Die A7-Erneuerung ist eine der anspruchsvollsten Autobahnbaustellen Deutschlands. Als Lärmschutz werden Teilstücke überdeckelt und begrünt. Später sollen 165.000 Fahrzeuge Platz haben.
Hamburg. Das gleichmäßige Rauschen schwebt wie ein Teppich über den sechs Fahrbahnen. Hin und wieder wird es vom Motor eines Lastkraftwagens unterbrochen. Wer auf der Brücke Wördemanns Weg steht und auf die Trasse der A 7 hinabschaut, erblickt einen schier endlosen Strom von Fahrzeugen.
Etwas mehr als 150.000 Autos und Lastkraftwagen passieren täglich die A 7 zwischen dem Elbtunnel und Hamburgs Landesgrenze zu Schleswig-Holstein.
Das Nadelöhr gilt als eines der meist befahrenen Autobahnteilstücke Deutschlands. Experten schätzen, dass hier die Zahl der Fahrzeuge innerhalb des kommenden Jahrzehnts auf 165.000 Fahrzeuge pro Tag steigen wird.
Bis dahin muss die in die Jahre gekommene Autobahn 7 nördlich des Elbtunnels erneuert werden. „Die große Herausforderung besteht darin, dass wir die Bauarbeiten bei fließendem Verkehr auf sechs Spuren und dichter Bebauung vor Ort umsetzen wollen“, sagt Berndt Rothe, technischer Prokurist bei dem Unternehmen Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges).
Angst vor Verkehrschaos
In diesem Frühjahr gehen die Bauarbeiten los, und die Furcht vor kilometerlangen Staus ist bei Anwohnern, Autofahrern und Transportunternehmern gleichermaßen verbreitet.
So mancher hat noch die Bilder von der Rader Hochbrücke aus dem vergangenen Sommer in Erinnerung. Wegen der Arbeiten an diesem Bauwerk stockte der Verkehr auf der Autobahn 7 über Wochen, und die Staus erreichten Rekordlängen.
Wohl auch um derartige Sorgen zu zerstreuen, trat Rothe am vergangenen Mittwoch zum zweiten Mal in der Handelskammer vor rund 180 Unternehmen auf.
In seinem Vortrag wurde der Respekt, den er vor dem Projekt hat, rasch deutlich. Zwar habe die Deges beim Bau von rund 1300 Kilometer Autobahn reichlich Erfahrungen gesammelt und man plane die Erneuerung der A 7 auf dem Gebiet der Hansestadt bereits seit dem Jahr 2008, sagte er.
„Doch das Hamburger Projekt dürfte eine der anspruchsvollsten Autobahnbaustellen Deutschlands werden.“
Acht statt sechs Fahrspuren
Und das ist der Plan: Von der Abfahrt Bahrenfeld bis zum Nordwestkreuz wird die Zahl der Fahrspuren von sechs auf acht erhöht. Nördlich des Nordwestkreuzes – im Bereich Schnelsen und weiter bis nach Bordesholm – soll der Verkehr künftig auf sechs statt bisher vier Fahrbahnen rollen.
Um das umzusetzen, wird es in Hamburg auf einer Länge von elf Kilometern über einen Zeitraum von zehn Jahren verteilt verschiedene Baustellen geben. Die Arbeiten sozusagen „in einem Rutsch“ zu erledigen, wie es einige Unternehmer bei der Veranstaltung in der Handelskammer forderten, wäre die teurere und technisch kompliziertere Lösung gewesen, sagte Rothe.
Wenn eine Autobahn so grundsätzlich erneuert wird, schreiben die Gesetze eine Anpassung des Lärmschutzes entsprechend den aktuell geltenden Richtlinien vor.
Weil die Autobahn 7 durch eine Metropole führt, hätten an einigen Stellen bis zu 17 Meter hohe Lärmschutzwände errichtet werden müssen, um diese Anforderungen zu erfüllen.
Autobahn verschwindet unter Deckel
Da das die Bevölkerung wohl nicht akzeptiert hätte, entschieden die Experten sich für den Bau von drei Lärmschutztunneln, die in der Öffentlichkeit gern als Deckel bezeichnet werden.
