Vattenfall blockiere trotz des Volksentscheids eine klimafreundliche Ausrichtung der Fernwärme, so der Vorwurf von BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Nun sei der Senat am Zug.

Hamburg. Zwei Monate nach dem erfolgreichen Volksentscheid verhandelt die Stadt noch immer mit Vattenfall und E.on über einen vollständigen Rückkauf der Hamburger Energienetze. Dass die beiden Unternehmen dem Senat nicht, wie zunächst erwartet, sofort eine Absage erteilt haben, wertet SPD-Fraktionschef Andreas Dressel als positives Zeichen. Der Zukauf der 74,9 Prozent an den Netzen, die der Stadt nicht gehören, sei der beste Weg, das Votum der Bürger umzusetzen – weil es die Risiken des Scheiterns in einem Konzessionsverfahren minimiere. „Deswegen ist es gut, diese Möglichkeit genau auszuloten“, so Dressel.

Bis zum 15. Dezember muss in jedem Fall eine Entscheidung fallen. Denn an diesem Tag läuft die Kündigungsfrist für die Verträge der Stadt mit Vattenfall und E.on ab. Dressel kündigte an, dass es am 16. Dezember eine gemeinsame Sitzung der Bürgerschaftsausschüsse für Umwelt- und Haushalt gebe soll. Dort würden die Abgeordneten umfassend über den Stand der Dinge informiert. Sollten Vattenfall und E.on ihre Anteile an den Netzen für Strom-, Gas und Fernwärme nicht verkaufen, würde die Stadt eine eigene Netzgesellschaft gründen und sich um die jeweiligen Konzessionen bewerben. Wer bei der Konzessionsvergabe der Zuschlag bekommt, erhält gegen eine angemessene Zahlung an den bisherigen Eigentümer auch das Netz.

Unterdessen haben der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und seine Mitstreiter vom Senat die baldige Vorlage eines eigenen Fernwärmekonzeptes gefordert. Derzeit versuche „das noch für die Hamburger Fernwärmeversorgung zuständige Unternehmen Vattenfall trotz Volksentscheids mit zwei Planverfahren eine konsequente klimafreundliche Ausrichtung der Fernwärme zu blockieren“, so der Vorwurf von BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. So treibe Vattenfall die umstrittene Moorburgtrasse weiter voran und habe dazu erst vor kurzem eine Planänderung bei der zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) beantragt. Zudem halte der schwedische Energiekonzern „trotz offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit und erheblicher Einwände von Bürgern und Politik“ am Bau des geplanten GuD-Kraftwerkes in Wedel fest.

Kritik an Vattenfall

„Es ist unerträglich, wie Vattenfall mit diesen beiden Projekten die Stadt vor sich her treibt, Drohkulissen aufbaut und den Blick auf die beste Lösung für die Hamburger Fernwärmeversorgung verstellt“, sagte Braasch. Auch die Initiativen „Stopp! Kein Mega-Kraftwerk Wedel“ und „Moorburgtrasse stoppen!“ übten Kritik an Vattenfall.

Bereits vor zwei Jahren habe die SPD-Fraktion ein Wärmekonzept für Hamburg vom Senat gefordert, sagte Braasch. Stattdessen sei aber ein Beteiligungsvertrag zwischen Hamburg und Vattenfall geschlossen worden, der „trotz anders lautender Gutachterempfehlungen und ohne Alternativenprüfung den Bau eines großen GuD-Kraftwerkes vorsah“, so Braasch. „Diese Konzeptionslosigkeit rächt sich derzeit und es gibt keine offiziellen Zahlen, wie hoch der Bedarf an thermischer Kraftwerksleistung in Hamburg tatsächlich ist. Erste Abschätzungen gehen davon aus, dass der Bedarf deutlich unter der derzeitigen technischen Auslegung des geplanten GuD- Kraftwerkes liegt.“

Solle der Rückkauf bei der Fernwärme nicht funktionieren, müsse der Senat „umgehend eine klare Ansage für die Fernwärmeversorgung in Hamburg machen“. Dazu müsse der öffentlich-rechtlichen Vertrag zum Wegerecht spätestens bis zum 15. Dezember 2013 gekündigt werden. Zudem müsse der Rechtsstreits zwischen Vattenfall und Hamburg zur Durchsetzung des Konzessionsvertrages 1994 wieder aufgenommen werden. Das Planfeststellungsverfahren zur Moorburgtrasse müsse eingestellt und bis Anfang 2014 eine Wärmekonzept vorgelegt werden. Zudem fordern BUND und die beiden Initiativen einen Bericht des Senates zur Zukunft der Fernwärme im zuständigen Bürgerschaftsausschuss noch in diesem Jahr

„Der Senat hat jetzt das Heft in der Hand“, so Braasch. „Noch bleiben vier Jahre, bis das alte Kraftwerk in Wedel vom Netz gehen soll. Genügend Zeit, die beste Lösung für Hamburg zu finden und umzusetzen.“

Vattenfall und E.on wollen sich bisher nicht zu der Frage äußern, ob sie ihre Anteile an den Energienetzen freiwillig an die Stadt verkaufen. „Es gibt Gespräche mit der Stadt“, das ist alles, was Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow sagt. Ähnlich gibt sich E.on-Sprecher Ove Struck. „Aufgrund des Volksentscheids befinden wir uns in Gesprächen mit der Stadt, die das Gasnetz betreffen“, lässt er wissen. „Zum Stand der Gespräche machen wir keine Aussagen.“

Vattenfall bekräftigte am Donnerstag, dass man an den Plänen für das moderne GuD-Kraftwerk in Wedel festhalten wolle. Auch das Genehmigungsverfahren für die Moorburgtrasse werde wie mit dem Senat vereinbart fortgesetzt. Deren Bau ist allerdings als unwahrscheinlich. Die Versorgung aus Moorburg gilt lediglich als Notlösung, falls die Versorgung der 180.000 von Fernwärme abhängigen Haushalt im Hamburger Westen nicht durch das neue Kraftwerk in Wedel gesichert werden kann.