Der Vorsitzende des Hamburger Betriebsrats, Jan-Marcus Hinz, warnt vor Folgen des Renditedrucks. Stellenstreichungen auf Finkenwerder möglich
Hamburg Mit einem Aktionstag will die IG Metall in der kommenden Woche auf drohende Jobverluste im Airbus-Mutterkonzern EADS hinweisen. Denn das Unternehmen hat eine tief greifende Restrukturierung angekündigt, nachdem vor allem im Rüstungsbereich Aufträge ausbleiben, während der Zivilflugzeugbau floriert. Das Abendblatt sprach darüber mit Jan-Marcus Hinz, dem Betriebsratsvorsitzenden des Airbus-Standorts Hamburg.
Hamburger Abendblatt: Der Rüstungssparte des EADS-Konzerns fehlen Aufträge. Ist denn nicht Airbus aber gerade nach der Orderflut in diesem Jahr in einer völlig anderen, komfortablen Situation?
Jan-Marcus Hinz: Die Aufträge von heute beruhen auf Weichenstellungen, die vor zehn oder 15 Jahren bei Airbus vorgenommen wurden. Man muss heute die Weichen so stellen, dass Airbus auch in zehn Jahren noch so erfolgreich ist wie jetzt. Darum geht es uns, und das ist eines der Ziele, die wir mit dem Aktionstag verfolgen.
Ein Auftragsbestand von rund 5400 Flugzeugen sollte doch aber die Zukunft hinreichend sichern?
Hinz: Richtig ist, dass die Produktion für bis zu acht Jahre ausgelastet ist. Aber der Entwicklungsbereich – und das ist eine vierstellige Zahl von Ingenieuren in Hamburg – steht vor einer Auslastungslücke, denn vor dem Jahr 2025 wird es kein komplett neues Flugzeugprogramm geben. Der EADS-Konzern strebt an, die Umsatzrendite von zuletzt gut fünf Prozent auf zehn Prozent zu steigern. Wir wollen wissen, was das für die Investitionen bedeutet. Bisher werden im Konzern rund sieben Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert. Die Mitarbeiter wollen, dass das so bleibt, weil das ihre Arbeitsplätze auf Dauer sichert. Der Renditeanspruch wirkt sich aber auch aktuell auf die Kollegen aus.
Können Sie erläutern, in welcher Form das geschieht?
Hinz: Die Produktion wird hochgefahren, und das ist gut so. Aber der Druck auf die Beschäftigten ist schon jetzt sehr hoch. Sie arbeiten an vielen Wochenenden, die Arbeitszeitkonten laufen über. Das erzeugt Stress, und der macht krank. Da hilft es nichts, dass das einen eigentlich positiven Hintergrund hat – die vollen Auftragsbücher. Die Mitarbeiter müssen die Möglichkeit haben, sich auch wieder zu regenerieren.
Was kann getan werden? Muss Airbus mehr Mitarbeiter einstellen?
Hinz: Das ist natürlich einer der Wege. In Hamburg sind im Jahr 2013 bisher mehr als 300 Personen eingestellt worden, zum Teil sind das frühere Leihkräfte. Aber die Arbeit muss über die gesamte Lieferkette besser organisiert werden. Ein Teil des Drucks entsteht dadurch, dass es Terminprobleme bei Zulieferungen gibt. Aus unserer Sicht war es ein Fehler, Werke wie Varel und Nordenham aus Airbus herauszulösen, auch wenn sie jetzt einer EADS-Tochter gehören.
Der EADS-Konzern will die Sparten Raumfahrt und Rüstungstechnik zusammenlegen, Hamburg ist aber ein Airbus-Standort. Ist das Werk auf Finkenwerder also überhaupt nicht von dieser Veränderung betroffen?
Hinz: Die direkten Auswirkungen der Umstrukturierung auf Hamburg sind begrenzt. Weniger als hundert Beschäftigte arbeiten hier für militärische Airbus-Programme, also den Transporter A400M und den Tankjet A330 MRTT. In Stade aber sind es schon rund 400 Kollegen. Wir wollen wissen, ob diese Mitarbeiter am bisherigen Standort bleiben können und ob sich an ihren Verträgen etwas ändert – zum Beispiel, ob der Airbus-Zukunftstarifvertrag mit seiner Arbeitsplatzsicherung bis 2020 weiter für sie gilt, auch wenn sie künftig nicht mehr für Airbus arbeiten, sondern für die neue Verteidigungs- und Raumfahrtsparte. Indirekt dürfte sich die neue Konzernstrategie aber deutlich auf Hamburg auswirken.
Woran denken Sie da?
Hinz: EADS-Chef Tom Enders hat harte Einschnitte bei den Kosten und den Beschäftigten angekündigt. Airbus trägt 80 Prozent zum Konzernumsatz bei. Da liegt es nahe, dass diese Sparte auch einen großen Teil des Renditedrucks zu spüren bekommt. Und eine wesentliche Stellgröße für die Rendite sind die Personalkosten. Wenn man nach Synergien sucht, kann das auch große Auswirkungen auf Arbeitsplätze im Verwaltungsbereich in Hamburg haben.
Ist der für Donnerstag geplante Aktionstag, der einem Warnstreik ähnelt, nicht eine recht harte Maßnahme, wenn die konkreten Pläne des EADS-Managements bis dahin noch gar nicht vorliegen?
Hinz: Das ist kein Warnstreik und auch keine Aktion, die sich gegen das Unternehmen richtet. Wir möchten damit deutlich zeigen, dass wir gemeinschaftlich die Zukunft dieses Unternehmens mitgestalten wollen. Von zehn bis elf Uhr werden Meinhard Geiken, der Bezirksleiter IG Metall Küste, sowie Rüdiger Lütjen, Vorsitzender des Europäischen Betriebsrates von EADS, und ich vor dem Osttor des Hamburger Airbus-Werks sprechen, und wir hoffen, dass ein großer Anteil der Beschäftigten präsent sein wird – aber möglichst auch Vertreter der Politik.