In drei Teilbereichen in Altona (2030 Meter), Stellingen (893 Meter) und Schnelsen (560 Meter) wird die Autobahn also auf einer Länge von rund 3,5 Kilometern überdeckelt, so dass Verkehr und Lärm quasi „unter der Erde“ verschwinden. An anderen Stellen sind Schutzwände und Schutzwälle geplant.
Für Hamburg eröffnet sich durch die Tunnelbauten die Chance, die „Teilung“ der Stadt durch die A 7 zu überwinden. Die Tunneldächer sollen für Kleingärten und Parkanlagen genutzt werden.
Vor allem in den Stadtteilen Schnelsen und Stellingen können so die „städtebaulichen Verletzungen“ infolge des Autobahnbaus in den 60er- und 70er-Jahren teilweise geheilt werden.
Kosten: 800 Millionen Euro
Diese „Reparatur“ wird den deutschen Staat teuer zu stehen kommen. Nach den Worten von Rothe sollen die auf Hamburger Gebiet geplanten drei Tunnel sowie die Erneuerung und der Ausbau der Verkehrstrasse nach dem derzeitigen Stand der Dinge rund 800 Millionen Euro kosten.
Damit ist der Preis für einen erneuerten A 7-Kilometer in Hamburg zehn Mal höher als der eines durchschnittlichen Autobahnkilometers irgendwo in der Republik.
Aber an der Erneuerung führt kein Weg vorbei. Rothe erklärt das an dem Beispiel Stellingen. Derzeit passieren diesen Bereich täglich im Durchschnitt 152.000 Fahrzeuge. „Das sind fast 20 Prozent mehr als gesetzliche Richtlinien eigentlich erlauben.“
Ein harmloser Unfall führe bereits dazu, dass der Verkehr zusammenbricht. „Wir sind dort im Grenzbereich. Insofern ist der Ausbau mehr als dringend geboten.“
Doch es ist ja nicht nur die Autobahn, die der Erneuerung bedarf. Auch die 400 Meter lange Langenfelder Brücke, die nördlich des Volksparks über 17 Bahngleise führt, ist in die Jahre gekommen. Wer in diesen Tagen das Brückenbauwerk von unten betrachtet, kann die zusätzlichen stählernen Stützpfeiler und den Verschleiß bereits entdecken.
Abriss und Neubau der Brücke werden schon in einigen Wochen, im April, starten und stellen eine große technische Herausforderung dar.
Große bauliche Herausforderung
Der Grund: nicht nur der Verkehr auf der Autobahn, sondern auch der Bahnverkehr unter der Brücke müssen während der gesamten Bauzeit gewährleistet werden. Das hatte die Bahn den Deges-Verantwortlichen unmissverständlich klar gemacht.
Schließlich verkehren auf dieser Strecke die Fernzüge in Richtung Norden. Außerdem passiert die S-Bahn nach Halstenbek und Pinneberg die Brücke. Nicht zuletzt liegt ganz in der Nähe das Bahnbetriebswerk Hamburg-Eidelstedt, in dem ein großer Teil der ICE-Züge der Bahn gewartet wird.
Um die Gleise freizuhalten, muss daher ein größerer Teil der Brückenkonstruktion zunächst „an Land“ gezogen werden. Erst dort kann die Betonkonstruktion in ihre Einzelteile zerlegt werden.
Und das geht wie folgt: Zunächst wird das östliche Brückenteil von seinen Aufbauten wie Fahrbahnen oder Geländer befreit. Der Verkehr wurde bereits umgelenkt und fließt auf sechs Spuren über das westliche Brückenteil. Mithilfe provisorischer Pfeiler wird dieser Brückenteil dann um gut einen Meter angehoben.
Anschließend werden Gleitlager installiert, so dass das Betonteil schrittweise neben die Bahngleise verschoben werden kann. Dort können dann Bagger die alte Brückenkonstruktion abbrechen.
Schritt für Schritt genau geplant
Die Installierung der neuen Brücke erfolgt auf umgekehrtem Weg. Als erstes werden die neuen Brückenpfeiler errichtet und Spezialisten schweißen neben den Eisenbahngleisen die Stahltröge der neuen Brücke zusammen.
