Flugzeugbauer erhält 2013 offenbar so viele Bestellungen wie nie zuvor. Auch für die kommenden zwölf Monate werden gute Geschäfte vorausgesagt.
Hamburg. Airbus hat im Jahr 2013 doppelt so viele Flugzeuge verkauft wie vor zwölf Monaten erwartet – und gleichzeitig dürfte das Unternehmen einen neuen Orderrekord für die gesamte Branche aufgestellt haben: Im Jahr 2011 konnte der europäische Hersteller 1419 Bestellungen verbuchen, im zurückliegenden Jahr waren es abzüglich der Stornierungen mindestens 1412. So viele ergeben sich aus den offiziellen Mitteilungen, doch Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass man auf der Jahrespressekonferenz am 13. Januar noch den einen oder anderen bisher nicht berichteten Abschluss aus dem Hut zieht, um die Rekordmarke zu knacken. „Dafür wird Verkaufschef John Leahy schon sorgen“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongard.
In die gleiche Richtung geht die Prognose von Markus Turnwald, Analyst bei der DZ Bank. Er rechnet mit einem Bestelleingang auf Bruttobasis, also ohne den Abzug der bis Ende November eingegangenen 59 Stornierungen, von mehr als 1500 Flugzeugen.
Den Erzrivalen Boeing hat Airbus offenbar klar hinter sich gelassen: Bis Mitte Dezember hat der US-Konzern nach eigenen Angaben Aufträge über netto 1074 Maschinen hereingenommen. Die bisherige Bestmarke von Boeing mit 1413 Bestellungen stammt aus dem Jahr 2007.
Dass Airbus schon 2014 das eigene Ergebnis aus 2013 noch toppen kann, glaubt Großbongardt nicht: „Zwei Rekordjahre in Folge wären höchst ungewöhnlich.“ Nach seiner Einschätzung steht aber durchaus ein weiteres gutes Jahr bevor. Er hält es für „sehr gut möglich“, dass der Hersteller Aufträge über immerhin rund 1000 Jets abschließen wird: „Der Luftverkehr bleibt ein Wachstumsmarkt, es werden weltweit immer mehr Flugzeuge gebraucht.“ Für hohe Nachfrage sorgten dabei nicht zuletzt die in Asien aufkommenden Billigflieger.
Neuentwicklungen wie der mit modernsten Triebwerken ausgestattete A320neo oder die besonders leichte Langstreckenmaschine A350 mit Treibstoffverbrauchswerten, die jeweils im deutlich zweistelligen Prozentbereich unter denen heutiger Jets liegen, veranlassen die Airlines aber auch zu Ersatzbeschaffungen für die Flottenerneuerung. Außerdem hätten sich die Rahmenbedingungen für Airbus und Boeing verbessert, erklärt Großbongardt: „Es gibt heute weniger Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Weltkonjunktur als vor zwölf Monaten, und den Airlines geht es finanziell spürbar besser.“ So hat der internationale Luftverkehrsverband IATA im Dezember die Gewinnschätzungen für 2013 und für 2014 nach oben korrigiert.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit werde der Ordereingang bei Airbus in diesem Jahr abermals die Zahl der Auslieferungen – im abgelaufenen Jahr waren es gut 600 – übertreffen, erwartet Großbongardt. Damit würde sich die Auslastung, die schon jetzt rein rechnerisch für die nächsten acht Jahre gesichert ist, noch weiter erhöhen, die Lieferzeiten für neu bestellte Maschinen würden sich entsprechend verlängern.
Doch das ist zunächst einmal nur Theorie; die Praxis könnte etwas anders aussehen, wie der Hamburger Experte sagt: „Die Erfahrung zeigt, dass rund 30 Prozent der bestellten Jets nicht an den Kunden ausgeliefert werden, der sie geordert hat.“
Ob all die jungen Fluggesellschaften, die heute aufgrund ehrgeiziger Wachstumspläne große Aufträge unterzeichnen, in sechs oder sieben Jahren noch existieren, „weiß kein Mensch“. Allerdings hätten Airbus und Boeing in den zurückliegenden Krisen sehr gut gelernt, rechtzeitig vor der Fertigstellung andere Kunden für nicht abgenommene Maschinen zu finden.
Auch im Hinblick auf das Wettbewerbsumfeld könne man sich bei Airbus jedoch im neuen Jahr nicht einfach entspannt zurücklehnen, so Großbongardt. Denn Boeing hat mit der zweistrahligen 777-X für rund 400 Passagiere ein Flugzeug angekündigt, das bei den Kunden offensichtlich sehr gut ankommt. Bei Airbus hingegen endet die Angebotspalette der zweistrahligen Langstreckenjets bereits mit dem A350-1000 für 350 Fluggäste. „Für Airbus stellt sich nun die Frage, ob man nicht einen A350-1100 mit ebenfalls rund 400 Sitzen entwickeln muss“, sagt Großbongardt. „Das wird eine der großen Entscheidungen in diesem Jahr sein.“
Etwas mehr Zeit könnten sich die Europäer bei einer wohl ebenfalls anstehenden Neumotorisierung des vierstrahligen A380 lassen. „Das wird in den nächsten Jahren aber sicher ebenfalls ein drängendes Thema“, glaubt der Experte. Eine Reduktion des Verbrauchs um zehn oder zwölf Prozent stünde dem A380 gut an, denn die modernen mittelgroßen Langstreckenmaschinen wie etwa die Modelle A350-1000 oder 777-X könnten bereits niedrigere Betriebskosten pro Passagier bieten als der doppelstöckige Luftgigant – „und das sieht man beim Großkunden Emirates gar nicht gern“.