Das Beispiel eines Hauses an der Hegestraße 46 in der Nähe des Eppendorfer Baums: Der Investor will sanieren - und die Bewohner sollen ausziehen. Dramatische Situation in Hamburger Innenstadt-Quartieren.
Hamburg. Die Wohnungsnot in Hamburg ist ein Top-Thema des Senats. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) will die Zahl der neu gebauten Wohnungen auf jährlich 6000 steigern. Auch die "Gentrifizierung", die Verdrängung alteingesessener Bewohner durch wohlhabende Zuzügler, hat Hamburgs Regierung auf der Agenda. Menschen mit geringeren Einkommen sollen nicht durch Aufwertung der Stadtteile verdrängt werden. Deshalb soll Hamburg mehr günstige Wohnungen bekommen.
Ein Dossier des Hamburger Abendblatts zeigt heute, wie dramatisch die Situation in Hamburger Innenstadt-Quartieren ist. Am Beispiel der Hegestraße 46 in der Nähe des Eppendorfer Baums: Die Gebäude liegen direkt am Isebekkanal, in bester City-Lage. Die Mieter wohnen in kleinen und günstigen Zweieinhalbzimmerwohnungen. Ihre Häuser sind nicht im besten Zustand, aber dafür günstig. Außerdem haben sie etwas daraus gemacht: Sie investierten in ihre vier Wände und legten zusammen einen grünen Innenhof an.
Dann wurde der Komplex 2009 an einen Investor verkauft. Er will die vernachlässigten Häuser sanieren und mit Gewinn verkaufen. So wie es viele Investoren in ganz Hamburg tun. Aus für Normalverdiener bezahlbarem Wohnraum werden Eigentumswohnungen zu hohen Marktpreisen.
Um seine Mieter in der Hegestraße loszuwerden, hat der Eigentümer ihnen im vergangenen August eine Verwertungskündigung geschickt. Seitdem kämpfen die Mieter gegen den Investor. Sie werfen ihm vor, dass er ihnen das Wohnen zur Hölle mache. Der grüne Innenhof habe geräumt werden müssen, Mängel würden nicht behoben, leer stehende Wohnungen unbewohnbar gemacht. Das sieht nach "Entmieten" aus - es ist illegal. Mittlerweile sind noch acht Mieter übrig. Der Eigentümer will ihnen den Auszug jetzt mit Geld schmackhaft machen - derzeit steht das Angebot angeblich bei 20.000 Euro. Die Mieter haben vorerst abgelehnt, aber das Poker läuft weiter. Demnächst landen die ersten Fälle vor Gericht.
Der Streit um die Hegestraße 46 - er könnte überall in Hamburg stattfinden. Es geht auch um die Frage, wer bestimmen darf, aus welchen Bewohnern sich ein Stadtviertel zusammensetzt. Die Politik? Der Markt? Die Bürger?
In der Kritik steht jetzt das Bezirksamt Nord, das jahrelang nichts gegen den immer größeren Leerstand in der Hegestraße unternommen hat. Vielleicht auch, weil nur ein einziger Mitarbeiter für 168.000 Wohnungen zuständig ist. Doch auch nachdem das Amt 2012 offiziell den Leerstand feststellte, passierte nichts. Die Beamten glaubten dem "schlüssigen Vortrag" des Investors, wonach er die Wohnungen nicht illegal leer stehen lasse.
Bezirksamtschef Harald Rösler (SPD) findet heute, dass er das Thema Hegestraße sensibler hätte handhaben können. Aber er sagt auch: "Das Bezirksamt hat nach den vorliegenden Informationen im Rahmen der geltenden Vorgaben jeweils korrekt gehandelt."