Anschließend werden diese Tröge auf Gleitlagern, die auf den neuen Brückenpfeilern installiert wurden, über die Eisenbahngleise geschoben. Zu guter Letzt tragen die Straßenbauer die Betonplatte sowie den Fahrbahnbelag auf und bringen die Lärmschutzwände an. Dann wird das westliche Brückenteil auf der gleichen Art und Weise erneuert.
Ganz so technisch spektakulär wie die Erneuerung der Langenfelder Brücke wird der Bau der einzelnen Tunnel nicht. Da der Verkehr ja auch während der Bauzeit fließen soll, geht es zunächst darum, eine der beiden bisherigen Fahrbahnen so herzurichten, dass der gesamte Verkehr darüber abgewickelt werden kann.
Zudem gelten auch während des Tunnelbaus Vorschriften, die Anwohner vor Verkehrslärm schützen sollen. Deshalb müssen dazu zunächst provisorische Lärmschutzwände errichtet werden.
Anschließend wird der Verkehr auf die provisorische Fahrbahn umgelenkt, so dass „Baufreiheit für die Errichtung der ersten Tunnelröhre entsteht“, wie Rothe es beschreibt.
Nun werden an den beiden Seiten der Fahrbahnen Bohrpfähle aus Beton bis zu acht Meter in den Erdboden getrieben. Auf diesen Pfählen werden die Verschalungen installiert, in die flüssiger Beton gepumpt wird.
Ausgiebige Testphase vor Einweihung
Wenn die Tunnelwände stehen und ausgetrocknet sind, wird auf eine ähnliche Art und Weise der Deckel betoniert.
Zudem müssen noch Entwässerungsrohre verlegt und die Fahrbahnen der A 7 erneuert werden. Dann aber ist der Rohbau des Tunnels abgeschlossen und Lüfter, Beleuchtung, Warnanlagen sowie Überwachungskameras können installiert werden.
Zu guter Letzt wird der neue Tunnel ausgiebig – auch von der Feuerwehr – getestet. Das Bauprinzip ist bei allen Tunneln dasselbe.
Die neuen A 7-Tunnel werden mit einer Durchfahrtshöhe von 4,80 Meter 30 Zentimeter höher sein als üblich. Damit soll verhindert werden, dass die Höhenkontrolle (zu) oft ausgelöst wird, begründet Rothe dieses Vorgehen.
Beim Elbtunnel führt die Auslösung der Höhenkontrolle regelmäßig zu langen Staus. Außerdem werden die Tunnel besonders breit sein: in Stellingen etwas mehr als 50 Meter, in Schnelsen 43 Meter. Auch das soll die Sicherheit der Autofahrer erhöhen.
Breitere Fahrstreifen in den Baustellen
Um während der Bauzeit die Beeinträchtigungen von Autofahrern und Anwohnern so gering wie möglich zu halten, haben die Verkehrsexperten eine Reihe von Maßnahmen ausgetüftelt.
So werden die Fahrstreifen in den Baustellen breiter als üblich sein, um Unfälle zu vermeiden. Schon weit vor Hamburg werden mobile LED-Tafeln die aktuelle Verkehrslage anzeigen. Autofahrer können dann frühzeitig entscheiden, ob sie den Großraum der Hansestadt umfahren.
Nicht zuletzt soll die Vollsperrung der wichtigen Verkehrsader auf ein Minimum reduziert werden. „Ganz ohne wird es nicht gehen, beispielsweise beim Abriss von Brücken“, sagt Rothe. Aber dafür werden die Wochenenden genutzt.
Für die Hamburger wird sich nach Abschluss der Bauarbeiten auf den Tunneldächern eine neue Welt eröffnen. In Schnelsen entsteht auf dem Deckel ein Mix aus Parkanlagen und Kleingärten.
Auch in Stellingen sind Kleingärten auf dem Tunneldeckel geplant, allerdings auch eine große Spielwiese. Wer dann auf den Fuß- und Radwege unterwegs ist, wird von dem unter ihm fließenden Autobahnverkehr kaum etwas mitbekommen.