Immer wieder werden denkmalgeschützte Gebäude abgerissen. Die Genehmigungen dafür erfolgen aus verschiedenen Gründen. Besonders gefährdet sind Hamburgs Denkmäler durch Nachverdichtung.

Hamburg Es weckt sofort den Beschützerinstinkt. Geduckt steht es da, die Fensterscheiben blind, die Sprossenrahmen morsch, die Fachwerkfassade fleckig. Mehr als 200 Jahre hat es auf dem Buckel, das kleine Häuschen mit der Nummer 84, nach dem die ganze Straße benannt sein könnte: Hütten heißt sie und liegt im Bezirk Hamburg-Mitte, in der Neustadt.

Stephan Büchel kommt hier häufig vorbei. Und fragt sich jedes Mal, was aus dem Häuschen wird. Eigentlich hat er überhaupt nichts mit Architektur oder Denkmalschutz zu tun: Er ist Lehrer für Sport und Biologie. Doch wie viele andere Hamburger auch sorgt er sich um die alten Gebäude der Stadt. „Man hat das Gefühl, dass immer mehr Altbauten verschwinden, obwohl sie denkmalgeschützt sind“, sagt er. Dieses Schicksal, befürchtet er, wird auch das kleine Fachwerkhaus ereilen. „Sein Zustand lässt vermuten, dass es irgendwann nicht mehr zu retten ist und abgerissen wird.“

Im vergangenen Jahr trat das neue Denkmalschutzgesetz in Kraft, um Hamburgs schützenswerten Bestand an historischen Gebäuden und Ensembles zu sichern. Dennoch ist die Liste der vom Abriss bedrohten Denkmäler lang. Zu den bekanntesten gehören die Kirche St. Maximilian Kolbe in Wilhelmsburg, die der Erweiterung eines Seniorenheims zum Opfer fallen soll, das Volksfürsorge-Haus an der Alster, das gerade einem Hotelanbau weicht, die Cityhöfe am Klosterwall, an deren Stelle ein neues Quartier für Wohnen und Arbeiten geplant ist und das Bezirksamt Hamburg-Nord, das abgerissen werden soll, um Platz für neue Wohnung zu schaffen.

Laut Denkmalschutzgesetz muss Hamburg vorbildhaft mit seinen Denkmälern umgehen. „Das ist leider nicht immer der Fall“, sagt Helmut Barth vom Denkmalverein. Als die Stadt vor einigen Jahren etliche denkmalgeschützte Gebäude verkauft habe, hätten die neuen Eigentümer einen erheblichen Sanierungsaufwand gehabt.

„Es ist Aufgabe des Denkmalschutzamtes, das kulturelle Erbe der Stadt zu bewahren“, betont Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde. Jährlich stehe dafür rund eine Million Euro zur Verfügung. Doch nur ein genutztes Denkmal könne auch erhalten werden. Daher gehe es immer darum, einen fairen Ausgleich der privaten Interessen der Denkmaleigentümer und des öffentlichen Interesses an einem Erhalt der Denkmäler zu erreichen.

„Besonders gefährdet sind Hamburgs Denkmäler durch den Nachverdichtungsdruck“, sagt Barth. In Eppendorf etwa soll das Bezirksamt, das Hamburgs Oberbaudirektor Paul Seitz in den 50er-Jahren unter dem Aspekt „Licht und Luft“ realisiert hat, abgerissen und kleiner wieder aufgebaut werden. Daneben will der Investor German Real Estate Wohnungen errichten. Dem Abriss des Bezirksamts hat das Denkmalschutzamt bislang noch nicht zugestimmt. Doch es könnte von der Politik dazu gezwungen werden: Denn Nachverdichtung und städtebauliche Interessen sind Gründe, die laut Denkmalschutzgesetz eine Abriss-Genehmigung verlangen können.

Sind Gebäude zu baufällig oder so geschädigt, dass eine denkmalgerechte Sanierung nicht zu verwirklichen ist oder zu viel historische Originalsubstanz verloren geht, darf ebenfalls abgerissen werden. Das ist der Fall bei dem Bürohaus an der Alster, das gerade für die Erweiterung des Hotels Le Royal Méridien abgerissen wird. Dort gab es Probleme mit der Unterkonstruktion, Fassadenplatten hatten sich gelöst. Aus dem gleichen Grund durfte im letzten Jahr auch das Kontorhaus am Alsterufer 1 abgerissen werden. „Das Denkmalschutzamt hat sich engagiert, konnte das Gebäude aber letztlich nicht retten“, so Barth. So war es auch bei dem Haus an der Turnerstraße 10. Jahrelang hatte die Saga, die das 150 Jahre alte Haus sanieren wollte, Gutachten in Auftrag gegeben – letztendlich ergaben diese aber nur, dass es schon zu marode war. Zunächst sollte noch die Fassade erhalten bleiben. Doch als Orkan „Christian“ nahte, wurde das Haus vorsichtshalber abgerissen. Einsturzgefahr.

Wirtschaftliche Unzumutbarkeit für den Eigentümer ist ebenfalls ein K.-o.-Kriterium für ein Denkmal. Aus diesem Grund droht der Maximilian-Kolbe-Kirche in Wilhelmsburg der Abriss, deren Gemeinde sich die Sanierung nicht leisten kann. Übersteigt der finanzielle Aufwand von Erhalt oder Bewirtschaftung die Erträge oder den Gebrauchswert des Denkmals, ist das nicht zumutbar – egal, ob es sich bei dem Eigentümer um eine Kirchengemeinde, eine Privatperson oder einen Investor handelt. So wurde der Denkmalschutz für den Bunker an der Forsmannstraße in Winterhude aufgehoben. Die Firma Otto Wulff möchte ihn abreißen lassen und dort Wohnungen bauen.

Auch nicht denkmalgeschützte Altbauten können von der Stadt vor dem Abriss bewahrt werden. Werden Gebäude nicht in der Denkmalliste geführt, weil zu wenig historische Substanz erhalten ist oder baulich zu viel verändert wurde, haben die Bezirke die Möglichkeit, Erhaltensverordnungen zu erlassen – vorausgesetzt, sie sind daran interessiert und reagieren früh genug.

Der traurige Zustand des denkmalgeschützten Fachwerkhäuschens in der Neustadt wurmt auch dessen Eigentümer. „Ich möchte sanieren, aber mir sind die Hände gebunden“, sagt Sven Friemuth, der es 2010 gekauft hat. Der Mieter, der schon lange zu günstigen Konditionen dort wohnt, kommt seiner vertraglichen Verpflichtung zur Instandhaltung nicht nach, gegen eine Kündigung geht er juristisch vor. Jetzt geht auch Eigentümer Friemuth den Klageweg. Damit das Häuschen nicht doch noch abgerissen werden muss.