Berufsvorbereitung in den Klassen acht bis zehn soll intensiviert werden. Neben Praktika und Lerntagen sollen Schüler eine spezielle Förderung bekommen, um rechtzeitig zu wissen, was sie beruflich machen möchten.

Hamburg. Wegen der weiterhin schlechten Aussichten von Schulabgängern mit niedrigen oder mittleren Abschlüssen organisiert Hamburg die Berufsvorbereitung für die Stadtteilschüler neu. Unter anderem werde die Berufs- und Studienorientierung in den Klassen acht bis zehn nach einem Probejahr vom Sommer 2014 an verbindlich, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Dienstag. Dazu zählten neben Praktika und Lerntagen auch eine spezielle Förderung der Schüler. Hamburg will damit erreichen, dass jeder Jugendliche künftig spätestens nach der zehnten Klasse weiß, was er beruflich einmal machen will, ob er eine Ausbildung antreten oder doch lieber das Abitur versuchen soll.

Derzeit schaffe nur ein Viertel der 5500 Schüler mit keinem, einem Hauptschul- oder einem Realschulabschluss in der Tasche direkt nach dem Verlassen der Schule den Übergang in eine Berufsausbildung. „Selbst ein halbes Jahr nach Schulende haben zwei Drittel der Schüler noch keine eigene Anschlussperspektive gefunden. Deswegen müssen wir hier handeln“, betonte Rabe. Ähnlich sieht es der Vorsitzende der Hamburger Agentur für Arbeit, Sönke Fock: „Wir stellen leider jedes Jahr fest, dass sich viele Jugendliche ihrer wunderbaren Chancen des Hamburger Ausbildungsmarktes berauben.“ Sie starten zu spät, seien unvorbereitet und könnten so nicht vom Lehrstellenangebot profitieren.

Der Schulbehörde schwebt nun ein mehrstufiges Verfahren vor. Danach sollen Schüler der achten Klassen zwei Stunden pro Woche ihre Stärken und Schwächen analysieren, sich über verschiedene Berufe informieren und sich auf ihre Schulpraktika vorbereiten. Insgesamt zwei jeweils dreiwöchige Praktika stehen dann in der neunten Klasse an, die ebenfalls zwei Stunden pro Woche vorbereitet, begleitet und nachbearbeitet werden sollen. In der zehnten Klasse wiederum werde es künftig nur noch vier Tage die Woche regulären Unterricht geben. Der fünfte Tag diene als sogenannter Lerntag dazu, das am Ende der neunten Klasse herauskristallisierte Berufsziel tatsächlich zu schaffen oder speziell auf das an den Stadtteilschulen ebenfalls mögliche Abitur vorzubereiten.

Kritik aus Schulen, die andere Modelle der Berufsvorbereitung praktizieren, wies Rabe zurück. „Die Zahlen sind in diesem Bereich nach wie vor so schwierig, dass wir Anlass haben zu sagen, hier gilt es gemeinsam sich auf ein Modell zu verständigen und dabei auch die eigene Schulpraxis ein Stück anzupassen.“ Die Berufsvorbereitung sei so wichtig wie Deutsch, Mathematik und Englisch. „Deswegen können wir bei diesem Bereich nicht sagen, da macht jeder, was er gerade will.“

Die Handelskammer wies ihre Mitgliedsunternehmen auf ihre neue Verantwortung als Anbieter von Praktikumsplätzen hin. „Sie werden nicht mehr nur „Abnehmer“ des allgemeinbildenden Schulsystems sein, sondern zukünftig zu einem Lernort, und sie tragen mit den Schulen zukünftig die gemeinsame Verantwortung für den Lernerfolg“, erklärte Handelskammerpräses Fritz Horst Melsheimer. Dies sei ein qualitativer und quantitativer Quantensprung, der Schule und Wirtschaft noch enger miteinander verzahne. Auch der Unternehmensverband Nord sicherte seine Unterstützung zu.

Kritik kam dagegen von der Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Senator Rabe vergrößert mit dieser Ausrichtung die Kluft zwischen Gymnasium und Stadtteilschule weiter“, erklärte die Grünen-Bildungsexpertin Stefanie von Berg. Das Konzept sei vor allem auf Lehrberufe ausgerichtet. „Eine Studienorientierung findet so gut wie gar nicht statt.“ Die Linken-Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn sprach von einem Irrweg auf Kosten der Allgemeinbildung.

Auch die CDU sieht die Einführung eines Lerntages kritisch. Wenn er zu weiteren Lücken führe, „könnte das Eltern darin bestärken, leistungsstarke Kinder nicht auf die Stadtteilschule, sondern auf das Gymnasium zu schicken“, sagte die CDU-Bildungsexpertin Karin Prien. Aus der FDP kam vorsichtige Zustimmung, wobei sich deren Bildungsexpertin Anna von Treuenfels mit Blick auf die praktische Umsetzung des Konzepts skeptisch zeigte. (dpa)

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