Die Hamburger Arbeitsagentur will Service-Aushilfen in feste Beschäftigung bringen. Denn Mitte Oktober endet die Gartenschau. Dann droht vielen von ihnen die Arbeitslosigkeit.
Hamburg. Hanka Swantusch geht gerne zur Internationalen Gartenschau (igs). Nicht so sehr wegen der kunstvoll angelegten Blumenbeete und der sonstigen Ausstellungen. Für Swantusch bedeutet die Schau Arbeit und Geld, das sie dringend benötigt, um ihre kleine Familie zu ernähren. Ihren Job hat sie im Restaurantpavillon unweit des Haupteingangs. Küche, Service, Kasse – Swantusch macht alles, wozu sie ihre Chefin einteilt. Sie mag ihren Job, nicht zuletzt weil er ihr aus der Arbeitslosigkeit geholfen hat: „Wir sind dort ein klasse Team“, sagt Swantusch. „Schade, dass es bald vorbei ist.“ Am 13. Oktober enden die igs und Swantuschs Vertrag.
Aber es gibt Hoffnung für sie und die übrigen 20 von 77 Servicekräften, denen die Arbeitsagentur vor sechs Monaten eine Anstellung bei der igs verschafft hat und die heute noch dabei sind. Für viele von ihnen war es nach langer Zeit der erste Job. Jetzt suchen sie eine Anschlussbeschäftigung. Darum stehen sie an diesem kühlen Morgen vor dem Wasserwerk in Wilhelmsburg. Die Arbeitsagentur hat ein Speed-Dating organisiert. Arbeitgeber aus der Gastronomie treffen in ungezwungener Runde auf die Servicekräfte, die sich bei ihnen bewerben wollen.
„Insgesamt haben wir rund 150 Arbeitslose für die Dauer der igs in Arbeit bringen können“, sagt Ines Rosowski, Leiterin der Arbeitsagentur Harburg. „Neben den 77 im Catering waren es auch 35 im Wachdienst und 25 beim Roten Kreuz, die als Kümmerer eingesetzt wurden.“ Während die Wach- und die Rettungsleute vom DRK inzwischen überwiegend längere Verträge oder eine Festanstellung bekommen haben, endet für die Servicekräfte der Job mit der igs. „Deshalb haben wir das Speed-Dating organisiert, um diesen Mitarbeitern einen Anschluss zu ermöglichen“, sagt Rosowski.
Inzwischen hat die Veranstaltung begonnen. An mehreren Tischen sitzen die Personalchefs verschiedener Gastronomiebetriebe. Das Scandic-Hotel ist dabei, der Europäische Hof, aber auch das UKE, das Küchenpersonal benötigt. Insgesamt sieben Arbeitgeber haben sich im Wasserwerk versammelt. Der von der Arbeitsagentur eingeschaltete Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat sie auf den Termin hingewiesen. „Ich bin überzeugt, dass wir heute den einen oder anderen Bewerber finden, den wir uns näher anschauen werden“, sagt Julian Wehmann, Sohn des berühmten Kochs Heinz Wehmann vom Landhaus Scherer. Wehmann hat schon häufiger Speed-Datings besucht. „Wir machen so etwas auch mit Berufsschulen, um junge Leute für unser Handwerkskunst zu begeistern“, sagt er. Ausbildung und Berufserfahrung sind für ihn wichtig aber nicht ausschlaggebend. „Die Bewerber müssen ins Team passen und Engagement zeigen“, so Wehmann.
Etwa fünf bis zehn Minuten haben die Bewerber Zeit, den Personalchefs ihre Mappe zu zeigen und sich zu präsentieren. Dann wird gewechselt. Nur Swantusch sitzt noch etwas abseits auf einer Bank und traut sich nicht. „Ich habe jetzt wirklich ein bisschen Bammel“, sagt die junge Frau.
Klein, zierlich und erst 26 Jahre alt ist Swantusch, am Arbeitsmarkt hat sie aber schon allerhand erlebt. Nach dem Hauptschulabschluss in Rostock 2002 jobbte sie in einer Textilreinigung. Trotz etlicher Bewerbungen fand sie erst nach einem Jahr einen Ausbildungsplatz zur Handelsfachpackerin. Sie wurde nicht übernommen, jobbte in Baumärkten und bewarb sich weiter. In Rostock fand sie keine Anstellung, aber in Hamburg bei der Metro. Und dafür zog Swantusch an die Elbe. Doch auch dieser Job war nur befristet. Eine Zeitarbeitsfirma stellte sie ein. Sie vermittelte Swantusch nach Fuhlsbüttel an ein Unternehmen, das Catering für Flugzeuge besorgt. Im Schichtdienst reinigte Swantusch Geschirr und Trolleys, wurde dann aber schwanger und wieder einmal gekündigt. Nach der Elternzeit verhalf ihr die Arbeitsagentur zu dem Teilzeitjob für 30 Stunden pro Woche auf der igs. 1070 Euro brutto bekommt sie dort im Monat. „Das Geld ist okay“, sagt sie zufrieden. Es sei nicht viel, aber ihr Lebensgefährte habe auch einen Job. Zusammen kommen sie hin.
„Wissen Sie, mir geht es auch darum, meiner Kleinen vorzuleben, dass es wichtig ist, Arbeit zu haben und sein eigenes Geld zu verdienen. Nur dann kann man sich auch einmal einen Urlaub leisten, neue Klamotten oder Spielzeug für das Kind“, sagt sie. Dann holt Swantusch tief Luft, fasst sich ein Herz und setzt sich doch an einen der freien Tische. Michael Wollenberg sucht für sein Hotel Wattkorn Küchen- und Barpersonal. Erst zurückhaltend, dann selbstbewusster bewirbt sich Swantusch beim Personalchef Dirk Siedentop. Offenbar mit Erfolg: Nach zehn Minuten kehrt sie freudestrahlend zurück. „Das Gespräch war super. Ich habe gleich für Oktober ein Vorstellungsgespräch bekommen.“
Auch das Landhaus Scherrer will von Swantusch eine schriftliche Bewerbung haben. „Sie hat gezeigt, dass sie um den Job kämpft. Und das ist in der heutigen Zeit bemerkenswert“, sagt Wehmann Junior. Stattdessen treffe man häufig auf Gleichgültigkeit. Über das bevorstehende Ende der Internationalen Gartenschau in Wilhelmsburg ist Swantusch an diesem Tag nicht mehr ganz so betrübt. Sie hat wieder eine berufliche Perspektive.