Erste Begegnung mit der Berufs- und Erwachsenenwelt: Eine neue Hamburger Praktikumsbörse im Internet soll Schüler und Unternehmen leichter zueinander führen. Viele Plätze werden noch über Beziehungen vermittelt.
Hamburg. Manchmal sitzt man nur herum und hat keine richtige Aufgabe. Jessica Faktorova, 16, aus Bramfeld hatte bei ihrem ersten Schülerpraktikum vor zwei Jahren als Stadtteilschülerin in der achten Klasse erst ein wenig Pech in einer Praxis für Ergotherapie. „Die ersten beiden Wochen waren sehr langweilig“, sagt sie. In der dritten Woche durfte sie dann selbst eine Stunde mit Kindern gestalten. Das Praktikum soll dazu dienen, einen Einblick in die Berufswelt zu erhalten, und im besten Fall lernen Schüler auf diese Weise ihren zukünftigen Chef kennen und erhalten dort später einen Ausbildungsplatz.
Manchmal ergattern auch nur diejenigen Schüler überhaupt einen Praktikumsplatz über Beziehungen, wenn Mutter oder Vater in dem Unternehmen arbeiten. Damit Firmen und Schüler leichter zueinander finden, gibt es jetzt eine Online-Praktikumsbörse (www.praktikum-handwerk.de oder www.hamburger-schülerpraktikumsbörse.de). Schulbehörde, Handels- und Handwerkskammer wollen gemeinsam auf diese Weise den Übergang von Schule in den Beruf erleichtern.
„Die Betriebe stellen ihre Angebote in die Börse und Schüler können für sich das Passende aussuchen“, sagt Angela Hellberg von der Handelskammer. Noch sind nur einige Betriebe online, unter anderem die Haspa, das Autohaus Wiechert und Werbeagenturen, aber in den kommenden Wochen soll das Angebot weiter ausgedehnt werden. „Es werden alle Branchen vertreten sein. Denn der Bedarf an Praktikanten ist hoch“, sagt Frau Hellberg. Betriebe hätten den Mehrwert von Praktikanten längst erkannt. „Sie lernen die Schüler und späteren Auszubildenden besser kennen.“ So bietet die Haspa monatlich 50 Praktikanten die Möglichkeit, in den einzelnen Bankfilialen hineinzuschnuppern.
Jedem Praktikanten steht auch ein Betreuer zur Seite. „Wir betreiben für unsere Praktikanten einen hohen Aufwand, weil wir festgestellt haben, dass man sich gut kennenlernt und besser entscheiden kann, wer sich für eine spätere Ausbildung eignet“, sagt Uta Degenhardt von der Haspa. Auch Handwerksbetriebe suchen sich ihren Nachwuchs inzwischen überwiegend über Praktika. „Denn so erleben die Betriebe die jungen Menschen persönlich und unabhängig von Schulnoten“, sagt Hjalmar Stemmann, Vizepräsident der Handwerkskammer Hamburg.
Noch immer finden viele Jugendliche, die die Schule nach der zehnten Klasse verlassen, keinen Ausbildungsplatz. Aus diesem Grund hat der Senat die Berufs- und Studienorientierung an den Stadtteilschulen neu ausgerichtet. Jugendliche sollen schon in der Schule besser auf den Übergang in die Ausbildung oder das Studium vorbereitet werden. Das ist auch eine Forderung der norddeutschen Unternehmen: „Wichtig ist uns, frühzeitig die Kooperation zwischen Schulen und Unternehmen zu fördern und sicher zu stellen, dass Bezüge zur Berufs- und Arbeitswelt hergestellt werden“, so Reinhold von Eben-Worlée, Vizepräsident der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig e.V.
Jessica Faktorova fühlte sich bei ihren Praktika in der achten und in der neunten Klasse allein gelassen: „Wir konnten uns selbst aussuchen, was wir machen wollten, wir haben kurz im Unterricht darüber geredet, wie man eine Bewerbung schreibt, aber dann wurden wir damit allein gelassen.“ Rund ein halbes Jahr Zeit hatte sie, um einen Praktikumsplatz zu finden. „Beim ersten Praktikum hatte ich erst einmal rund zwei Dutzend Bewerbungen geschrieben, ich wollte eigentlich in einem Krankenhaus arbeiten, aber ich wurde nicht angenommen, vermutlich, weil ich zu jung war.“
Abiturient Luca Schulte-Günne, 19, hatte sein erstes zweiwöchiges Schulpraktikum bei einem Förster gemacht. Das war 2008 in der neunten Klasse. Er war 14 Jahre alt. „Im Deutsch-Unterricht lernten wir, wie man Bewerbungen schreibt. Nach dem einfachen Schema schreibe ich sie noch heute. Im Rückblick betrachte ich diese Unterrichtsstunden als eine der wenigen mit konkretem Bezug zu unserem Leben nach der Schule“, sagt er. Luca Schulte-Günne war mit Waldarbeitern unterwegs. „Ich schaute zu, sperrte manchmal Straßen ab oder füllte die Sägen mit Benzin auf. Das waren einfache Tätigkeiten. Doch es war mir vollkommen egal. Ich genoss den Kontakt mit den beiden.“ Für ihn bedeutete dieses Praktikum nicht nur erste Berührung mit der Berufswelt, sondern auch mit der Erwachsenenwelt. „Im Nachhinein empfinde ich das als einen wichtigen Schritt in meiner Persönlichkeitsentwicklung.“
Dass ein Praktikum die Persönlichkeit stärken kann, das sieht Hamburgs Schulsenator Ties Rabe, SPD, genauso: „Junge Menschen müssen ihre Erfahrungen machen, damit sie klären können, welche Ziele sie für ihr Leben haben, für welche Berufsfelder sie sich interessieren. In Berufspraktika werden sie als potenzielle Auszubildende mit anderen Augen betrachtet. Das stärkt viele Jugendliche.“
Für Luca stand am Ende seines Praktikums fest, dass er kein Förster werden will. „Denn er erzählte mir von seinen zahlreichen Stunden im Büro. Meine Wunschvorstellung, Förster zu werden und für den Rest meines Lebens jeden Tag durch den Wald laufen zu dürfen, war zerstört.“ Und Jessica hat nach ihrem zweiten Praktikum in der Zentralen Anlaufstelle für Anerkennung von ausländischen Abschlüssen bei der Bundesagentur an der Max-Brauer-Allee herausgefunden, dass sie ein Beamtenjob in der Verwaltung interessieren könnte.