Weil er seine Schwiegermutter attackiert und eine Zigarette auf seinen eigenen kleinen Sohn geschnippt haben soll, muss sich ein 32-Jähriger vor Gericht verantworten.
Neustadt . Die düstere Stimmung ist geradezu greifbar. Diese abgewandten Gestalten, die starre Körperhaltung, die versteinerten Gesichter. Keine Frage, die beiden sind sich alles andere als grün. Verfeindete Nachbarinnen? Nebenbuhlerinnen? Nein, die zwei Frauen, die sich da im Gericht so lautstark anschweigen, sind Mutter und Tochter. Und so offensichtlich entfremdet, dass die Kluft zwischen ihnen einem gähnenden Abgrund gleicht. Der Partner der Tochter hat sie entzweit – für die Jüngere Ankerpunkt in ihrem Leben und für die Mutter ganz offensichtlich ein rotes Tuch.
Vor allem, seit Markus D. (Namen geändert) gewalttätig geworden sein soll, wie es ihm im Prozess vor dem Amtsgericht vorgeworfen wird. Laut Anklage haben sich die Aggressionen des 32-Jährigen innerhalb weniger Augenblicke gleich gegen zwei ihm nahestehende Menschen gerichtet, einer davon sein eigener ein Jahr alter Sohn. Er habe im Oktober vergangenen Jahres eine brennende Zigarette „in Richtung des Kleinkindes“ geschnippt, das von seiner Freundin im Arm gehalten wurde, wirft die Staatsanwaltschaft dem Hamburger vor. Anschließend habe er die Mutter seiner Partnerin in den Schwitzkasten genommen und ihr zudem ein Büschel Haare ausgerissen.
Doch was auch immer vorgefallen sein mag, für den Angeklagten verschwimmen die damaligen Ereignisse in einem Nebel aus Alkohol. „Ich erinnere kaum etwas“, meint der blonde schmale Mann, dessen Blässe von einem Bartschatten noch verstärkt wird. Im Gedächtnis haften geblieben sei ihm „lediglich ein Streit“. Aus Erzählungen glaube er zudem, dass er die Mutter seiner Lebensgefährtin „wohl an den Haaren festgehalten habe“. Nach Schilderung des Angeklagten hat sich die Frau dann so ruckartig bewegt, dass sie es selber war, die sich damit ein Büschel ausriss.
Ob es die Angriffe gegen ihren kleinen Sohn und ihre Mutter tatsächlich gegeben hat, müsste Jasmin T. genau wissen. Doch die zierliche Lebensgefährtin von Markus D. hüllt sich vor Gericht in Schweigen. „Wir sind verlobt“, gibt die Zeugin an. Man wolle „irgendwann heiraten, wenn Geld da ist“, versetzt die 21-Jährige ungeduldig auf Nachfrage des Richters. Wegen des Eheversprechens steht ihr ein Aussageverweigerungsrecht zu. Sichtlich erleichtert huscht die junge Mutter aus dem Saal.
Ihre Mutter hat es schon geahnt. „Bestimmt hat sie wieder gesagt, dass sie verlobt sind“, schimpft Elsa T. und verzieht verächtlich den Mund. „Pah, das sind sie aber nicht! Gucken Sie mal auf Facebook“, fordert die 57-Jährige den Amtsrichter auf. „Da schreibt er selber, dass er nicht verlobt ist! Er verarscht sie von vorn bis hinten“, macht die Zeugin ihrem Ärger über den Lebensgefährten ihrer Tochter Luft.
Und auch sonst malt die Frau die Beziehung der beiden in den düstersten Farben. Es habe an jenem Abend, als sie ihren Enkel besuchen wollte, „wieder mal Streit gegeben. Aber das kennen wir eigentlich nicht anders“, erzählt die Zeugin aufgebracht. „Zwischen dem Mann und meiner Tochter ist fast jedes Wochenende Stress.“ Konkret habe er eine glühende Zigarettenkippe „in Richtung meines Enkels geschnippt. Aber eigentlich wollte er meine Tochter treffen. Die hat die Kippe knapp abgewehrt.“ Dann habe er plötzlich seine Partnerin im Schwitzkasten gehalten. „Und schließlich packte er mich und riss er mir auch noch Haare aus. Ein ganzes Büschel war das. Ich sagte: So was macht ein Mädchen, aber kein Mann. Und dass er mich loslassen soll!“ Markus D. sei auch schuld, dass sie nun keinen Kontakt mehr zu Tochter und Enkelkind habe, grollt sie. „Sie meiden mich, weil er das so will.“
Ohne jede sichtbare Regung lässt der Angeklagte diese Schimpftirade an sich abprallen. Als wäre sie Luft, blickt Markus D. durch die Mutter seiner Partnerin hindurch, als die 57-Jährige im Zuhörerraum des Gerichtssaals Platz nimmt. Auch ihre Tochter möchte dabei sein, aber in wohl gewähltem Abstand zur Mutter, in frostigem Schweigen und ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Die Mutter sieht ebenfalls stur geradeaus; versteinerte Mienen bei allen dreien.
Daran ändert sich auch nichts, als der Amtsrichter sein Urteil verkündet: Eine Geldstrafe von 480 Euro wegen Körperverletzung verhängt er gegen den arbeitslosen Angeklagten. Erst ein gut gemeinter Rat bringt Bewegung in die starren Gesichter. Er hoffe, so der Richter, dass der Angeklagte seine „Familienverhältnisse in Ordnung“ bringe, denn für ein kleines Kind sei es doch schön, wenn es auch Kontakt zu Oma hat. „Nein, niemals“, entfährt es da der 21-Jährigen, das Gesicht eine Maske des Zorns. Ihre Mutter erhebt sich langsam, wie betäubt. Dann strafft sie sich, reckt das Kinn hoch und geht von dannen.
Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall