Mit Büchern für Kinder, Jugendliche und Erwachsene erregt der Hamburger Schriftsteller Finn-Ole Heinrich Aufsehen. Nun bringt das Thalia Theater seinen Bestsellerroman „Räuberhände“ auf die Bühne.

Hamburg. Nach gut aufgenommenen Erzählbänden wie „die taschen voll wasser“ (2005) erschien 2011 sein freches Kinderbuch „Frerk, du Zwerg!“, wofür er ein Jahr später den Deutschen Jugendliteraturpreis erhielt. Mittlerweile hat Autor Finn-Ole Heinrich für kleine Leute die Trilogie „Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt“ in Arbeit – der erste Band ist gerade erschienen. Derweil macht noch immer sein Debütroman „Räuberhände“ von 2007 Furore: Von der Coming-of-Age-Geschichte sind nicht nur rund 30.000 Exemplare verkauft, das Werk ist auch Abi-Pflichtlektüre in Hamburg. Und das renommierte Thalia in der Gaußstraße bringt den Roman, der erstmals im Hamburger mairisch Verlag veröffentlicht wurde, am Freitag (16. August) in einer Inszenierung der jungen Regisseurin Anne Lenk nach der Bearbeitung von Michael Müller zur Uraufführung.

Dabei ist der im niedersächsischen Cuxhaven aufgewachsene Hamburger Heinrich (30), der nach seinen Worten seit früher Jugend den Kopf voller Geschichten hat, aus eher profanen Gründen zu seinem Beruf gekommen – weil nämlich Schreiben so preiswert ist. „Im Grunde war es eine absolute Notlösung“, sagt der Absolvent eines Filmregie-Studiums in Hannover unprätentiös und zugewandt. „Mein erstes Medium, um Geschichten zu erzählen, wäre der Film gewesen. Ich bin mit Filmen von (Michael) Haneke und Lars von Trier sozialisiert, habe mit 16 das erste Mal freiwillig ein Buch gelesen.“ Doch muss man für Kinoprojekte meist Millionen Euro organisieren und sich widrigen Produktionsumständen beugen, wie er bei einer Drehbucharbeit erleben musste.

Da boten sich Schreibtisch und Computer wie von selbst als Alternative an. „Ich habe beim Schreiben das Gefühl, ich setze mich wirklich mit der Welt auseinander. Die geht dabei durch mich hindurch, ich setze sie um in irgendetwas“, schildert Heinrich sein Tun und setzt ohne Ironie hinzu: „Wenn ich klüger wäre, bräuchte ich mir keine Geschichten vom Leben zu erzählen.“ Leser durch Gedanken erst zu irritieren und dann zu bereichern, sei sein Ziel. Unter Erfolgsdruck von außen gesetzt fühle er sich nicht, sagt der junge Autor, der viel in Schulen liest, „aber ich mache mir selber viel Druck. Ich erwarte viel von mir und spüre immer den Druck, die Themen, die ich im Kopf habe, zu bearbeiten.“ Am meisten freue er sich, von der Schriftstellerei leben zu können – „früher habe ich viel gejobbt, doch so habe ich Zeit, mich auf das zu konzentrieren, was mich wirklich interessiert.“

Der Autor ist gerade auf Kurzbesuch bei seinen Eltern in Cuxhaven, um am nächsten Tag mit seiner Freundin in den Kanu-Urlaub auf mecklenburgischen Seen zu starten. Durch seinen Alltag geht er mit ausgefahrenen Antennen. Wenn sich eine Thematik verdichtet, beginnt er zu recherchieren. Was fällt ihm am Leben von Kindern und Jugendlichen heutzutage besonders auf? „Manche Sachen finde ich einfach schwierig – zum Beispiel Pornografie“, sagt Heinrich, „wenn man heute 13, 14 ist, weiß ich nicht, wie man noch seinen eigenen, schönen Zugang zur Sexualität finden soll, unbeeinflusst von dem ganzen harten, ekligen und standardisierten Pornomüll, der einem so entgegenschwappt. Ich möchte heute kein 15-jähriges Mädchen sein, das mit einem 15-jährigen Jungen sein erstes Mal erlebt, der schon 200 Pornos gesehen hat – die seine Vorstellung geprägt haben, wie Sex aussehen müsste.“

Um Beziehung und Nähe, Sex und Suche nach Identität geht es auch in „Räuberhände“ – einer sensiblen Geschichte für viele Altersklassen über zwei Zwanzigjährige aus sehr unterschiedlichen Milieus. Janik, Sohn eines politisch korrekten Lehrerehepaars, ist bemüht, sich von seinen Eltern zu distanzieren und träumt von Chaos. Sein Kumpel Samuel dagegen, Abkömmling einer Pennerin und vermutlich eines Türken, sehnt sich nach Ordnung. Nach einem Ereignis, an dem ihre Freundschaft zu zerbrechen droht, machen sich beide auf nach Istanbul. Der leichtfüßig klar geschriebene Roman auf mehreren Zeitebenen ist von Kritikern wegen seiner knappen Szenen als „filmisch“ bezeichnet worden. Vielleicht schließt sich mit der szenischen Drei-Personen-Aufführung an der Thalia-Studiobühne ein bisschen ein Kreis für Heinrich, der immerhin auch für einige Kurzfilme Auszeichnungen errungen hat.