In der Zeltstadt auf dem Gertrudenkirchhof sind feste Holzhütten entstanden, in denen auch übernachtet wird. Weil wiederholt Feuer gemacht wurde, befürchtet Bezirksamtsleiter Andy Grote eine erhöhte Brandgefahr.
Hamburg. Er hat aus seiner Sympathie mit der Occupy-Bewegung nie einen Hehl gemacht. Doch jetzt ist Andy Grotes Geduld mit den Dauerdemonstranten zu Ende. Am Dienstagmorgen erließ der Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte ein sofortiges Nutzungsverbot für das älteste Occupy-Lager Deutschlands, das vor zwei Jahren auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz entstand und später auf den Gertrudenkirchhof umsiedelte. Bis Ende des Jahres müssen die Nutzer ihre 350 Quadratmeter große Zelt- und Budenstadt beseitigt haben.
„Es besteht eine offenkundige Gefahrensituation“, sagt der Bezirksamtsleiter. Die Lage in dem alternativen Camp habe sich verändert. In der Zeltstadt mit ihrem temporären Charakter sind mittlerweile auf Dauerhaftigkeit angelegte, teils zweistöckige Holzbuden entstanden. Habe man das Lager bislang trotz des geltenden Wegerechts als „besondere Protestform“ behandeln können, werde jetzt gegen geltendes Baurecht verstoßen, so Grote. „Es handelt sich eindeutig um eine Anlage aus Schwarzbauten, die nicht genehmigungsfähig ist.“ Da im Lager mehrfach offenes Feuer entzündet wurde und dort nachweislich übernachtet werde, gebe es zudem eine „aktuelle Gefahrenlage, die eiliges Handeln erfordere“.
Bislang sei man im Bezirk davon ausgegangen, dass das Lager nicht regelmäßig zum Übernachten genutzt wird, so Grote. Bei einer Begehung am frühen Morgen des 12. November habe man aber elf Personen vorgefunden, die „entgegen aller Beteuerungen“ im Lager geschlafen hatten. Das Übernachten in einer Anlage aber, die weder brand- noch standsicher sei und auch den hygienischen Anforderungen nicht genüge, stelle eine Gefahr für Leib und Leben dar. Dafür werde der Bezirk nicht die Verantwortung übernehmen.
„Wir wollen nicht die Occupy-Bewegung in Hamburg für beendet erklären. Aber das Camp kann in seiner jetzigen Form nicht fortgeführt werden“, lautet das Fazit des Bezirksamtsleiters.
Die morgendliche Begehung wurde nicht ohne Grund angeordnet. Schon seit Längerem hatten Beschwerden und Ärger rund um das Camp zugenommen; dazu gehört auch, dass gegen einige Nutzer wegen Sachbeschädigung ermittelt werde, andere gehörten zur Obdachlosenszene. Mit der Zeit habe sich das Profil der Camper verändert, sagt der Bezirksamtsleiter. Es gebe kaum noch verlässliche Ansprechpartner, Verabredungen würden nicht eingehalten.
Bereits am 11. November hatte die Bauprüfabteilung den Camp-Betreibern ein Schreiben zugestellt, in der die erforderliche Beseitigung der „ungenehmigten baulichen Anlage“ angeordnet wurde. Eine Bereitschaft, das umzusetzen, sei nicht erkennbar, so Grote. Die Occupy-Aktivisten sehen das anders. In einem Antwortschreiben wiesen sie auf „verbesserte Camp-Strukturen“ hin, deren „Wirkung und Sichtbarkeit“ bei der Bauprüfung „in Einzelfällen noch nicht voll entfaltet“ gewesen sei. So werde man unter anderem künftig kein Feuer mehr auf dem Platz machen, zweigeschossige Aufbauten zurückbauen, Obdachlose ans Winternotprogramm überweisen und Zelte aus Brandschutzgründen in größere Abstände zueinander bringen.
In einer Presseerklärung betonten die Aktivisten gestern erneut die Absicht, das Camp zurückzubauen. Auf das Nutzungsverbot gingen sie nicht ein, verwiesen aber auf ihr nächstes Plenum am kommenden Freitag, auf dem „klarer werde, wie die friedliche Bewegung für soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit sich im dritten Jahr verändert“.
Andy Grote hofft auf eine sachliche Auseinandersetzung und auf eine Lösung, die von Bezirk und Occupy-Bewegung getragen werden kann. „Wir erkennen die inhaltlichen Anliegen und das gesellschaftspolitische Engagement der Protestbewegung ausdrücklich an“, sagt er. Daher habe man auch Unterstützung zugesagt – etwa, indem man öffentliche Plätze für eine „symbolische Präsenz“ in Form eines Standes oder einer Mahnwache zur Verfügung stelle. Oder bei der Suche nach Räumlichkeiten helfe, von denen aus die Bewegung ihre Aktionen organisieren können. Mit ihren Veranstaltungen will die Occupy-Bewegung unter anderem auf die ungerechte Verteilung des natürlichen Reichtums, den Raubbau an der Natur, die Konsumgier der Wegwerfgesellschaft oder die schlechten Bildungschancen für benachteiligte Menschen aufmerksam machen. „Für diese Aktivitäten“, so Grote, „ist Occupy nicht auf ein Camp angewiesen.“