Die Befürworter des schnelleren Wegs zum Abitur (G8) wollen Druck und Stress für die Kinder vermeiden, die den Anforderungen des Gymnasiums nicht gerecht werden. Katalog von Empfehlungen vorgelegt.
Hamburg. Sie wollen die Rückkehr zu G9 am Gymnasium verhindern, aber sie sehen durchaus Bedarf zur Qualitätsverbesserung an den bestehenden Gymnasien wie auch an den Stadtteilschulen: Jetzt haben die Mitglieder der G8-Gruppe, die sich gegen die Verlängerung der Schulzeit am Gymnasium gegründet hat, einen umfangreichen Katalog von Empfehlungen für beide Schulformen vorgelegt.
„Es läuft ja bei Weitem nicht alles rund an den Schulen. Es gibt in etlichen Punkten Verbesserungsbedarf“, sagt Heike Heinemann, eine der Sprecherinnen der G8-Gruppe. „Wir wollen eine inhaltliche, parteiübergreifende Diskussion anstoßen, um etwas für die Schulen zu erreichen.“ Die Vorschläge, ausdrücklich keine Forderungen, seien das Ergebnis ausführlicher Beratungen innerhalb der G8-Gruppe.
Doch einige der Ideen haben es in sich: So empfiehlt die Gruppe, „Aufnahmekriterien für das Gymnasium“ einzuführen, und „ggf. die Streichung des Abschulens nach Klasse 6“. Das bedeutet eine gewisse Einschränkung des gültigen Elternwahlrechts, das eine freie Entscheidung von Vätern und Müttern über die weiterführende Schule am Ende von Klasse 4 vorsieht. „Der derzeitige Run auf die Gymnasien und die hohe Zahl von Abschulungen am Ende der sechsten Klasse sind jedenfalls nicht die Lösung“, betont Heinemann.
Für das kommende Schuljahr wurden 55 Prozent der Viertklässler für ein Gymnasium angemeldet – ein Rekordwert. Zugleich müssen mehrere Hundert Schüler diese Schulform Jahr für Jahr am Ende der sechsten Klasse wegen nicht ausreichender Leistungen verlassen und auf eine Stadtteilschule wechseln. „Damit tut man den Kindern keinen Gefallen“, sagt Heinemann.
Die G8-Gruppe wolle das Nachdenken darüber anregen, wie das „gehäufte Abschulen nach Klasse 6 und damit auch der Druck und Stress, der für die Kinder entsteht, die den Anforderungen am Gymnasium nicht gerecht werden, vermieden werden kann“. Grundsätzlich gibt es zwei Wege, den Zugang zum Gymnasium zu beschränken: entweder über eine Aufnahmeprüfung oder eine Notenschwelle. Die G8-Gruppe sieht es auch als denkbar an, der Gymnasialempfehlung der Grundschule stärkeres Gewicht zu verleihen.
Die G8-Gruppe hält außerdem eine durchgängige Durchlässigkeit zwischen Gymnasium und Stadtteilschule für sinnvoll. Derzeit ist ein Wechsel in den Klassen 7 bis 10 praktisch unmöglich, weil das Sitzenbleiben in diesen Stufen abgeschafft ist. Die G8-Befürworter schlagen in diesem Zusammenhang vor, die Bildungspläne beider Schulformen stärker aufeinander abzustimmen, um den Wechsel zu erleichtern.
Die G8-Gruppe regt außerdem an, lange Schultage in der Mittelstufe des Gymnasiums zu vermeiden. Die Obergrenze solle montags bis donnerstags bei sieben Stunden und freitags bei sechs Stunden liegen. Nach Auffassung der G9-Gegner solle darüber nachgedacht werden, dass in das Versetzungszeugnis der Klassen 5, 7 und 8 auch die Leistungen des ersten Halbjahres einfließen. „Manche Schüler strengen sich im ersten Halbjahr nicht richtig an, weil sie wissen, dass es nur auf das zweite ankommt“, sagt Heinemann. Zur besseren Vorbereitung auf die Oberstufe sollten die Profile und Kernfächer schon in Klasse 10 eingeführt und die Zeugnisse dieses Jahrgangs bereits das 15-Punkte-System der Oberstufe enthalten.
Für die Stadtteilschulen empfehlen die G8-Befürworter, dass nicht mehr als zwei Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Klasse sitzen sollten (derzeit maximal vier). Die Gruppe hält die einheitliche Zuweisung von Förderstunden für Kinder mit Defiziten in den Bereiche Lernen, Sprache und emotionale Entwicklung unabhängig von den Fallzahlen („systemische Ressource“) für richtig. Allerdings regen die Aktivisten an, die Förderung nicht mehr nach der sozialen Belastung des Schulstandortes zu gewichten.
Bei Kindern mit geistigen oder körperlichen Behinderungen solle die individuelle Förderung im Rahmen der Inklusion von 7,7 auf zehn Stunden pro Woche erhöht werden. Für beide Schulformen hält die G8-Gruppe die Einführung eines externen Qualitätsmanagements für sinnvoll. Zu Beginn jedes Halbjahres sollten verbindliche Klausurenpläne vorgelegt werden. Verbindliche Nachhilfe in der Schule („Fördern statt Wiederholen“) sollte bereits dann gewährt werden, wenn die Leistungen in einem Fach nicht ausreichend sind.
Dass die Umsetzung der Vorschläge Geld kostet, weiß die Gruppe. „Aber das ist immer noch günstiger als der Umbau der Schulen, der nötig ist, wenn G9 kommt“, sagt Heike Heinemann.