Hohe Mieten, teures Eigentum, Pendler im Dauerstau, Mängel bei der Bauqualität, nervige Nachbarn – das Wohnen in Hamburg und Umgebung ist ein Dauerbrenner-Thema. In einer fünfteiligen Serie befasst sich das Abendblatt deshalb mit der Frage: Wie wollen wir eben?
Unsere Ideen passgenau umgesetzt (von Christoph Rind)
Wir leben im Massenzeitalter. Alles kommt von der Stange. Klar, wer kann sich schon Maßgeschneidertes leisten? Und dann noch beim Hausbau? Ein Architektenhaus – das klingt exklusiv und viel zu teuer. Doch der Begriff ist irreführend. Denn auch Häuser „von der Stange“ oder Fertighäuser gehen auf Entwürfe von Architekten zurück. Diese Häuser werden aber nur einmal geplant, dann in Serie gebaut und unterscheiden sich meist nur in winzigen Details. Wollen wir wirklich, dass sich die Eintönigkeit unseres Lebens auch in allen Wohngebieten breitmacht?
Und dann ist da noch das wichtigste Argument für ein individuell geplantes Haus: Nur so können möglichst viele Wünsche und Vorstellungen schon im Grundriss berücksichtigt und Eigenarten des Grundstücks beachtet werden.
Wer denkt, das kann ich mir sowieso nicht leisten, sei beruhigt. Mit einem guten Durchschnittsgehalt und bei solider Finanzierung muss man (fast) immer mit 25 bis 30 Jahren rechnen, bis ein Haus nicht mehr der Bank, sondern dem Bauherrn gehört – egal ob es individuell geplant oder das Modell eines zigmal gebauten Exemplars ist.
Damit diese Rechnung aufgeht, verlangt ein Architektenhaus dem Bauherrn aber ein Mehr an Einsatz ab. Der Häuslebauer hat eben nicht nur einen Bauträger oder den Fertighaushersteller als Verhandlungspartner, sondern muss sich – neben dem Architekten – mit jedem Gewerk auseinandersetzen in Gestalt all der Handwerker, die vom Rohbau bis zum Innenausbau aus den Plänen erst ein Zuhause machen.
Architektenhaus ja oder nein war für uns keine Glaubensfrage. Bis dahin fühlten wir uns als siebenköpfige Familie im Reihenhaus mit ausgebautem Dachgeschoss leicht beengt, aber pudelwohl. Doch ein in der Nachbarschaft geerbtes Gartengrundstück mit altem Haus zwang uns zur Beantwortung der Fragen: Finden wir hier neues Glück? Wir meinten: ja. Ist das baufällige Haus umzubauen? Die Antwort gab der Architekt: Der Altbau ohne erhaltenswerte Substanz, marode, mit ausstehender Asbestsanierung und Holzbock im Dachstuhl muss abgerissen werden.
Die Vorgabe, auf der Fläche des alten Hauses neu zu planen, trieb uns wieder zum Architekten. Denn auf 20,5 mal 6,5 Metern wollten wir ein Haus, dessen Wohn- und Schlafräume sich zur Gartenseite im Süden hin ausrichten, nur die Nutzflächen wie Flure und Bäder zur Anwohnerstraße. So entstand unser Traumhaus, mit einer Art Längsschiff wie beim Grundriss einer Basilika und großzügigen Vordächern. Ein Haus, das es so nur einmal gibt. Das perfekt passt – zu uns und dem Grundstück.
Der Zeitrahmen wurde eingehalten. Nach dem ersten Spatenstich im Mai konnten wir vor dem ersten Advent einziehen. Doch diese sieben Monate hatten es in sich. Denn trotz Einsatzes eines Profi-Bauleiters war es nach unserer Erfahrung bitter nötig, mit dem kritischen Blick des Bauherrn die Baustelle regelmäßig zu beäugen, je nach Phase heißt das: fast täglich. Denn während wir das Wunschhaus wachsen sahen, schauten viele Handwerker nur nachlässig in die Baupläne und arbeiteten lieber nach der alten Formal „Pi mal Daumen“. Unglaublich, worauf man alles achten muss: auf den Einbau der Fallrohre (damit statt billiger Kunststoff- die bestellten Metallrohre eingebaut werden), auf „vergessene“ Trennwände, den Anschluss der Regenwasserleitungen an den Gartentank oder das Aussortieren defekter Dachziegel. Von denen war eine Palette im Sturm auf die Straße geknallt. Die Dachdecker legten am Folgetag wahllos auch jene Ziegel aufs Dach, die einen sichtbaren Sprung hatten oder abgebrochene Ecken. Also rauf aufs Gerüst und die Mängelexemplare kennzeichnen, verbunden mit dem Auftrag: auswechseln!
Kurzum: Unser Architektenhaus wurde zeitweilig zum Zweitberuf. Damit der Bau am Ende nicht zum Horrorprojekt wird, müssen vor allem die Verträge mit den Handwerkern wasserdicht sein: mit fest vereinbarten Summen für genau definierte Leistungen. So was kann der Laie nur mithilfe eines Architekten. Und der muss anschließend penibel prüfen, ob die beschriebene Leistung erbracht wurde. Die erschreckende Erfahrung bei unserem Bau: Nur der uns vorher bekannte Elektriker und der Schreiner hielten sich an die von ihnen selbst unterzeichneten Vereinbarungen. Alle anderen haben zumindest erst mal versucht, mit vertragswidrig minderwertigen Materialien oder mit einer Abrechnung nicht erteilter oder nicht nachgewiesener Leistung ihre ursprünglichen Kostenberechnungen in die Höhe zu treiben.
