Wenn die Schüler an vier von fünf Tagen bis 16 Uhr in der Schule sind, soll es keine Hausaufgaben mehr geben. Voraussetzung ist, dass die Schulkonferenz eines Gymnasiums die Umwandlung beschließt.
Hamburg Acht Schulstunden Unterricht, dann noch eine Arbeitsgruppe und bis in den Abend hinein Hausaufgaben – für viele Gymnasiasten ist dieser Tagesablauf längst zur Gewohnheit geworden. Kritiker der Schulzeitverkürzung von neun auf acht Jahre am Gymnasium (G8, „Turbo-Abitur“) weisen auf das höhere Lerntempo hin und monieren, dass Kindern und Jugendlichen zu wenig Freizeit bliebe und dass Hobbys, Sport und kulturelle Aktivitäten zu kurz kämen.
„Viele Schüler an Hamburgs Gymnasien sind stark belastet. Meist haben sie nach Schulschluss noch einen Berg an Hausaufgaben zu erledigen“, sagt die Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg. Doch für Umfang und Dauer der häuslichen Vertiefung des Unterrichtsstoffs gebe es keine Regelungen. „Das führt in vielen Familien zu einer belastenden Situation und nicht selten zu Streit und langen Lernabenden“, sagt von Berg.
Die Grünen wollen mit einem Bürgerschaftsantrag für die Entlastung der Schüler sorgen. „Wir fordern, dass die Gymnasien freiwillig zu echten Ganztagsschulen werden können“, sagt von Berg. Wenn die Kinder täglich von 8 bis 16 Uhr in der Schule seien und es auch Ruhe- und Erholungsphasen gebe, dann könnte auch die Einübung des Gelernten in den schulischen Tagesrhythmus eingebaut werden. „Diese Schulen können dann komplett auf Hausaufgaben verzichten“, sagt die Abgeordnete.
Bislang sind die Hamburger Gymnasien zumeist offene Ganztagsschulen, dass heißt, die schulischen Nachmittagsangebote sind überwiegend freiwillig. Nur an zwei Standorten ist der Ganztag verpflichtend: Das staatliche Gymnasium Klosterschule (St. Georg) und das private Jenisch-Gymnasium in Osdorf sind echte Ganztagsschulen, an denen der Unterricht an vier von fünf Tagen der Woche regulär um 16 Uhr endet. Und: An diesen beiden Schulen gibt es jedenfalls bis zur zehnten Klasse grundsätzlich keine Hausaufgaben. An der Klosterschule sind zum Beispiel individuelle Lernzeiten der Schüler neben einer längeren Mittagspause in den Tagesablauf eingebaut. „Von 16 Uhr an haben die Kinder dann frei – das entspannt sie und auch ihre Familien und gibt mehr Raum für Hobby und Freizeit“, sagt Stefanie von Berg.
Geht es nach dem Willen der Grünen, dann können die Schulkonferenzen, in denen Lehrer, Eltern und Schüler vertreten sind, einen Antrag auf Umwandlung in eine gebundene Ganztagsschule beschließen. Von Berg sieht in der Umwandlung auch einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit: „Nicht in jeder Familie können die Eltern ihren Kindern bei Hausaufgaben helfen oder teure Nachhilfestunden bezahlen.“
Auch die CDU-Opposition setzt auf eine weitere Öffnung der Gymnasien zum Nachmittag hin. In einem Zehn-Punkte-Programm der Unions-Fraktion zur Stärkung dieser Schulform stand die Umwandlung obenan. „Wir wollen den bedarfsgerechten Ausbau zu echten Ganztagsgymnasien“, sagte die CDU-Schulpolitikerin Karin Prien bei der Vorstellung des Programms Mitte Oktober, ohne konkreter zu werden.
Die Vorstöße von Grünen und Union sind eine Reaktion auf die Debatte über eine Rückkehr zur längeren Schulzeit (G9) am Gymnasium. Wie berichtet hatte die Volksinitiative „G9-jetzt-HH“ die erste Hürde auf dem Weg zum Volksentscheid mit der Vorlage von rund 17.000 Unterstützerunterschriften genommen, die innerhalb eines halben Jahres gesammelt wurden.
SPD, CDU, Grüne und FDP sind gegen eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Zentrales Argument ist dabei, dass nach vielen Jahren der zum Teil gescheiterten Reformen das Schulsystem nicht schon wieder umgekrempelt werden dürfe. Und: Es gibt „G9“ in Hamburg bereits: Seit 2010 existiert in Hamburg das Zweisäulenmodell. Die Stadtteilschule bietet das Abitur nach neun Jahren an, am Gymnasium legen die Schüler die Reifeprüfung schon nach acht Jahren ab.
Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat bereits mehrfach angekündigt, Gymnasiasten entlasten zu wollen. Unter anderem soll die Zusammenballung von Klassenarbeiten vermieden werden. Geschehen ist das allerdings bislang noch nicht. So haben die Grünen einen Passus in ihren Bürgerschaftsantrag aufgenommen, in dem sie fordern, dass nicht mehr als zwei Klausuren pro Woche geschrieben werden dürfen. Außerdem solle die Obergrenze von 34 Wochenstunden verbindlich festgelegt werden. Wie berichtet, beträgt die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden an einigen Gymnasien bis zu 36.