Auch der zweite Rettungsversuch für die Hamburger Baumarktkette ist gescheitert, Zerschlagung und Ausverkauf stehen bevor. Zu Besuch bei Betroffenen in der Filiale Winterhude.

Hamburg. Birgit Hellmann mag nicht mehr. Eigentlich soll die 52 Jahre alte Mitarbeiterin von Max Bahr in Winterhude in diesen Tagen Inventur machen, soll die noch verbliebenen Bohrer, Hämmer und Lichterketten für die Adventszeit zählen. Doch sie kann sich kaum auf ihre Arbeit konzentrieren. „Dieses ewige Auf und Ab, dieses Schwanken zwischen Hoffen und Bangen macht einen fix und fertig“, sagt sie.

Seit Jahrzehnten arbeitet die resolute Frau in Winterhude, ihr Mann Thorsten, 43, betreut ein paar Regale weiter die Farbenabteilung. Die beiden haben sich in dem Markt kennen- und lieben gelernt, auch der gemeinsame Sohn Michel ist in dem Unternehmen beschäftigt. Seit Monaten gibt es in der Familie kaum ein anderes Thema als die Zukunft der insolventen Hamburger Baumarktkette. „Max Bahr ist doch unser Zuhause“, sagt Birgit Hellmann.

Dieses Zuhause ist jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach verloren. Nach einem letzten gescheiterten Rettungsversuch am Mittwoch steht das 134 Jahre alte Traditionsunternehmen nun endgültig vor der Zerschlagung. Am heutigen Donnerstag soll der Ausverkauf in den verbliebenen 73 Märkten beginnen. Die 3600 Mitarbeiter können dann allenfalls noch auf den Kauf einzelner Filialen durch die Konkurrenz hoffen.

Noch Anfang dieser Woche sah es so aus, als könnte Max Bahr nach Monaten der Ungewissheit doch noch durch eine Übernahme der saarländischen Handelsgruppe Globus erhalten bleiben. Die Verträge waren weitgehend unter Dach und Fach, für 15 Uhr war am Mittwoch sogar schon ein Notartermin in Frankfurt angesetzt, wo die Insolvenzverwalter von Max Bahr und des Vermieters Moor Park ihre Unterschriften unter die Papiere setzen wollten.

Doch quasi in letzter Sekunde scheiterte der Verkauf von rund 60 Filialen wieder einmal an ungeklärten Immobilienfragen. Differenzen in diesem Bereich hatten vor einigen Wochen auch schon die nahezu sicher geglaubte Übernahme durch ein Konsortium um den Dortmunder Konkurrenten Hellweg und den Hamburger Investor Dirk Möhrle verhindert.

Die Schuld für die erneut geplatzte Rettung schoben sich die Verhandlungspartner gegenseitig zu. „Wir haben intensive Gespräche mit Globus geführt“, sagte ein Sprecher des Insolvenzverwalters des Immobilienbesitzers Moor Park, dem 66 der letzten 73 Max-Bahr-Märkte gehören. „Leider ist es jedoch nicht zu einer Einigung gekommen.“ Globus habe mitten in den Verhandlungen seine Preisvorstellungen so verändert, dass sie massiv von den in vorherigen Gesprächen genannten abwichen, erklärte der Sprecher. „Wir mussten feststellen, dass diese geänderten Vorstellungen nicht annehmbar waren.“

Nach Informationen dieser Zeitung hatten sich die Parteien eigentlich auf einen Kaufpreis für die Max-Bahr-Immobilien in Höhe von rund 450 Millionen Euro verständigt. Für eine mehrmonatige Übergangszeit sollten allerdings noch Mietzahlungen auf dem bisherigen Niveau geleistet werden.

Doch kurz vor Vertragsunterzeichnung schnürte Globus dieses Vertragspaket wieder auf und wollte nun noch einmal über eine langfristige Vermietung der Märkte verhandeln. Dabei soll eine Reduzierung der Jahresmiete von 51 auf 35 Millionen Euro im Gespräch gewesen sein.

Auch eine Sprecherin der Royal Bank of Scotland (RBS), die hinter dem Vermieter Moor Park steht, bedauerte das Scheitern der Verhandlungen. „Völlig überraschend“ seien wieder Forderungen aufgegriffen worden, „von denen man wusste, dass sie nicht annehmbar sind“, sagte sie.

Im Umfeld von Globus hieß es dagegen, die RBS habe ein falsches Spiel gespielt. Sie habe einen Abbruch provoziert, weil sie auf ein höheres Angebot für die Immobilien spekuliere. „Max Bahr hätte gut zu uns gepasst“, sagte ein Unternehmenssprecher. Es sei aber keine Einigung möglich gewesen.

Für die meisten Max-Bahr-Beschäftigten ist das endlose Immobiliengeschacher schon lange nicht mehr nachvollziehbar. „Letztlich haben uns doch all diese Leute in den vergangenen Monaten nur veralbert“, meint Mitarbeiterin Hellmann. „Unser Markt hier in Winterhude läuft gut, die Kunden halten uns die Treue, haben sogar Schokolade, Kuchen und Sekt vorbeigebracht, damit wir unseren Frust herunterspülen können. Und trotzdem haben wir offenbar keine Chance mehr.“

Die Mitarbeiter in Winterhude haben in den vergangenen Wochen so ziemlich alles versucht, um das drohende Ende für die Kette noch abzuwenden. Sie waren auf der Demo in der Hamburger Innenstadt, haben einen Gehaltsverzicht angeboten und Unterschriften für den Erhalt von Max Bahr gesammelt. Schön verschnürt mit roter Schleife und auf dem Expressweg haben sie das Paket an Globus geschickt – alles umsonst.

Auch Mitarbeiter Erik Melüh, 28, der am Infostand des Marktes arbeitet, macht sich große Sorgen um seine Zukunft. „Ich habe ein kleines Kind zu Hause, es ist kurz vor Weihnachten, wie soll ich denn jetzt unser Leben finanzieren?“ Sein Kollege Johannes Kurpiewski, der in der Holzabteilung beschäftigt ist, ist hingegen froh, dass er mit 65 Jahren demnächst in Rente gehen kann. Nach 25 Jahren im Betrieb ist aber auch er erschüttert: „Ich hätte nie gedacht, dass so ein traditionsreiches Unternehmen einfach so vom Markt verschwinden kann.“

Vonseiten der Insolvenzverwalter und der Immobilienbesitzer hieß es am Mittwoch, dass nach der geplatzten Globus-Übernahme nun Verhandlungen mit einem „renommierten Baumarktbetreiber“ über den Kauf von 20 bis 25 Märkten laufen sollen. Eine Unterschrift soll es vielleicht schon am heutigen Donnerstag geben.

Birgit Hellmann macht unterdessen schon mal Pläne für die Zeit nach Max Bahr: „Vielleicht leben wir mit unserem Sohn bald wieder unter einem Dach“, sagt sie sarkastisch. „Irgendwie müssen wir ja Geld sparen, wenn die ganze Familie arbeitslos wird.“