Angebote der Sozialbehörde zur Unterbringung lehnte die Mutter zuvor ab. Fünf Tage nach der Geburt ihres Kindes musste die Lettin, die im Winternotprogramm untergebracht ist, ihr Kind jetzt abgeben.
Hamburg. Am 13. Februar kam Miranda im Marienkrankenhaus auf die Welt. 50 Zentimeter groß, 3285 Gramm schwer und kerngesund. Doch bei seiner Mutter darf das Mädchen nicht bleiben. Um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden, entzog das Jugendamt Mitte der Mutter das Baby fünf Tage nach der Geburt. Grund: Die Eltern Kristine, 27, und Ruslans P., 30, aus der lettischen Hauptstadt Riga leben in einer vom Winternotprogramm der Stadt bereitgestellten Obdachlosen-Unterkunft an der Spaldingstraße. Und dort haben Kinder nichts zu suchen.
Die jungen Eltern dürfen ihr Neugeborenes jetzt nur zweimal täglich in der Kindernotunterkunft an der Feuerbergstraße besuchen. „Das Baby wird zwar gut betreut, aber natürlich wollen die Eltern es zu sich holen“, sagt Birgit Müller, Chefredakteurin von „Hinz& Kunzt“. Die Obdachlosenzeitung hat den Fall öffentlich gemacht und steht mit den Eltern in Kontakt. Kristine und Ruslans P. seien weder drogenabhängig noch psychisch krank, sondern lediglich bitterarm. „Es geht nicht an, dass man einer Familie das Kind wegnimmt, nur weil sie arm ist“, so Müller. Der Fall berühre ein grundlegendes Problem in Hamburg: „Auch arme Familien müssen sofort und gemeinsam untergebracht werden.“ Ähnlich sieht das Dirk Ahrens, Landespastor des Diakonischen Werks: „Die Stadt muss sofort mit einer angemessenen Unterkunft helfen, im Zweifel Hotelzimmer anmieten.“
Der Fall der lettischen Familie berührt einen seit Längerem schwelenden Streit über Sozialleistungen für Bürger anderer EU-Mitgliedstaaten. Um „Sozialtourismus“ zu vermeiden, erhalten EU-Bürger, die keiner Erwerbstätigkeit in Deutschland nachgehen, keine Sozialleistungen abgesehen vom Kindergeld. Dies trifft auch auf Kristine und Ruslans P. zu, die vor drei Monaten nach Hamburg gekommen sind und hier ohne Obdach und Arbeit leben. „Die Familie hat keinen Rechtsanspruch auf eine öffentlich-rechtliche Unterbringung etwa in einem Wohncontainer“, sagt Marcel Schweitzer, Sprecher der Sozialbehörde. Allerdings habe man den Eltern lange vor der Geburt „individuelle Lösungen und Vorschläge unterbreitet, die nicht angenommen worden sind“.
Man wolle den Eltern helfen, doch müssten die sich im Rahmen der Gesetze auch helfen lassen, so Schweitzer. So stehe man mit einer Kirchengemeinde in Kontakt. Scharf weist Schweitzer den Vorwurf von „Hinz&Kunzt“ zurück, die Behörde habe die Mutter vor ein Junktim gestellt: Dass sie ihr Baby wiederbekommen könne – wenn sie ausreise.