Das kostet Nerven – bis alles fertig ist. Heute entschädigt uns der Blick von unserem Esstisch aus dem großzügigen Wohnraum in den üppigen Garten für den vergangenen Bau-Ärger. Es bleibt die Gewissheit: Dieses Haus – und kein anderes – gehört hierher.
Schnell aufgebaut und aus einem Guss (von Sabine Tesche)
Als wir unser Grundstück gekauft haben, stand noch ein altes Haus darauf mit Keller. Den wollten wir gern erhalten. Ein Architekt riet uns zur Aufstockung des Gebäudes. Drei Monate verbrachten wir mit ihm, zahlten viel Geld für Statik und die Stunden für seine aufwendige Planung. Mit einem Architekten zu bauen hätte vieler Entscheidungen bedurft – jedes Gewerk sollte einzeln ausgeschrieben werden, die Altlasten des Gebäudes waren zudem ungewiss, somit auch die Kosten des Umbaus. Als die geschätzte Bausumme 100 Prozent höher lag, als wir veranschlagt hatten, haben mein Mann und ich die Reißleine gezogen.
Und uns für das genaue Gegenteil entschieden: Wir reißen alles ab und werden ein Fertighaus bauen. Ich selber bin in einem WeberHaus in Süddeutschland groß geworden, dort sind Häuser mit einem Holz-Ständerwerk weit verbreitet. Das Holz unseres Hauses kommt zum Teil aus meiner Heimat, dem Schwarzwald, so baue ich ein Stück Heimat hier im Norden auf. Das fand ich eine sehr schöne Idee.
Für Menschen wie uns mit wenig Zeit, anstrengenden Berufen und wenig handwerklichem Sachverstand ist ein hochwertiges Fertighaus die Ideallösung. Denn die Bauzeit ist deutlich kürzer: Sind erst einmal alle Formalien durch und sind der Keller oder die Bodenplatte fertig, dann steht das Haus innerhalb von zwei Tagen. Es wird in einem Werk gefertigt, mit Wänden, Dämmung, Türen und Fenstern versehen und dann mit riesigen Tiefladern quer durch Deutschland in den Norden gefahren. Wir haben uns die Fertigung vor Ort vorher angeschaut, das ist schon unglaubliche Präzisionsarbeit. Alles ist aus einem Guss, wie im Baukastensystem vorher fertig, aufeinander abgestimmt und dann vor Ort zusammengesteckt – so stelle ich es mir vor.
Damit entfällt bei uns, was vielen Bauherren die Nerven blank liegen lässt: endlose Verzögerungen wegen schlechten Wetters, Verarbeitung von billigem Material, weil der Bauträger die Preise so gedrückt hat, lange Austrocknungszeit des Mauerwerks, schlechte Abstimmung unter den Gewerken und womöglich Pfusch, der verdeckt ist und erst Jahre später hervorkommt. Dann schiebt es ein Gewerk auf das andere oder ist womöglich pleite. Vielleicht habe ich zu viele Bausendungen gesehen, von zu vielen schlechten Erfahrungen im Internet gelesen – vor solchen Bauvorhaben habe ich einen Horror. Wir haben auch keine Zeit und Lust, täglich auf der Baustelle zu stehen und den Handwerkern auf die Finger zu schauen. Allerdings dauert der Innenausbau auch drei bis vier Monate, ganz ohne Kontrolle wird es also nicht funktionieren.
Doch es gibt bei uns einen Ansprechpartner und einen festen Preis. Angeblich kommt es durch die vorgefertigte Konstruktion zu weniger Beanstandungen in der Bauphase. Wir haben zudem 30 Jahre Gewährleistung auf die Grundkonstruktion. Ich habe im Internet viel recherchiert, welche Fertighaus-Firma gut beleumundet ist, wo es wenig Beanstandungen gab, bei wem die Kunden am zufriedensten waren. Das hat unsere Entscheidung auch beeinflusst – auch angesichts eines möglichen Wiederverkaufs.
Was ehrlicherweise bei einem Fertighaus fehlt, ist Individualität, zumindest von außen. Zwar bauen manche Fertighaushersteller auch völlig frei entworfene Häuser im Werk, aber die sind sehr teuer.
Häuser aus Baureihen sind da deutlich günstiger und zum Glück im Innenausbau sehr flexibel. Wir haben im Grundriss Bäder und Zimmer verschoben, Größen verändert, das Geschoss erhöht, die Fenster über das Eck geplant – das geht ohne Probleme. Auch gibt es allerlei technischen Schnickschnack durch Sonder-Aktionen obendrauf. Das fand mein Mann gut.
Durch Küchenläden quälen wir uns, aber der Gang von Fliesenhändler zu Fliesenhändler, von Bauausstellung zu Badausstellung bleibt uns erspart. Bei uns gibt es eine zweitägige Vorbemusterung, zu der wir fahren – dann legen wir alles fest und sind damit durch. Die gesamte Elektrik, die Farben außen, die Sanitärobjekte, Fliesen und Fugen. Abgehakt. Allerdings: Veränderungen sind dann auch nicht mehr möglich. Wir müssen uns also gut vorher überlegen, wo jede Steckdose hinsoll. Was allerdings künftig ein Kinderspiel sein wird, ist das Aufhängen von Regalen und Bildern. Den Bohrhammer können wir verkaufen; da wir Holzwände haben, reicht künftig ein Akkuschrauber.
Folge 1: Stadt oder Land
Folge 2: Mieten oder kaufen
Folge 3: Haus oder Wohnung
Folge 4: Neubau oder Altbau
Folge 5: Architekt oder Fertighaus