Das Amtsgericht hat Zweifel, ob der Vermieter die nötigen Genehmigungen für den Rausschmiss seiner Mieter hatte. Je länger der Streit dauert, desto mehr Geld verliert der Investor. Jetzt hat er den Mietern ein neues Angebot vorgelegt.
Hamburg. Die Justizbeamten mussten zusätzliche Stühle in den Saal 0.34 des Hamburger Amtsgerichts am Sievekingplatz 1 tragen, so groß war das Interesse am Fall Hegestraße 46. Gestern wurde dort die Räumungsklage gegen die Mieterin Siegrid Spiering verhandelt. Ihr Vermieter, die „GbR Hegestraße 44–48“, will sie mit einer Räumungsklage aus ihrer Wohnung zwingen. Und nicht nur Siegrid Spiering soll raus – auch die restlichen Mieter der Hegestraße 46.
36 Wohnungen gibt es an der Hegestraße 46 a bis f, acht davon sind noch bewohnt. Die Mieter wollen nicht ausziehen, denn ihre Wohnungen sind zwar nicht modern, dafür ist jedoch die Miete niedrig.
Der Investor will die vernachlässigten Häuser in bester Lage am Isebekkanal entkernen, 24 neue Wohnungen errichten und diese mit Gewinn verkaufen. Die historische Fassade soll erhalten bleiben. Um seine Mieter loszuwerden, hat er ihnen im vergangenen Jahr eine Verwertungskündigung geschickt.
Um diese Verwertungskündigung geht es vor dem Amtsgericht. Die „GbR Hegestraße 44–48“ begründet die Kündigung damit, dass sie an einer angemessenen Verwertung der Gebäude durch die bestehenden Mietverträge gehindert wird. Verwertungskündigungen sind an hohe Auflagen geknüpft.
Gleich zu Beginn der Verhandlung äußerte die Vorsitzende Richterin Zweifel daran, ob zum Zeitpunkt der Kündigung überhaupt die nötigen Genehmigungen für das Bauvorhaben des Investors vorlagen. Denn um ein Gebäude für eine Sanierung leer stehen zu lassen, benötigt der Eigentümer eine Zweckentfremdungsgenehmigung. Diese lag zum Zeitpunkt der Kündigung vor einem Jahr nicht vor – sondern wurde erst im Mai dieses Jahres vom Bezirksamt Nord erteilt. Es gebe, so die Richterin, die Rechtsauffassung, dass die Genehmigung schon zum Zeitpunkt der Verwertungskündigung vorliegen müsse. Sie neige dazu, sich dieser Auffassung anzuschließen.
+++ Mieter sollen weiterhin Maklergebühren zahlen +++
Und noch eine Sache soll vor Gericht geklärt werden: Ob dem Investor noch weitere Zweckentfremdungsgenehmigungen fehlen. Der Anwalt der Mieter, Bernd Vetter, sagte: „Das Vorhaben ist fast ein Komplett-Abriss.“ Für einen Abriss benötige der Investor eine weitere Genehmigung. Die Anwältin der „GbR Hegestraße 44–48“, Ricarda Breiholdt, bezeichnete das Vorhaben ihres Mandanten als „Sanierung“. Dafür habe der Eigentümer alle erforderlichen Genehmigungen.
Bis Ende August soll der Investor dem Gericht jetzt genau vorlegen, welche Pläne er hat – und welche Genehmigungen er dafür benötigt. Dann soll auch die Entscheidung fallen, ob die Kündigung von Mieterin Spiering unwirksam ist.
Das Gerichtsverfahren wird auch im Bezirksamt Nord aufmerksam verfolgt. Amtschef Harald Rösler (SPD) und SPD-Fraktionschef Thomas Domres stehen unter Druck: Die Mieter der Hegestraße und die Bürgerinitiative „Wir sind Eppendorf“ werfen ihnen vor, mit dem Investor gemeinsame Sache zu machen. Der Fall Hegestraße ist zum Politikum geworden – auch weil sich die SPD im Bundestagswahlkampf als die Partei der Mieter präsentieren will.
Je länger der Streit um das Objekt an der Hegestraße dauert, desto mehr Geld verliert der Investor: Die Gesellschaft kann nicht mit dem Bauen beginnen, und der lukrative Verkauf rückt in weite Ferne. In der Vergangenheit hat der Investor den Mietern andere Wohnungen oder sogar Geld angeboten – vergebens, sie wollen in ihren Wohnungen bleiben.
Vor Gericht präsentierte Anwältin Breiholdt jetzt ein neues Angebot: Die Gebäude sollen wie geplant umgebaut werden, die Mieter ziehen für diese Zeit in Ersatzwohnungen, für die sie keine Miete zahlen müssen. Nach der Fertigstellung sollen die Mieter „moderne Wohnungen im Erdgeschoss der Seitenhäuser“ bekommen – die Kaltmiete soll zehn Euro pro Quadratmeter betragen. Die Umzugskosten aus der Hegestraße und zurück will der Investor zahlen.
Bis zur nächsten Verhandlung will Mieter-Anwalt Vetter dieses Angebot mit den Mietern beraten.