass das eine Priorität in der Strategie von Hapag-Lloyd haben wird.
Wieso? Sie wollen doch weiterwachsen.
Behrendt: Ja, aber Vorstand und Aufsichtsrat werden sich genau überlegen, wo und mit wem. Ich könnte mir vorstellen, dass es andere Fahrtgebiete gibt, die Vorrang haben werden.
Welche?
Behrendt: Hapag-Lloyd hat durchaus aus Asien heraus in den transpazifischen Raum Nachholbedarf.
Wie lautet der wichtigste Ratschlag an Ihren Nachfolger?
Behrendt: Ich würde keinen Ratschlag erteilen, sondern verweise auf die Stärken von Hapag-Lloyd. Die bestehen darin, dass sich das Unternehmen in den 167 Jahren seiner Geschichte stets flexibel den Gegebenheiten angepasst hat. Hapag-Lloyd ist traditionell modern. Wir haben immer versucht, noch besser zu werden – nur mit dieser Einstellung kann man sich bei den permanent ändernden Rahmenbedingungen in der Schifffahrt behaupten und schneller reagieren als die Mitbewerber.
Die Stadt ist mit mehr als einer Milliarde Euro an Hapag-Lloyd beteiligt. Dividende gab es noch keine. Wann ist es denn endlich so weit?
Behrendt: Die Stadt, die Kühne Maritime und die weiteren Investoren sowie das Unternehmen selbst haben mit großen Anstrengungen verhindert, dass Hapag-Lloyd verkauft und zerlegt wird. Da ist es mehr als ärgerlich, dass sich das Unternehmen im Moment nicht mit einer Dividende dafür bedanken kann. Aber als die Stadt und die anderen Investoren bei uns eingestiegen sind, konnte niemand voraussehen, dass die Branche in so eine lange anhaltende Phase der Flaute fährt. Wir haben vorher bis zur Finanz- und Wirtschaftskrise immer Dividenden zahlen können. Und deshalb muss es unser wichtigstes Ziel sein, so bald wie möglich wieder auszuschütten. Allerdings müssen sich dafür die Rahmenbedingungen ändern. Wobei ich aber eines hervorheben möchte: Der Wert des Unternehmens hat sich für die Eigentümer nicht verringert, sondern wird sich durch die Übernahme der Containerschifffahrt von CSAV erheblich erhöhen.
Wann rechnen Sie mit dem Börsengang von Hapag-Lloyd?
Behrendt: Es ist unter den Gesellschaftern verabredet, dass der Börsengang innerhalb eines Jahres nach dem Closing stattfinden soll.
Das wäre ja noch mitten in der Schifffahrtskrise.
Behrendt: Nein, nicht mittendrin. Die läuft dann hoffentlich aus. Ich denke, Ende 2015 könnte ein idealer Zeitpunkt für den Börsengang sein.
Der Börsengang ist schon mehrfach angepeilt worden, ohne dass er dann wirklich kam.
Behrendt: Es hat zwei ernsthafte Versuche gegeben. Und der zweite 2011 wäre ein furioses Börsendebüt geworden, wenn nicht die atomare Katastrophe von Fukushima geschehen wäre.
Das Hamburger Konsortium hat Hapag-Lloyd im Jahr 2008 vor einer Übernahme durch einen Konkurrenten aus Singapur bewahrt. Gäbe es das Unternehmen heute noch, hätten Hamburger Kaufleute und die Stadt das Bündnis nicht geschmiedet?
Behrendt: Nein! Hapag-Lloyd gäbe es dann nur noch in den Geschichtsbüchern, aber nicht mehr als Unternehmen. Zudem hätte der Hamburger Hafen viel Ladung verloren. Ein Gutachten hat gezeigt, dass mindestens 20.000 Arbeitsplätze in Hamburg von Hapag-Lloyd abhängen.
Wie ist ihr Verhältnis zum Miteigentümer Klaus-Michael Kühne?
Behrendt: In unsere Beziehung wird immer so viel hineininterpretiert. Es ist ein gutes geschäftliches Verhältnis, das auf einer persönlichen Freundschaft basiert. Natürlich haben wir mal unterschiedliche Meinungen zu einer Frage. Am Ende können wir uns aber immer auf einen gemeinsamen Weg einigen. In Deutschland wird ein Dissens immer gleich zu einem persönlichen Drama aufgebauscht. In anderen Ländern ist eine vernünftige Streitkultur dagegen völlig normal.
Duzen Sie sich mit Herrn Kühne?
Behrendt: Ja.
Sie haben an der Spitze von Hapag-Lloyd – vor allem in den vergangenen Jahren – extrem auf die Kosten schauen müssen. Sind Sie privat auch so kostenbewusst?
Behrendt: Bisher nicht. (Er lacht) Aber das wird sich ändern.