Das Orkantief „Christian“ ist über den Norden Deutschlands gefegt und hat ein Todesopfer gefordert. Die Deutsche Bahn stellte den Bahnverkehr sein. In St. Peter-Ording erreichten die Böen einen Spitzenwert von 173 Stundenkilometern.

Wyk/Flensburg. Züge rollen nicht mehr, Strom fällt aus, Handys haben kein Netz, Bäume stürzen um. Dabei wird in Flensburg ein Mann erschlagen. Auf Sylt hat der Wind aus Sand und Unrat einen dicken Nebel erschaffen – Orkantief „Christian“ nahm den Norden am Montag in den Würgegriff. Der erste schwere Herbststurm ließ zudem den Verkehr vielerorts zusammenbrechen. In ganz Norddeutschland kam der Zugverkehr nach Angaben der Deutschen Bahn praktisch zum Erliegen. Die Rettungskräfte waren im Dauereinsatz.

„Christian“ raste mit einer Geschwindigkeit von bis zu 173 Stundenkilometern über den Norden. Der Spitzenwert wurde in St. Peter-Ording (Nordfriesland) gemessen. Dort flogen sogar Strandkörbe durch die Luft. Das ARD-Wetterstudio maß eigenen Angaben zufolge sogar einen neuen Rekord bei Windgeschwindigkeiten für Norddeutschland. Die Stationen auf Borkum und Helgoland-Oberland hätten am Nachmittag jeweils 191 Stundenkilometer verzeichnet, teilte ein Sprecher vom zuständigen Unternehmen Bavaria Film aus München mit.

Erinnerungen an den zerstörerischen Sturm „Anatol“ 1999 wurden wach. Damals seien es 180 Stundenkilometer gewesen, sagte die Sylter Bürgermeisterin Petra Reiber, nun bis zu 160. „Das ist schon eine beängstigende Situation.“ Sie habe ihren eigenen Mitarbeitern anheimgestellt, nach Hause zu gehen. Es seien Bäume, Bänke und Fahrräder umgestürzt, Dachteile herabgerissen worden, Strom ausgefallen, das Telefonnetz teilweise zusammengebrochen. „Und die Luft ist nicht mehr klar“, getrübt von Sand und Unrat, „trüb wie bei Nebel, eine sehr schlechte Sicht“.

Bei der Polizei in Schleswig-Holstein waren alle verfügbaren Kräfte im Einsatz. Mehrere hundert Hilferufe konnten laut Landespolizeiamt nur zeitverzögert bearbeitet werden. Am Hamburger Flughafen warteten 1500 Passagiere zweieinhalb Stunden in den Maschinen auf die Abfertigung.

Der Autoreisezug SyltShuttle der Deutschen Bahn hatte schon am Vormittag seinen Betrieb zwischen Niebüll und Westerland komplett eingestellt. Der Betrieb der Syltfähre zwischen List auf Sylt und Havneby auf der dänischen Insel Rømø wurde ebenfalls ausgesetzt. Auch die Wyker Dampfschiffs-Reederei (W.D.R.) auf der Insel Föhr ließ ihre Fähren im Hafen. Erst am Abend sollten wieder Schiffe fahren. Bereits am Morgen war Helgoland vom Festland abgeschnitten. Die Reederei Cassen Eils teilte mit, dass die Verbindung zwischen der Hochseeinsel und Cuxhaven (Niedersachsen) bis Dienstag unterbrochen sei. Die Elbfähre Glückstadt-Wischhafen verkehrte ebenfalls nicht mehr.

Schulkinder im Kreis Nordfriesland konnten sich über „sturmfrei“ freuen: Der Kreis forderte die Schulen am Mittag dazu auf, sämtliche Schüler so schnell wie möglich nach Hause zu schicken. Auch berufliche und Förderschulen waren betroffen.

Auf der Hallig Hooge sagte Bürgermeister Matthias Piepgras: „Ich habe so eine Wucht noch nicht erlebt.“ Es sei schlimmer als beim Orkan „Kyrill“ (2007) gewesen. Eine Frau sei durch umherfliegende Gegenstände leicht verletzt worden. Der zu Hilfe gerufene Seenotrettungskreuzer konnte wegen des Sturms aber nicht anlegen. „Die Nordsee war wie am Kochen.“ Am Abend beruhigte sich die Wetterlage. Die Windstärke lag bei 8 bis 9 – „ein laues Lüftchen“, sagte Piepgras.

Auf der sogenannten „Königin der Halligen“ sind auch um diese Jahreszeit noch Touristen. „Die freuen sich, so ein Naturschauspiel auch erleben zu können“, hatte der Bürgermeister noch vor dem Durchzug des Orkans gemeint. Die Strandbar Pitschi’s in Wyk auf Föhr war bei dem Unwetter voll. „Aber nur drinnen“, sagte Besitzer Peter Schaper. Draußen habe man zurzeit keine Chance: „Im Moment weht man weg.“ Spazierengehen könne man nicht mehr.